zierlich, dass sie kaum in der Lage zu sein schien, einen Sturz aufzufangen,
doch sie war aus bestem Steinholz, und ihr glatter Handlauf verriet, dass er
schon oft von Händen berührt worden war. Der Elfenmann zog den blauen
Umhang enger um seine Schultern, als fröstele es ihn, obwohl ein sanfter und
warmer Wind über die kleine Waldlichtung strich, auf der sich Baum und
Haus erhoben. Elodarion blickte nach Osten, als könne er durch den Wald
und die Lande dort jenen Ort erkennen, dessen Macht er wachsen spürte. Eine
düstere Bedrohung, der das elfische Volk vor so vielen Menschenaltern und
dem Bruchteil eines elfischen Lebens schon einmal begegnet war.
Elodarion strich mit der Hand über den Handlauf des Balkons, so als wolle
er sich vergewissern, dass dieser Bestand haben und mit ihm das Haus
Elodarions unbeschadet der dunklen Macht widerstehen würde. Er spürte, wie
seine Gefährtin hinter ihn trat. »Schon einmal haben wir es gespürt«, sagte er
leise. »Das Wachsen der Dunklen Macht. Und lange haben wir ihm
zugesehen.«
»Und schon einmal wurde sie besiegt.« Seine Gefährtin trat neben ihn, und
ihre Gestalt wirkte vollendet und anmutig. Nach all den gemeinsam
verbrachten Jahren waren sie einander zutiefst verbunden, gleichsam als seien
sie ein einziges Wesen, und sie verspürten die gleiche Sorge.
»Damals waren die Stämme der Menschenwesen kraftvoll und zahlreich.
Heute gibt es deren nur noch wenige. So viele fielen zurück in die Barbarei
und entzweiten sich. Der alte Bund ist zerfallen und existiert nicht mehr. Das
Streben nach Macht und Glück erfüllt die Menschen, und in ihrer Gier danach
kennen sie kein Maß mehr.«
Sie legte ihre Hand auf die seine, und für einen Moment gaben sie sich
stumm ihrer Verbundenheit hin. »Sie haben so wenig Zeit, ein Maß zu
finden«, sagte Eolyn schließlich leise. Eolyn, Tau, der den Morgen streichelt.
Für Elodarion konnte es keinen zutreffenderen Namen für seine Gefährtin
geben.
»Das Bündnis konnte einst die Dunkle Macht bezwingen. Nun ist diese
erneut erstarkt und stärker als je zuvor. Die Macht breitet sich aus, und eines
Mondes wird sie auch die Häuser des Elfenvolkes erreichen.«
Eolyn lächelte sanft. »Unsere Häuser mögen dann schon weit jenseits der
Meere stehen.«
»Nein.« Elodarion schüttelte langsam den Kopf. »Du weißt, dass dies ein
Trugschluss ist. Eines Tages wird die Dunkle Macht selbst über die Meere
hinweg reichen. Wir müssen ihr entgegentreten. Jetzt, solange wir noch die
Kraft dazu finden und es noch Menschenwesen gibt, mit denen wir den Bund
erneuern können.«
»Werden die Menschenwesen dies auch tun? Spüren sie denn die Drohung,
die von der Dunklen Macht ausgeht, und werden sie sich ihr widersetzen oder
aber sich ihr hingeben?« Eolyn sah ihren Gefährten zweifelnd an. »Nur
gemeinsam mit den Menschenwesen werden wir der Dunklen Macht erneut
widerstehen können. Doch die meisten Stämme der Menschenwesen sind
zerfallen, und nur wenige haben sich einen Teil ihrer einstigen Macht
bewahrt.«
»Der Rat hat beschlossen, den alten Bund mit den Menschenwesen zu
erneuern.« Elodarion wies mit einer weit ausholenden Geste über den Wald.
»Die Häuser des Waldes und der See haben ihre Männer versammelt, und die
Bogenschützen des elfischen Volkes werden in den Kampf ziehen. Das
Schicksal wird zeigen, ob wir dies erneut in der Gemeinschaft eines Bundes
tun werden.« Er blickte Eolyn ernst an und umschloss ihre Hand. »Lotaras
und Leoryn sind erwählt worden, Kontakt zu den Königen der
Menschenstämme aufzunehmen und den Bund zu erneuern.«
»Lotaras und Leoryn?« Für einen Augenblick zeigte sich Sorge im Gesicht
Eolyns. »Sie währen erst fünfhundert Jahre und haben bislang noch nie
Kontakt zu den Menschenwesen gehabt.«
Elodarion lächelte. »Ich spüre deine Sorge wohl, Eolyn. Doch sie wissen,
was auch wir wissen, sind im Gegensatz zu uns aber nicht voreingenommen,
da sie die alten Könige der Menschen nicht kannten. Sie werden den neuen
Herrschern unbelastet entgegentreten. Jene Menschenwesen, die unser Volk
noch kennen, wissen um die besondere Bedeutung der Kinder für unsere
Häuser. Wenn wir unsere Kinder folglich als Botschafter zu ihnen entsenden,
werden sie diesen Umstand als besondere Ehre werten. Und habe keine Sorge.
Auf dem Weg nach Süden und später nach Osten werden sie von den
Bogenschützen unserer Häuser begleitet.«
Eolyn blickte nachdenklich nach Osten, als könne auch sie durch die
Bäume des Waldes hindurch den Ort der Gefahr erblicken, und die Luft
schien ihr plötzlich schwer und kühl.
Zunächst sah es danach aus, als habe sich einer der zahllosen Gesteinsbrocken
von den steilen Hängen des Pfades gelöst. Aus der Ferne war jedenfalls nur
das typische ungleichmäßige Grau eines großen Steines mit seinen grünen
Stellen zu erkennen, die vom Moosbewuchs herrührten. Aber als die fünf
Reiter langsam näher kamen, wurden zusätzlich auch bräunliche Flecken
sichtbar, und die Pferde spürten noch vor den Männern, dass dies kein
gewöhnlicher Felsen war. Kormunds grauer Hengst schnaubte leise, und der
stämmige Mann beugte sich ein wenig vor, um den Hals seines Tieres
beruhigend zu tätscheln. Reiter und Pferd nahmen jetzt beide den leichten
Geruch von Kupfer wahr. Den Geruch von vergossenem Blut.
»Ganz ruhig, mein Alter«, sagte Kormund leise. »Ich weiß ja, was du
meinst.«
Der kräftige Reiter hielt den Blick aufmerksam auf den zweifelhaften
Felsen und die umgebenden Hänge gerichtet und hob dann seine rechte Hand
leicht an. Er hörte das leise Pochen der Hufe, als die anderen vier Reiter
rechts und links von ihm zur Kampfformation ausschwärmten. Wobei Parem,
der noch unerfahren war, sein Pferd zu weit vortrieb, doch ein missbilligender
Blick seines benachbarten Reiters ließ ihn errötend seine Position korrigieren.
Nichts war zu hören, außer dem steten Wind, der hier über die Hänge der
Hochmark strich, und dem gelegentlichen Knarren des ledernen Sattelzeugs.
Der Wind der Hochmark ließ auch die langen grünen Umhänge der Reiter
unruhig auswehen, als seien sie eigenständige Lebewesen. Sie alle trugen die
grünen Umhänge der Pferdelords, und vor ihren rechten Schenkeln hingen die
typischen Rundschilde ihres Volkes vom Sattelknauf. Grüne Schilde mit dem
Wappen der Hochmark des Königs, einem doppelten Pferdekopf mit einem
Schmiedehammer, und diese gekreuzten Symbole wiederholten sich auch auf
den Brustharnischen der Männer. Blaue Rosshaarschweife waren an den
Kämmen ihrer runden Helme befestigt. Die Reiter trugen Lanze und Schwert
der Wache des Pferdefürsten Garodem. Schwertmänner nannte man sie, und
sie waren stolz auf diesen Ehrentitel. Von Kormunds erhobener Lanzenspitze
wehte der lange dreieckige Wimpel der Pferdelords aus und zeigte an, dass er
der Führer eines Beritts war. Der Wimpel bildete ein weißes Pferd auf grünem
Grund ab, wobei der Kopf des Tieres stets nach vorne, dem Feind entgegen,
wies, und er war rundherum mit einer schmalen dunkelblauen Borte
eingefasst. Dem dunklen Blau der Hochmark.
Kormund ließ sein Pferd im Schritt auf den vermeintlichen Felsbrocken,
der vor der Patrouille auf dem Weg lag, zugehen, und als die Gruppe näher
kam, wurde der faulige und süßliche Geruch der Verwesung, der von dem
Klumpen ausging, zunehmend für alle riechbar. Insekten begannen sich von
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