Die Seherin überlegte kurz. „Etwa eine halbe Stunde lang. Ich weiß, das ist nicht viel, aber es muss reichen, um unser Ziel zu erreichen.“
Die junge Frau warf ihre langen blonden Haare über die Schulter und ging zu einer steinernen Treppe, die Lia bisher nicht aufgefallen war. Sie lag seitlich am See. Die Stufen waren aus altem, zerbrochenem Stein gefertigt und dennoch erkannte die Todes Tochter kunstvoll gestaltete Muster, die auf jeder Seite eingemeißelt worden waren. Die Treppe tauchte einfach aus dem Nichts auf und verlief in einem kurzen Bogen um einen kleinen Baum herum ins trübe Wasser. Lia setzte sich ans Ende ihrer kleinen Gruppe, sah erstaunt mit an, wie Keira langsam die Stufen hinabstieg. Ihre Füße tauchten mit einem leisen Plätschern ins Wasser ein, dann stand sie bis zur Hüfte in der stinkenden Brühe.
„Keine Angst“, lächelte sie. „Ihr müsst mir einfach nur folgen. Das Wasser wird meine Zeichnung langsam entfernen. Bevor sie jedoch ganz verschwunden ist und euch die Magie wieder schaden kann, werden wir unser Ziel erreicht haben.“
Sie stieg weiter hinab. Ihre blonden Haare schwammen noch einen kurzen Moment auf der Oberfläche, dann wurde auch sie in die Tiefe gezogen. Enago und Lysia folgten ihr. Auch wenn ihre neue Bemalung bewirkte, dass sie unter Wasser nicht atmen mussten, holte das Orakel einmal tief Luft, bevor auch ihr Kopf versank. Lia stellte sich auf die erste Stufe, setzte ihren Fuß vorsichtig auf die zweite. Ihre Hand glitt in die Tasche ihres Kleides und umschloss den schwarzen Stein. Sie hatte darauf bestanden, ihn tragen zu dürfen, auf ihn zu achten. Seine Oberfläche war glatt, makellos, bis auf einen kleinen Teil. Auf einer Seite war ein Name in den Stein geätzt worden, der Name der Göttin – Surah. Die Todes Tochter fuhr mit ihrem Finger über die Kerben, dann hob sie den Kopf und blickte zurück, während sie langsam vorwärtsging. Das Wasser stürzte sich auf ihre Haut, wie ein ausgehungertes Tier auf Beute. Es war eiskalt. Lias rote Augen musterten ein letztes Mal den wundersamen Ort, den sie eben erst betreten hatte. Sie merkte sofort, dass sich in den letzten paar Minuten etwas verändert hatte. Der unheimliche Nebel hatte es geschafft, sich durch die Äste der riesigen Bäume zu schlängeln und kam nun wie eine breite, undurchlässige Armee unsichtbarer Krieger auf sie zu. Lia kniff die Augen zusammen, glaubte wieder einen Schatten im Nebel erkennen zu können. Doch bevor der Schatten Gestalt annehmen konnte, stieg sie die letzte Stufe hinab und tauchte ein, in die Tiefe.
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