Moes Taverne war Franks Stammlokal. Hier gab es ausgezeichnetes, preiswertes italienisches Essen, eine ungezwungene Atmosphäre, freundliche und hübsche Bedienungen, eine bunt gemischte, aber vernünftige Kundschaft und mit Moe einen Besitzer, der der beste Freund seines viel zu früh verstorbenen Vaters gewesen war und mit dem ihn eine lange und enge Freundschaft verband.
Moes Taverne war nur wenige Blocks von der Werkstatt entfernt. Warum der Besitzer darauf bestand, den Wagen geliefert zu bekommen, war Frank ein Rätsel, aber natürlich tat er Tom diesen Gefallen gern.
Der Besitzer des Wagens stellte sich dann sehr schnell als ein Enkel von di Maria heraus und bei der Übergabe traf er wie zufällig auf José. Schnell wurde ihm klar, dass es hier nicht wirklich um das Auto ging, sondern um ihn selbst. Di Maria verwickelte ihn in ein Gespräch und kam dann sehr schnell zur Sache.
Er suchte einen Fahrer mit besonderen Fähigkeiten für besondere Aufgaben. Frank lehnte sofort ab und war sogar ein wenig erzürnt, wie Tom es nur fertigbringen konnte, ihn bei di Maria und dessen undurchsichtigen Maschenschaften zu empfehlen. Doch dann wurde ihm bewusst, dass diese besonderen Aufgaben, von denen der Alte sprach, nichts mit der Art von Geschäften zu tun hatten, die Frank angenommen hatte, sondern absolut nicht alltäglich und wirklich etwas Besonderes waren.
Palmers Neugier war geweckt und als di Maria ihm dann auch noch seine Bezahlung offerierte, war ihm klar, dass er nicht ablehnen konnte, selbst wenn es sich hier um einen ganz und gar nicht legalen Job handelte.
Das einzige, von dem er wirklich etwas verstand, waren Autos. Er konnte sie reparieren – und er war ein ausgezeichneter Fahrer. Hinter dem Steuer eines schnellen Autos fühlte er sich wohl und – lebendig . Da sein Leben aber so verlaufen war, wie es verlaufen war, hatte er als Vorbestrafter stets die Arschkarte gezogen und selbst Tom konnte ihn nicht mehr finanzieren. Also waren Geldsorgen verhasste, aber beständige Begleiter. Das konnte Frank jedoch nur für sich selbst akzeptieren, nicht aber für seine Schwester Kate und seine Nichte Theresa, für dessen Wohlergehen er sich mehr als alles andere verantwortlich fühlte.
Sie waren seine einzigen noch lebenden Verwandten und er liebte sie sehr.
Zusammen mit den beiden lebte er in einer kleinen vier Zimmer-Wohnung in Westpark. Kate hatte Probleme damit, einen dauerhaften und zumindest einigermaßen vernünftig bezahlten Vollzeitjob zu finden, also hielt es Frank für seine absolute Pflicht, für die beiden zu sorgen, sie zumindest aber zu unterstützen.
Wie aber sollte ihm das gelingen, wenn er in einer Zeit, wo er das Leben noch gar nicht richtig begriffen hatte, Scheiße gebaut hatte und dafür in den Knast hatte gehen müssen, und sich somit die Chance auf einen guten Job und ein geregeltes Auskommen verbaut hatte?
Er war ein Idiot und musste jetzt dafür büßen! Und mit ihm die, die ihm am Herzen lagen.
So zumindest schien es vorgezeichnet.
Und er war sich dabei stets vollkommen bewusst, dass im Moment alles noch eher wie ein Zuckerschlecken war, gegenüber dem, was unweigerlich und schon bald auf sie zukommen würde.
Also willigte Frank ein und hatte es seither noch nicht einmal bereut.
Di Maria und die anderen hatten sich hier wirklich eine außergewöhnliche und beinahe schon professionell durchdachte Möglichkeit geschaffen, ihren Leidenschaften zu frönen.
Geld spielte ohnehin kaum eine Rolle.
Und so fand Palmer sogar schnell Spaß an der Sache – natürlich auch, weil er von Beginn an zu den besten Fahrern zählte und zusammen mit Timothy einige Rennen gewinnen konnte, was ihren Verdienst beträchtlich erhöhte.
Anfangs gab es mindestens einmal im Monat, wenn nicht sogar vierzehntägig ein Rennen. Doch nach wenigen Monaten wurde das merklich weniger. Jetzt gab es nur noch alle drei Monate, mit etwas Glück vielleicht alle acht Wochen ein Rennen.
Das schmälerte Franks Spaß sichtlich, denn es schmälerte auch seinen Verdienst.
Da er aber ansonsten kaum Jobs bekam – gelegentliche Aushilfen bei Tom oder auch bei Moe in der Küche, sowie einige harte, schlechtbezahlte und kurzfristige Arbeiten waren die Regel – war er auf die Rennen angewiesen.
Doch hatte er zu Beginn nicht nur genügend für den Lebensunterhalt für sich und seine beiden Frauen gehabt, sondern konnte sogar noch etwas zurücklegen, hatte sich das Blatt seit einiger Zeit wieder gewendet und er zehrte von seinen Reserven.
Palmer schob daher Frust.
Bis ihm di Maria vor drei Monaten mehr beiläufig mitgeteilt hatte, dass die Teilnehmer ein Rennen gegen eine ähnliche Gruppe aus New York planten. Wie und wann und wo stand noch nicht fest, doch sollte es um weitaus höhere Summen gehen, als bisher.
Und das war alles, was Frank wissen musste. Denn wenn das Preisgeld, wie di Maria angedeutet hatte, bei einer Million Dollar lag, dann wäre auch sein Verdienst deutlich höher und bei einem Sieg - und nichts anderes würde dann zählen – könnte er auch sein vordringlichstes Problem endlich und auf einen Schlag lösen.
Palmer hoffte also auf diese Chance, aber in der Folgezeit tat sich rein gar nichts in dieser Sache. Als Frank daran dachte, spürte er, wie er sich innerlich verkrampfte, doch noch bevor sich erneut echter Frust in ihm breitmachen konnte, wurde die Beifahrertür des Porsche geöffnet und ein riesiger, breitschultriger Mann mit hellblondem Stoppelhaarschnitt, einem sauber gestutztem Drei-Tage-Bart und dunkelbraun-funkelnden Augen in einem feinen schwarzen Anzug, mit weißem Hemd und dunkelroter Krawatte nahm neben ihm Platz.
Frank erkannte ihn sofort. Es war Arturo, einer von di Marias unzähligen Großneffen. Obwohl er mit seinem wuchtig-markanten Kinn und seinem ernstem Blick eher abweisend und mit einer Körpergröße von 2,02 Metern bei einem Lebendgewicht von 168 Kilogramm absolut bedrohlich wirkte, konnte Palmer ihn recht gut leiden.
„Hallo Frank!“ begrüßte ihn der andere mit tiefer Stimme, ohne ihn jedoch anzusehen, weil er zunächst noch damit beschäftigt war, das Paket, dass er sich von McNallys Leuten im Namen des Siegers hatte aushändigen lassen, in den Fußraum zu bugsieren.
Palmer antwortete nicht sofort, sondern betrachtete erst die Aktion seines Nebenmanns, wobei ihm der Begriff Hände wie Bratpfannen durch den Kopf schoss, was ihm ein sanftes Lächeln auf die Lippen zauberte. Dann aber war das Paket mit einem tiefen Stöhnen verstaut. „Arturo!“ Frank nickte ihm zu.
„Ich verstehe verdammt wirklich nicht…!“ erwiderte sein Gegenüber. „…wie man Spaß an diesen winzigen Blechbüchsen haben kann?“ Er räkelte sich nochmals extra auf dem Sitz, den er ohnehin schon komplett ausfüllte. „Da lobe ich mir meinen Escalade!“
Frank musste grinsen. „Das ist ein Auto für Dinosaurier, wie du einer bist!“ Er streichelte sanft das Lenkrad des Porsche. „Das hier ist die zarte Knospe einer vollbusigen Lady im ekstatischen Rausch der Elemente! Hierfür braucht man keinen Führerschein, sondern Begabung!“
Arturo lauschte seinen Worten mit ausdrucksloser Miene, dann lachte er heiser auf. „Ich hoffe für dich, dass, was immer du geraucht hast, es erst nach dem Sieg getan hast! Wenn dein Drogentest positiv ist, wird dich der Alte umbringen – und dann erschießen!“
Frank grinste breit. „Keine Sorge! Ich brauche keine Drogen!“
„Dann fehlt dir definitiv eine Frau, in der du dir deine schmutzigen Fantasien abstoßen kannst!“
Palmer verdrehte leicht gereizt seine Augen. Die Tatsache, dass er keine Lebensgefährtin hatte, wurde in di Marias Kreisen weitgehend mitleidig belächelt.
„Aber was die dicken Titten angeht!“ fügte Arturo mit einem süffisanten Grinsen hinzu. „Deine Schöne hier verblase ich mit meinem Monster auch. Und wenn nicht, fahre ich einfach über euch hinweg und werde in meinem Sitz davon nicht mal durchgeschüttelt!“
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