Oberkörper vollständig bedeckte. Der Brustpanzer lief nach vorn keilförmig
zu und zeigte das eingeprägte Wappen des Königreichs. Die seltsam spitze
Form erschwerte es entgegenkommenden Geschossen, die Panzer zu
durchdringen. Die Helme bedeckten den Kopf bis zum Nacken, ließen jedoch
die Ohren frei. Nach oben hin liefen sie zu Spitzen aus, in denen Federn
steckten. Deren Anzahl und Farbe gaben Auskunft über Rang und
Waffengattung ihrer Träger.
So kennzeichnete eine einzelne Feder den einfachen Gardisten, zwei
Federn waren dem Rang eines Hauptmanns vorbehalten, ein
Legionskommandeur führte drei, und ein Oberbefehlshaber schmückte seinen
Helm mit vier Federn. Waren sie blau, so handelte es sich um Schwertmänner
und Spießträger, die rote Farbe war den Bogenschützen vorbehalten, während
Gelb die Reiterei des Königreichs repräsentierte.
Von der Turmbesatzung trugen nur vier Männer die volle Rüstung, die
anderen hatten die Panzerung gar nicht erst angelegt, und so konnte man ihre
grauen Beinkleider und Wämse sehen. Der Hauptmann trug zu seinem Wams
als Zeichen seiner Würde lediglich den Helm mit den beiden schwingenden
Federn.
»Ich bin erfreut, Euch wiederzusehen, guter Herr Lomorwin«, sagte der
Hauptmann wohlgelaunt und reichte dem Händler die Hand. In Alnoa war
dies eine Geste der freundlichen Begrüßung, denn es wurde die Schwerthand
gereicht, um zu zeigen, dass man keine Waffe hielt und friedliche Absichten
hegte. »Ihr seid auf dem Heimweg in die Nordmark?«
»Sogar noch weiter hinauf«, erwiderte Lomorwin und reichte einem
Soldaten die Zügel seines Pferdes. »Mein Ziel ist die Hochmark des
Pferdefürsten Garodem.«
»Garodem? Ja, von dem habe ich gehört. Er soll sich vor Jahren recht
wacker geschlagen haben.« Der Hauptmann musterte Lomorwins Lasttiere.
»Ihr wollt bei uns nur eine kurze Rast einlegen?«
»Und Ihr wollt sicherlich einen kurzen Blick auf mein bescheidenes
Angebot werfen, nicht wahr, guter Herr Hauptmann?« Lomorwin lachte
freundlich. »Dafür reicht die Zeit immer.«
Lomorwin handelte ausschließlich mit Waren, die in den Ländern seiner
Kunden nicht hergestellt oder zumindest sehr selten waren. Die Bewohner des
Königreichs Alnoa interessierten sich besonders für die Lederarbeiten der
Pferdelords, obwohl sie sich selbst auf die feinsten Arbeiten verstanden. Doch
war Hornvieh im Land der weißen Bäume selten, und so waren die Waren aus
den Marken des Pferdevolkes wegen der günstigen Preise begehrt. Im Land
der Pferdelords fanden hingegen die feinen Stoffe und Schmuckstücke aus
Alneris reißenden Absatz. Die Stoffe waren weich und fließend und nicht so
grob gewebt wie das Wolltuch der Pferdelords. Vor allem die Frauen wussten
dieses feine Tuch zu schätzen.
Nach kurzer Rast und schnellem Handel zog Lomorwins kleine Karawane
weiter, denn der Händler wollte bis zum Abend noch die alte Handelsstraße
erreichen, die ihn entlang der Südmark in die Königsmark führen würde.
Dann sollte es weiter in nordwestlicher Richtung gehen, am Westgebirge
entlang, an dem die alte Bergfestung des Pferdevolkes lag, und schließlich
hinauf zum Fluss Eisen und seinen Furten. Es war ein weiter Weg, der viele
Tage in Anspruch nehmen würde.
Als Lomorwin und seine Gruppe endlich die Furten des Eisen erreichten,
hatte sich das Warenangebot bereits deutlich reduziert. Zwei der Pferde waren
inzwischen ganz ohne Last, und der Treiber Helipator aus Alneris nahm das
Angebot gerne an, auf einem der Tiere zu reiten.
»Der hat sich das Abenteuer wohl anders vorgestellt«, grunzte Ildorenim
missbilligend. »Vor allem für seine Füße. Ah, diese verweichten
Stadtbewohner.«
»Sieh es ihm nach, guter Freund«, erwiderte Lomorwin lachend. »Erst
nach der Reise werden wir wissen, wie weit ihn seine Füße tragen können.
Zudem genieße auch ich den Ritt.«
»Ihr seid auch der Herr, und es steht Euch wohl an«, brummte Ildorenim.
»Das fehlte noch, dass der Herr zu Fuß geht und der Treiber reitet.«
Zwei Tage zuvor hatten sie die Hauptstadt des Königs der Pferdelords
verlassen und vor einem Tag die Grenze zur Reitermark überschritten. Die
Reitermark bestand überwiegend aus einer großen Ebene, die üppig mit Gras
bewachsen war und auf der die besten Pferde gediehen. Sanfte Hügel erhoben
sich über die Ebene, die nur von wenigen Wäldern bestanden war. Der Fluss
Eisen bildete die Grenze zwischen der Reitermark und der Westmark, hinter
welcher das Dünenland der Barbaren begann.
Die Handelsstraße wurde hier seltener benutzt und war daher nicht so gut
gepflegt. Einige der Platten hatten sich im Laufe der Jahre gesenkt, andere
waren unter der Einwirkung der Witterung gesprungen, doch noch immer lief
der Warenverkehr über diese Straße.
Um Handel mit der Westmark oder der Hochmark zu treiben, musste man
auf die andere Seite des Flusses Eisen wechseln. Er entsprang im Gebirge, ein
gutes Stück südlich der Hochmark, und da er von vielen Gebirgsbächen
gespeist wurde, gewann er rasch an Kraft. Besonders an den Engstellen wurde
er reißend und bot auch sonst nur wenige Stellen, an denen ein Reiter es
riskieren würde, ihn zu durchqueren. Doch beladene Fahrzeuge konnten ihn
nur an den großen Furten gefahrlos passieren, wo der Fluss sich stark
verbreiterte und über kiesbedeckte Bänke verlief. Auf der anderen Seite des
Flusses führte ein Abzweig der alten Handelsstraße zunächst nach Norden
und zog dann westlich an der Hochmark vorbei zu den oberen Dünenländern.
Auf seinem anfänglichen Verlauf führte dieser Abzweig zwischen dem Fluss
und einem ausgedehnten Waldgebiet entlang, an dessen nördlichem Ende sich
die südlichen Ausläufer des Hochmarkgebirges anschlossen.
Schon viele Reisende und Handelswagen hatten die Furten genutzt, sodass
man hier ein großes Gehöft mit einer Schenke errichtet hatte, die Reisenden
Unterkunft und Erfrischung bot. Vor Jahren war das Gehöft bei der Schlacht
um die Furten von den Orks niedergebrannt worden. Damals hatte hier auch
ein Pferdefürst zusammen mit vielen seiner Männer sein Leben lassen
müssen.
Doch nun war das Gehöft wieder aufgebaut worden und bot fast hundert
Menschen ein Heim. Neben dem großen Bau der Schenke standen mehrere
kleine Holzgebäude, die zusammen ein unregelmäßiges Viereck formten. Für
die Tiere der Reisenden gab es eine Pferdekoppel, und wer wollte, konnte hier
auch Pferde tauschen oder erwerben.
Ein Stück abseits weideten ein paar Hornviecher, und eine Schar von
Kratzläufern rannte gackernd auseinander, als Lomorwins Gruppe das Gehöft
erreichte. Es war ein friedvolles Bild. Nur auf einem kleinen Hügel jenseits
der Ansiedlung erhoben sich zwei verwitterte Lanzen, auf denen die
ausgeblichenen Schädel von Orks steckten. Sie sollten an die Schlacht
erinnern, die hier einst getobt hatte.
Ildorenim wies auf den Platz vor der Schenke. »Es ist noch ein anderer
Händler hier, guter Herr Lomorwin. Seht Ihr den Wagen? Eine eigenartige
Konstruktion.«
Der Wagen war wirklich ungewöhnlich. Lomorwin saß ab, schritt zu dem
Fahrzeug hinüber und betrachtete interessiert die Räder des Wagens. Bislang
hatte er nur die massiven Scheibenräder gesehen, doch diese Räder waren
anders. Sie bestanden aus einem dünnen, zerbrechlich wirkenden Reifen aus
Holz, der von einem stabilen Eisenband umgeben war und durch
strahlenförmig vom Mittelpunkt ausgehende Streben gestützt wurde. Das
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