1 ...7 8 9 11 12 13 ...30 Oberbekleidung notdürftig umgelegt. »Was ist mit Hosmund?«
Der tote Pferdelord. Sie mussten ihn bestatten, wie es der Brauch
verlangte.
Sie versorgten den Unbekannten, so gut sie es vermochten, dann schritt
Dorkemunt zu dem schwer verwundeten Pferd und erlöste es mit einem Hieb
seiner Axt. Es war Hosmunds Reittier gewesen, und so würde es ihn auf dem
letzten Ritt zu den Goldenen Wolken begleiten. Dorkemunt trennte die Zügel
des toten Tieres ab und ging zu der Stelle, wo die anderen bereits ein flaches
Grab aushoben. Als es tief genug war, legten sie Hosmund hinein, wobei sie
darauf achteten, dass sein Kopf richtig gebettet war. Dann gaben sie dem
Toten seine Klinge in die eine Hand und die Zügel seines erschlagenen
Pferdes in die andere, und Kormund sprach den Eid der Pferdelords. »In des
Lebens Wonne und des Todes Not, soll Eile sein stets das Gebot, in Treue fest
dem Pferdevolk, der Hufschlag meines Rosses grollt, soll Lanze bersten,
Schild zersplittern, so wird mein Mut doch nie erzittern, ich stehe fest in jeder
Not, mit schnellem Ritt und scharfem Tod.«
Der Scharführer seufzte leise. »Hosmund war ein guter Schwertmann und
Pferdelord. Er hat dem grünen Umhang wirklich alle Ehre bereitet. So lasst
ihn uns nun zu den Goldenen Wolken geleiten.«
Sie bedeckten das Grab mit Steinen, dann nahmen sie die grünen
Rundschilde auf und schlugen rhythmisch mit den Klingen ihrer Schwerter
dagegen. Der Rhythmus glich dem Hufschlag eines Pferdes, und das
Trommeln wurde immer schneller, bis es mit einem letzten Schlag
verstummte.
»Möge er zwischen den Goldenen Wolken noch lange reiten«, sagte
Mortwin leise.
Haronem schnüffelte an seinem Umhang und rümpfte die Nase. »Wir
sollten zusehen, dass wir zu dem kleinen Bach kommen. Wir müssen unsere
Kleidung und Rüstung säubern. Es riecht recht übel.«
Dorkemunt nickte. »Das Blut der Bestien stinkt wie ihre Kadaver. Wir
haben reichlich davon vergossen und einiges davon abbekommen.«
»Steckt eure Schwerter nicht in die Scheiden, bis ihr die Klingen gereinigt
habt«, riet Kormund.
Mortwin lachte spöttisch auf. »Wir haben nicht zum ersten Mal das Blut
der Bestien an den Klingen, guter Herr Scharführer. Und wir wissen, dass
man es kaum aus den Scheiden herausbekommt.«
»Schon gut.« Kormund wischte sein Schwert an einem Stück seines
Umhangs ab. Er würde ihn am Bachlauf auswaschen. »Ich habe mich nur um
deine empfindliche Nase gesorgt, guter Mortwin.«
Dorkemunt war der Leichteste von ihnen, und so fiel ihm die Aufgabe zu,
den seltsamen kleinen Mann vor sich in den Sattel zu nehmen. Sie brauchten
zwei Männer, um den Körper des Verletzten hochzustemmen. »Was ihm an
Größe fehlt«, knurrte Dorkemunt, »macht der kleine Herr durch sein Gewicht
wieder wett.«
Kormund ließ die Männer aufsteigen und setzte sich mit dem Berittwimpel
an ihre Spitze. »Die Hochmark muss erfahren, dass erneut Orks an der Grenze
aufgetaucht sind«, sagte er entschlossen. »Und wir müssen herausfinden, was
es mit diesem kleinen Mann auf sich hat. So lasst uns nun eilen, wie es das
Gebot der Pferdelords ist.«
Und so ritten sie an und trugen Balruk, den König der grünen Kristallstadt
Nal’t’rund, in das Land der Pferdelords.
Man nannte das Königreich Alnoa nicht umsonst das Reich der weißen
Bäume. Nur hier wuchsen diese einzigartigen Bäume, deren Anblick
Lomorwin so faszinierte. Er war schon oft in dieses Land gereist und hatte sie
immer wieder betrachtet. Ihr Stamm war fast makellos weiß, von einigen
schwarzen Stellen abgesehen, und an ihren weit ausladenden Zweigen
sprossen tiefgrüne, spitz auslaufende Blätter, die sich im Herbst erst rot, dann
golden färbten, bevor sie schließlich abfielen. Doch selbst im Winter, wenn
kein Blatt die Bäume zierte, wirkten sie nicht so bedrückend kahl wie die
Stämme vieler anderer Laubhölzer. Zumindest nicht auf Lomorwin, der diese
Pflanzen liebte, besonders, wenn sich im Frühling neue Blätter an ihren
Zweigen zeigten und zartes Grün sich wieder über den weißen Stämmen zu
erheben begann.
Das Königreich von Alnoa war das älteste noch existierende Königreich
der Menschen. Ursprünglich hatte es sieben davon gegeben, doch im Laufe so
vieler Jahrtausende war ihre Macht allmählich erloschen. Einst waren sie ein
wehrhafter Bund gewesen und hatten der Dunklen Macht an der Seite der
Elfen getrotzt und sie niedergezwungen. Scheinbar niedergezwungen, denn
während die siegreichen Menschenstaaten sich dem Frieden hingaben und
ihre Wachsamkeit zu vernachlässigen begannen, rüstete die dunkle Seite
wieder auf und fand zu neuer Stärke. Als die Königreiche der Menschen von
Machtgier und Hochmut geschwächt und ihre Könige zerstritten waren,
erlagen sie schließlich dem Ansturm des Schwarzen Lords und seiner Orks.
Alnoa hatte standgehalten, auch dank der Hilfe der Elfenhäuser, doch es
hatte alle nur erdenkliche Kraft gekostet. Das letzte der sieben alten
Königreiche hatte schwer unter dem Ansturm der Horden gelitten und
schließlich den südlichen Teil seiner Besitzungen verloren. Doch noch immer
besaß Alnoa Macht, und es beherrschte ein großes Gebiet im Süden der
Marken der Pferdelords, das sich im Osten bis zu den Grenzen des dunklen
Landes und im Westen bis hin zum Meer erstreckte. Noch immer hielten die
Truppen Alnoas an den Grenzfesten die Standarte des Königreichs aufrecht.
Das Banner zeigte drei weiße Bäume auf grauem Grund, wobei die graue
Farbe für den gewaltigen Vulkankrater stand, auf dem die Hauptstadt Alnoas
errichtet war, und die drei weißen Bäume jene einzigartige Baumart im
Königreich Alnoa symbolisierten.
Einst standen die Ebenen voll dieser weißen Bäume, doch nun, nach so
vielen Jahrtausenden des alten Königreiches, war ihr Vorkommen auf wenige
Wälder geschrumpft. Allerdings waren auch diese wenigen Wälder noch
immer imposant. Die weißen Bäume standen mittlerweile unter dem Schutz
des Königs, aber es gab genug andere Wälder mit den überall vorkommenden
Nadelhölzern und Laubbäumen.
Alnoa bot den Menschen vielfältige Landschaften mit weiten Ebenen, die
vor allem entlang des gewaltigen Flusses Narquan reiche Ernten
hervorbrachten und die Bevölkerung mit den wichtigsten Nahrungsmitteln
versorgten. Hornvieh, Pferde und Wolltiere gediehen hier, und die Bergwerke an
den Ausläufern der Gebirge brachten reiche Erträge an Erzen. Der Reichtum
an Nahrungsmitteln und Rohstoffen befähigte die Menschen Alnoas, die
Legionen der Orks und die Übergriffe der Barbaren abzuwehren, aber er
brachte verlorenes Leben nicht zurück. Zu viele Menschen waren in all den
Jahren dem fortwährenden Krieg zum Opfer gefallen. Und auch wenn Alnoa
über viele Jahrhunderte wieder erstarkt war, so konnte es doch seine alte
Macht nie ganz zurückerlangen.
Dann, vor nunmehr vier Jahren, waren die Legionen der Orks
überraschend zurückgekehrt und bis an die Mauern der Hauptstadt Alneris
gebrandet.
Das erneuerte Bündnis der Elfen mit den Menschen hatte die Stadt gerettet,
und Alnoa gedachte nun jedes Jahr der aufopfernden Attacke der Pferdelords,
deren furchtloser Angriff den Sieg ermöglicht, aber auch den König der
Pferdelords das Leben gekostet hatte. Mit den Jahren war so ein festes
Bündnis zwischen den Marken der Pferdelords und dem Königreich Alnoa
entstanden, das von gegenseitigem Respekt getragen wurde. Doch obwohl
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