den Feind zu schießen. Etliche von ihnen konnten inzwischen auch gut mit
den neuen Querbogen umgehen, die kleine metallene Bolzen verschossen,
welche jede Rüstung durchschlugen. Die Spitzohren waren es auch, die die
komplizierteren Belagerungsgeräte wie Bolzenwerfer, Katapulte und
Belagerungstürme bedienten. Für Sturmleitern waren die kleinen Burschen
nicht geeignet. Man brauchte nun einmal Mut, die Leitern an eine verteidigte
Mauer zu stellen und hinaufzuklettern, und das lag wiederum eher den
Rundohren.
Der Brutmeister stieß ein leises Fauchen aus, als er wieder an die Augen
denken musste. Sie waren ein wirkliches Ärgernis. In der Dunkelheit, wenn
die Orks den Menschen an Sehkraft überlegen waren, zogen sich diese in den
Schutz ihrer Festungen und Häuser zurück. Und wenn die Orks dann
angriffen, entzündeten die Menschenwesen Feuer oder schleuderten
brennende Bündel über die Mauern hinab, welche die Orks blendeten. Er
konnte den Wunsch des Schwarzen Lords durchaus verstehen, aber noch
niemand hatte einen Weg gefunden, die Augen der Orks weniger
lichtempfindlich werden zu lassen.
Er stieg in die obere Höhle hinauf und sah die Ruinen der alten
Zwergenstadt vor sich liegen.
Es war schon lange her, dass die Legionen sie eingenommen hatten, und
längst waren alle Zwergenwesen als Nährstoff verfüttert worden. Der
Brutmeister räumte ein, dass man möglicherweise ein wenig zu vorschnell
gehandelt hatte, denn inzwischen hatte man entdeckt, dass die Tätigkeit der
Zwerge für die Orks hilfreich sein konnte. Aber vielleicht war es noch nicht
zu spät. Nun hatte man eine andere Zwergenstadt eingenommen, und deren
Bewohner hatte man verschont. Zumindest die meisten von ihnen, denn in der
Legion hatte es einige knurrende Mägen gegeben. Der Brutmeister spürte, wie
ihm der Speichel aus den Fängen sickerte, als er an das saftige Fleisch eines
Zwergenwesens dachte. Doch man würde sich noch ein wenig gedulden
müssen, bis es zum Festmahl kam. Erst mussten die Zwerge ein wenig
arbeiten.
Der Brutmeister stieß ein triumphierendes Brüllen aus, und einige der
Umstehenden sahen ihn furchtsam an. Er bleckte die Zähne. »An die Arbeit,
ihr Maden. Habt ihr nichts zu tun?«
Ah, die Zwerge würden es sein, die endlich den Untergang des
Menschengeschlechts ermöglichten. Er selbst würde dafür sorgen, dass die
Legionen weiter wuchsen.
Am Ostrand der Stadt Eternas lagen die Töpfereien. Sie standen nahe des
Flusses, dessen lehmiges Ufer reichen Rohstoff für Töpfe, Teller und Becher,
für Vasen und Schalen bot. Inmitten der Töpfereien stand ein kleines Haus,
das sich deutlich von den anderen unterschied, denn davor waren nicht die
üblichen Regale mit feilgebotenen Tonwaren aufgebaut, sondern Gestelle, die
mit ungewöhnlich kleinen Fellen bespannt waren. Sie stammten von jenen
Nagetieren, welche die Bewohner plagten, indem sie sich an ihren Vorräten
gütlich taten.
An einem der Gestelle stand ein grobschlächtig wirkender, stämmiger
Mann mit dichtem schwarzem Haar und einem buschig wirkenden Vollbart,
an dem abzulesen war, dass der Mann vor Kurzem ein Ei gegessen hatte. Der
Mann fädelte sorgfältig einen dünnen Lederriemen durch das Fell eines
Nagers und verspannte den Faden am Rahmen.
»Man muss sehr darauf achten, dass man die kleinen Kerle nicht
zerquetscht«, sagte der stämmige Mann zu einem anderen, der ihm bei der
Arbeit zusah. »Wenn die Körper aufplatzen, leidet das Fell darunter, Toslot.«
Toslot war einer der Bauern Eternas’ und von eher schmächtiger Statur. Er
wurde von ebenjenen Nagetieren geplagt, die der stämmige Mann namens
Barus mit erstaunlicher Kunstfertigkeit erlegte. Barus war stolz auf seine
Fähigkeiten, denn er jagte die Nager nicht nur mit Fallen, sondern vor allem
mit der mächtigen Holzkeule, die zu seinem Markenzeichen geworden war.
Er verstand diese Keule zielsicher zu schwingen und ebenso effektiv zu
werfen.
Barus strich über einige der getrockneten Felle. »Die kleinen Kerle mögen
ja ein Ärgernis sein, Toslot, aber sie haben ein wunderschönes weiches Fell.
Daraus lassen sich erstklassige Pelze fertigen.«
Toslot rieb sich die Nase und beäugte die Rahmen vor Barus’ Haus. »Da
braucht man aber viele Felle für einen ordentlichen Pelz.«
Barus lachte auf. »Es gibt ja auch viele Nager, mein Freund.«
Dann musterte er den Bauern nachdenklich. »Ich stehe dir natürlich gerne
zu Diensten, Toslot. Du sagst, auf deinem Feld und in deinem Speicher
tummeln sich viele von ihnen?«
»Schrecklich viele«, seufzte der Bauer. »Sie fressen mir noch alle Körner
vom Acker.«
»Ja nun.« Barus blickte zu seiner Keule, die an der Wand seines Hauses
lehnte. »Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Es wird nicht billig,
Toslot, mein Freund.«
Toslot legte die Ohren an und erinnerte Barus in diesem Moment an ein
verschrecktes Spitzohr der Orks. Natürlich kannte Barus die Orks. Er hatte
gegen sie gekämpft, als sie die Hochmark überfielen. Der schmächtige Bauer
seufzte leise. »Vielleicht sind es doch nicht ganz so viele. Außerdem ist deine
Keule ziemlich groß. Es mag ja sein, dass du gleich mehrere auf einen Schlag
triffst.«
»Unsinn«, knurrte Barus. »Nicht, dass ich diese Kunst nicht beherrschen
würde. Wenn sie einer beherrscht, dann ich. Aber wenn ich mehrere auf einen
Schlag erwischen will, muss ich sehr kraftvoll zuschlagen. Das ruiniert mir
die Felle, Toslot, mein Freund. Ich kann sie dann nicht mehr zu Pelz
verarbeiten lassen.« Er strich sich über den Vollbart, und etwas Eigelb tropfte
auf den Boden. »Den Verlust müsstest du mir dann natürlich ersetzen.«
»Ich, äh, könnte Hardim fragen«, wandte Toslot zögernd ein, um den Preis
etwas zu drücken.
»Hardim?« Barus sah den Bauern ungläubig an und brach dann in
schallendes Gelächter aus. Seit die Bevölkerung Eternas’ gewachsen war,
hatte Barus Konkurrenz bekommen. Er schlug dem schmächtigen Mann
belustigt auf die Schulter, und Toslot taumelte gegen die Wand des Hauses.
»Hardim, diese alte, kraftlose Gestalt? Der kann doch kaum noch sehen. Und
wenn er irgendwo hinsieht, dann schielt er dabei.« Barus lachte erneut und
schlug sich amüsiert auf den Schenkel. »Du kannst ihn vielleicht als
Vogelscheuche auf die Felder schicken, dafür mag er taugen. Weißt du
übrigens, warum er an dem einen Fuß nur noch vier Zehen hat? Weil der halb
blinde Hardim in seine eigene Nagerfalle getappt ist.« Er lachte erneut. »Aber
gut, hol nur Hardim, deine Nager werden sich jedenfalls darüber freuen.«
»Schon gut.« Toslot stieß ein leises Keuchen aus. »Es würde mir reichen,
wenn du mir den Kornspeicher frei hältst.«
Barus wurde plötzlich ernst und sah den Bauern forschend an. »Zwei
Becher Korn für jeden Nager.«
»Was?« Toslot riss entsetzt die Augen auf. »So viel frisst kein Nager. Du
nimmst mir mehr als diese kleinen Ungeheuer.«
»Unsinn.« Barus wies auf seine Felle. »Ich nehme das Korn nur einmal.
Ein Nager bedient sich öfter bei dir.«
Toslot seufzte. Diesem Argument hatte er nichts entgegenzusetzen. »Also
gut. Einen Becher.«
»Anderthalb.«
»Abgemacht.«
Barus und Toslot stießen die Knöchel ihrer Fäuste aneinander, um ihr
Geschäft zu besiegeln, und der Bauer konnte nur mühsam einem zweiten
freundschaftlichen Stoß des Nagerjägers ausweichen. Barus nahm seine Keule
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