»Feine Geschmeide …«
»Das sagtet Ihr schon«, unterbrach Esyne schnippisch.
»Ihr mögt ihr verzeihen«, beschwichtigte Malvin. »Esyne ist unsere beste
Schuhmacherin.«
»Ah, Schuhe.« Der Mann musterte Esyne. »Ich bedauere, aber Schuhe
habe ich nicht in meinem Angebot, gute Frau Schuhmacherin.«
»Keine Schuhe?« Die Miene der blonden Frau hellte sich schlagartig auf.
»Auch keine Stiefel?«
»Nein«, bestätigte der Händler. Er sah Esyne forschend an. »Aber ich
könnte wohl damit handeln, wenn Ihr mir feine Ware bietet.«
Esyne lachte leise auf und stupste den Händler erleichtert an den Arm.
»Darüber können wir ja noch reden, guter Herr Lomorwin.«
Malvin zupfte nun eindringlich am Ärmel des Händlers, und Lomorwin
trat in die Schenke ein. Die Anwesenden sahen den Fremden neugierig an,
woraufhin Malvin ihn seinen Gästen vorstellte. »Der gute Herr Lomorwin
wird viel zu erzählen haben«, fügte er hinzu. »Er ist ein weit gereister Mann,
gerade kommt er aus dem Reich des Königs der weißen Bäume.«
»Der erste Becher geht aufs Haus«, verkündete Malvin und trat hinter
seinen Tresen. Dann warf er einen abschätzigen Blick auf den Bauern Toslot,
der friedlich vor sich hin schnarchte, und ärgerte sich darüber, den Boden
noch nicht gereinigt zu haben. »Seht es mir nach, guter Herr Lomorwin, und
stört Euch nicht an dem guten Herrn Toslot. Er ist ein anständiger Bauer, aber
er verträgt nicht viel. Mögt Ihr Blutwein, guter Herr Lomorwin? Ihr werdet
nirgendwo etwas Besseres getrunken haben, darauf könnte ich wetten. Es
wachsen die fruchtigsten Trauben bei uns in der Hochmark. Ihr wart noch nie
in der Hochmark, nicht wahr?«
»Meine Wege führen mich weit herum«, bekannte der Händler, »doch in
eurer schönen Mark bin ich nun zum ersten Mal. Ich habe einen kleinen
Laden in Enderonas, der Hauptstadt der Königsmark.«
»Ah, Ihr kennt den König?«
»Ich habe die Gunst, den Hof mit feinen Stoffen zu beliefern.« Lomorwin
zupfte wie zur Bestätigung an seinem Gewand. Es war bodenlang, von
mittelblauer Farbe und an den Seiten tief geschlitzt, um dem Träger
Bewegungsfreiheit zu gewähren. Die Säume waren in unterschiedlichen
Grüntönen gehalten und sorgsam bestickt. Esyne hatte sich leicht vorgebeugt
und studierte aufmerksam die fein gearbeiteten springenden Pferde, die auf
sie den Eindruck machten, als seien sie ineinander verschlungen. Im Licht
schienen die kleinen Pferde sogar leicht zu schimmern. Lomorwin bemerkte
Esynes Interesse. »Feinste Kristalle, die mit sorgsamen Stichen auf den Stoff
genäht sind. Fühlt einmal, wie weich die Stickereien sind.«
Der Händler war sichtlich stolz auf die Qualität der Arbeit. Um die Taille
trug Lomorwin einen breiten, geflochtenen Ledergürtel, an dem einige kleine
Beutel und Taschen befestigt waren. In einer metallbeschlagenen Scheide
steckte ein kurzer Dolch, sonst schien er keine Waffen zu tragen.
»Habt Ihr keine Begleiter, guter Herr Lomorwin?«, fragte Malvin
interessiert und wies auf den Dolch. »Es drohen Euch auf Euren Wegen doch
sicher mancherlei Gefahren.«
»Ah, ich hatte bewaffnete Begleiter dabei«, seufzte Lomorwin. »Doch ein
schreckliches Unglück kostete meine Gefährten das Leben. Es geschah auf
der Handelsstraße, die vom Süden heraufführt. Wir hatten den Hammerturm
und die alte Grenzfeste hinter uns gelassen und gerade die Ausläufer des
Gebirges erreicht, als sich ein Steinschlag löste und meine Gefährten
erschlug.«
»Entsetzlich«, sagte Malvin mitfühlend. »Dann werdet Ihr für den
Rückweg sicher Begleitung brauchen.«
Lomorwin zuckte die Achseln. »Wir werden sehen, guter Herr Wirt. Gibt
es eine ordentliche Herberge in Eternas?«
»Wozu eine Herberge?« Malvin beugte sich ein wenig vor. »Sie wird Euch
nicht gefallen, guter Lomorwin«, flüsterte er verschwörerisch. »Sie ist nicht
gerade komfortabel, und außerdem wimmelt es dort von Nagern.«
Barus runzelte die Stirn und wollte einwenden, dass ihm bei seinem letzten
Besuch in der Herberge nichts dergleichen aufgefallen war, aber dann sah er
Malvins beschwörenden Blick. Der Wirt räusperte sich. »Ich kann Euch ein
bescheidenes Gemach im ›Donnerhuf‹ anbieten, guter Herr. Gelegentlich mag
es hier vielleicht ein wenig laut zugehen, doch dafür werdet Ihr an diesem Ort
viele Kunden finden.«
»Und dankbare Ohren für Eure Geschichten«, fügte Esyne mit einem
spöttischen Seitenblick auf Malvin hinzu, der nur die Achseln zuckte.
»Nun gut, sagt mir, was Ihr für den Raum verlangt, guter Herr Malvin.«
Der Händler löste einen ledernen Beutel von seinem Gürtel, und man hörte
leises Klirren. Malvin sah gespannt zu, wie der Mann den Beutel öffnete und
eine Reihe glänzender Scheiben hervorholte.
»Was ist das, guter Herr Lomorwin?« Malvins Interesse war ein wenig
abgekühlt, denn augenscheinlich handelte es sich nur um Gold.
»Die Währung des Königreichs Alnoa, guter Herr Wirt. Damit bezahlt man
dort Waren und Arbeitsleistungen.«
»Damit?« Malvin nahm eine der goldenen Scheiben und untersuchte sie
genauer. Eigentlich war es gar keine Scheibe. Das Goldstück hatte den
Durchmesser eines kräftigen Daumens und war relativ dünn. Doch seine
Form entsprach eher einer winzigen Schüssel als einer Scheibe. »Was soll
denn daran von Wert sein?«
Lomorwin lächelte. »Es ist natürlich nicht das Material, guter Herr Malvin.
Gold ist recht hübsch anzusehen und widersteht der Witterung, doch
ansonsten ist es nur von geringem Wert. Es ist das Siegel des Königs, das den
Schüsselchen ihren Wert verleiht. Seht hier, in der Mitte der Wölbung.«
Auch Esyne beugte sich interessiert vor. Im Boden des goldenen
Näpfchens konnte sie eine Prägung mit der stilisierten Darstellung eines der
weißen Bäume erkennen.
»Das ist das Siegel des Königs?«, fragte die Schuhmacherin verblüfft.
»Des Königs von Alnoa, richtig«, bestätigte der Händler. »So bürgt er mit
seinem Namen für den Wert der Goldstücke.« Er bemerkte die Skepsis der
anderen. »Damit bezahlt man alle Waren und Leistungen. Jede hat ihren
Gegenwert in Schüsselchen, und nur der König darf diese fertigen lassen.«
Malvin zuckte die Achseln. »Ich denke nicht, dass sie von Wert sind. Das
Gold kann schließlich jeder aus dem Boden kratzen, und selbst der Baum lässt
sich von einem Schmied mühelos prägen.«
»Ja, das stimmt«, räumte Lomorwin ein. »Aber ein Schmied, der dies ohne
Einwilligung des Königs täte, würde von der Gilde ausgestoßen werden, und
ihr könnt Euch sicherlich denken, was das bedeutet.«
Jeder wusste, was eine Gilde war. Sie prüfte die Fertigkeiten eines jeden
Handwerkers, bevor er seine Berufsbezeichnung führen durfte. Ein schwerer
Verstoß gegen das Recht der Gilde konnte dazu führen, dass man
ausgeschlossen wurde, was wiederum zur Folge hatte, dass der Verstoßene
keine Arbeiten mehr ausführen durfte, ganz gleich in welchem Handwerk.
Dann blieb ihm nur noch die schlecht entlohnte Arbeit auf einem der Gehöfte,
wenn er nicht verhungern wollte.
»Und Ihr sagt, guter Herr Lomorwin, mit diesen Schüsseln lassen sich
Waren und Leistungen erwerben?«
Lomorwin nickte. »Überall im Königreich von Alnoa, und inzwischen
auch in den unteren Marken der Pferdelords. Euer König Reyodem erwägt
nun, eigene Goldschüsselchen zu prägen.« Der Händler schob die Näpfchen
in seinen Beutel zurück. »Nun sagt mir also, guter Herr Wirt, was Ihr für die
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