kann mir meinen Teil denken.«
»Den Wimpel?« Larwyn sah den Ersten Schwertmann verwundert an.
»Was ist mit ihm?«
»Bestienblut«, erwiderte Tasmund knapp. Er musterte Kormund. »Wie
viele? Ist die Mark bedroht?«
Kormund zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, und auch Dorkemunt
vermag es nicht zu sagen. Aber wir sind den Orks begegnet.«
»Ihr hattet einen guten Kampf?«
»Den hatten wir.«
Tasmund nickte. »Gut. Dann berichtet uns, was ihr erlebt habt.«
Kormund begann zu schildern, was sich auf der Patrouille an der
Nordgrenze ereignet hatte, und Tasmund und Larwyn hörten schweigend zu.
Erst als Kormund geendet hatte und Dorkemunt bestätigend dazu nickte,
hoben sie an, ihre Fragen zu stellen. Tasmund trat an die elfische Karte heran
und vollzog in Gedanken den Weg der Schar nach. »Ihr habt lange gebraucht
für den Rückweg.«
Kormund räusperte sich. »Ich weiß, mein Schwertführer. Die Zeit drängte
zwar, da wir Verwundete hatten und der kleine Mann dem Weg zu den
Goldenen Wolken nahe ist. Aber es schien mir wichtiger, die Grenze zu
sichern. Wir haben einen der größeren Weiler aufgesucht und eine kleine
Schar Pferdelords verpflichtet, die Grenze nach Norden zu bewachen.« Er
machte eine entschuldigende Geste. »Ich weiß, dazu ist nur der Pferdefürst
befugt oder …«
»Schon gut«, schnitt Tasmund ihm das Wort ab. »Ihr habt richtig
gehandelt, guter Herr Kormund. Wir vergessen es, Eure Zustimmung
vorausgesetzt, Hohe Dame Larwyn.«
Larwyn nickte. »Lassen wir die höfischen Verrenkungen, Tasmund«, sagte
sie leise. »Dafür mag später wieder Zeit sein. Jetzt gilt es zu überlegen, ob wir
einer Bedrohung gegenüberstehen.«
Tasmund nickte. »Ihr habt recht, Hohe Dame Larwyn.« Der erste
Schwertmann wandte sich wieder der Karte zu. »Die Nordgrenze ist relativ
leicht zu sichern. Dort gibt es fast nur steil aufragende Felswände, und der
einzige Weg nach Norden ist der Nordpass, der sich viele Tagesritte weit
durch das Gebirge erstreckt. An den Engstellen ist er noch leichter zu halten
als der Südpass.« Er musterte Kormund. »Wie viele Männer hast du
abgestellt, Kormund?«
»Zwanzig«, erwiderte dieser. »Der Weiler kann mehr aufbieten, aber wenn
ich mehr Männer aufgestellt hätte, wäre sicherlich Unruhe entstanden.«
»Gut gemacht.« Tasmund lächelte dem Scharführer zu. »Der rechte Mann,
einen Wimpel zu führen. Zwanzig Mann können den Pass gegen eine
marodierende Barbarengruppe halten und sind genug an der Zahl, um bei
einem Ansturm der Orks die Mark zu alarmieren. Wer Eternas von Norden
her angreifen will, trifft zuerst auf die Burg, und daran wird er sich die Zähne
ausbeißen.«
Larwyn runzelte die Stirn. »Als die orkischen Legionen uns vor Jahren
berannten, fielen sie zuerst über die Stadt her, und wir mussten tatenlos
zusehen, wie alle erschlagen wurden, die sich nicht in die Burg retten
konnten.«
»Ihr habt recht, Larwyn«, räumte der Erste Schwertmann ein. »Doch
damals kam der Angriff von Süden und musste zwangsläufig durch die Stadt
hindurch gegen die Burg vorgetragen werden.«
»Verzeiht«, meldete sich Dorkemunt zu Wort. »Aber ich glaube nicht, dass
es uns gilt.«
Der kleinwüchsige Pferdelord rutschte vom Polster des Stuhls und trat zu
Tasmund an die Karte. »Seht ihr? Hier ungefähr fanden wir den Zwerg, so es
denn einer ist. Er hatte viel Blut verloren und muss also schon ein gutes Stück
unterwegs gewesen sein.« Seine Hand fuhr auf der Karte nach Norden hoch.
»Hier irgendwo soll eine der Städte des Zwergenvolkes liegen, und ich wette,
er kam von dort.«
»Die Zwerge also?« Tasmund kratzte sich im Nacken. Er konnte sich nur
verschwommen an die Zeit erinnern, in der sein Vater noch Schwertmann am
Hof des Königs gewesen war. Damals hatte sein Vater ihm zum ersten Mal
von den kleinen, stark behaarten Wesen erzählt. Das war noch vor der Zeit
gewesen, da der treue Schwertmann mit seinem kleinen Sohn Tasmund dem
Pferdefürsten Garodem in die Hochmark gefolgt war. Tasmunds Vater hatte
Garodem noch lange gedient, bis er bei einem Reitunfall zu Tode gestürzt
war. Der Tradition folgend, war Tasmund in die Fußstapfen seines Vaters
getreten, nachdem Garodem ihm des Vaters Schwert gereicht hatte. »Ja, mein
Vater berichtete einst von diesen kleinen Wesen. Du magst Recht haben,
Dorkemunt.«
»Es war jedenfalls kein Streiftrupp einer orkischen Horde«, bekräftigte
Dorkemunt. »Sie waren eindeutig hinter dem Zwerg her.«
Larwyn blickte kurz zu der Rüstung ihres Gemahls Garodem, die hinter
dem Schreibtisch in der Ecke des Raumes stand. »Wir müssen uns
vergewissern, ob der Mark eine unmittelbare Gefahr droht. Ich denke, der
kleine Mann wird uns mehr sagen können.«
»Wenn er noch lebt«, sagte Dorkemunt seufzend.
»Lasst uns sehen, was die gute Frau Meowyn für ihn tun kann.« Larwyn
lächelte ermutigend. »Sie hat von der elfischen Frau vieles Nützliche gelernt.
Gehen wir zu ihr, Tasmund. Ihr, mein guter Kormund, und Ihr, Dorkemunt,
habt euch wahrlich eine Erholung verdient. Geht nun und ruht euch aus, wir
werden eure Kräfte bald genug wieder benötigen. Ich bitte euch aber noch
darüber zu schweigen, dass ihr den Orks begegnet seid. Solange die Mark
nicht unmittelbar in Gefahr ist, möchte ich die Menschen nicht beunruhigen.«
Die beiden Pferdelords grüßten zum Abschied, und Larwyn folgte ihnen in
Begleitung von Tasmund die Treppe hinunter, um das Hospital der Heilerin
aufzusuchen. Sie überquerten den vorderen Hof und schritten unter den drei
Torbögen der neu errichteten Mittelmauer hindurch an der Unterkunft der
Schwertmänner vorbei zum Eingang des Hospitals. Dabei gingen sie
gemessenen Schrittes, denn jede erkennbare Eile hätte nur unnötig für
Aufregung gesorgt.
Sie stiegen die Stufen zu den Räumen der Heilerin hinauf und pochten
kurz an die geschlossene Tür, bevor sie öffneten. Im Land der Pferdelords
war es nicht allein ein Gebot der Höflichkeit, vor dem Betreten eines Raumes
an die Tür zu klopfen. Vielmehr tat man damit seine friedlichen Absichten
kund, wer jedoch eine Tür ohne Ankündigung öffnete, riskierte einen raschen
Schwertstreich. Auch Meowyn, die Heilerin, verstand sich auf den Umgang
mit Waffen. Als sie vor Jahren noch zusammen mit ihrem Mann Balwin und
ihrem Sohn Nedeam die Wolltierherden hütete, hatte sie den Umgang mit
Bogen, Lanze und Schwert erlernt, auch wenn sie letzteres Instrument nicht
besonders liebte.
Das kleine Hospital erstreckte sich über zwei Stockwerke. Im unteren
Geschoss lag der Behandlungsraum, in dem Meowyn ihre Heilkunst
praktizierte. Dahinter schloss sich das Schlafgemach der Heilerin an. Der
Behandlungsraum war eigentlich recht groß, wirkte aber durch die
Einrichtungsgegenstände überfüllt und eher ungemütlich. In der Mitte des
Raumes stand der Behandlungstisch, auf dem Meowyn die Verwundeten
versorgte. Es war ein massiver Tisch mit einer dicken Holzplatte, die
zahlreiche Kerben aufwies, vor allem an den Kanten, in die so mancher
Patient vor Schmerz seine Finger gekrallt hatte. Auf der Platte des Tisches
hoben sich dort die Kerben dunkel ab, wo Blut das Holz verfärbt hatte.
Es gab nicht viel, was den Schmerz linderte, wenn ein Knochenbruch
versorgt und eine Wunde genäht oder gar ausgebrannt werden musste. Meist
erhielt der Verletzte eine ordentliche Portion Alkohol und einen ledernen
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