„Also schön …“, sagte auch Markward, als er mit Blick auf die marschierenden Soldaten, sein Pferd zügelte, „ … jagen wir diesen Hakkar aus dem Land und holen uns unsere Frauen zurück.“
Dakun maß ihn mit einem sonderbaren Blick.
„Frag nicht!“, grinste Kieran mit einem Blick auf Markward.
Aber bald schon verging Kieran das Grinsen. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen und am Horizont konnte man noch immer die Umrisse Hal-Abuns erkennen. Sie kamen einfach nicht schnell genug voran. Er fing bereits wieder an ungeduldig zu werden.
„Bei den Bäumen, Kieran, reiß dich zusammen.“, schalt Dakun ihn leise, damit es nicht gleich alle mitbekamen. „Wir sind nicht mal einen Tag unterwegs und du willst am liebsten bereits schon da sein! Was glaubst du eigentlich, wie schnell die Fußtruppen sind? Es dauert halt! Selbst wenn wir nur mit berittenen Truppen unterwegs wären, bräuchten wir bestimmt drei Wochen nach Sa-Lham.“
„Es geht mir trotzdem alles zu langsam!“, maulte Kieran leise zurück. Er hatte das Befürchten, dass sie zu spät kommen könnten. „Immerhin hat Hakkar mehr als einen Tag Vorsprung!“
„Ja, aber nicht mal halb so viele Männer. Er wird es sich gut überlegen müssen, wie und wo er angreift, sonst hat sich sein Überfall allein durch die Gegenwehr durch Hazas Soldaten erledigt!“, versuchte Dakun ihn zu beruhigen.
„Hoffen wir `s!“
„Kieran, was macht dir zu schaffen?“ Dakun zügelte sein Pferd ein klein wenig, um etwas Abstand von den anderen Reitern zu gewinnen.
„Da fragst du noch?“ Kieran sah ihn fast böse an. „Darf ich dich daran erinnern, wer sich in Sa-Lham aufhält?“
„Ich weiß, ich weiß. Aber Haza wird sie in Sicherheit bringen und sie verstecken. Es wird schon alles gut gehen. Außerdem ist sie ja auch nicht gerade wehrlos, wenn ich mich recht zurückerinnere – eigentlich ist sie alleine schon brandgefährlich!“ Dakun gab wieder sein breites Grinsen zum Besten. Aber es verschwand fast augenblicklich wieder, als er Kierans unverhohlenem Blick begegnete.
„Ich kann darüber überhaupt nicht lachen!“, schimpfte Kieran.
„Glaubst du ich etwa? Ich stand mittendrin in eurem Feuersturm!“, sagte Dakun nachdenklich grimmig. „Ich muss gestehen, dass ich euch beide bislang ziemlich unterschätzt habe. Ihr beide zusammen könnt schon echt beängstigend sein.“
„Und ich muss gestehen, dass ich deine Beweggründe immer noch nicht verstehe. Ich meine nachdem wir deine Truppen damit radikal dezimiert haben …!“ Kieran sah ihn aus den Augenwinkeln an. Aber Dakun regte sich nicht. Er saß still auf seinem Pferd und starrte vor sich hin.
„Tja“, begann er dann irgendwann, „ … man kann uns wohl nicht unbedingt als Freunde bezeichnen.“, stellte er fest.
„Rückblickend mit Sicherheit nicht! Aber die Frage ist doch, wo wir jetzt stehen?“ Kieran sah ihn offen an.
Dakun überlegte lange, bevor er antwortete.
„Eigentlich wollte ich nur Aldoin eins auswischen. Du warst mir, um ehrlich zu sein, immer scheißegal. Du hattest für mich keine Bedeutung, mal abgesehen von der Sache mit Gwynaeth. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass aus dir mal was wird. Aber auch darin habe ich mich geirrt. Wie in so vielen Dingen, fürchte ich. Aber denk bloß nicht, dass ich einfach nur ein schlechtes Gewissen hätte. Weißt du, die Zeit mit Emily …, und als dann auch noch dein Sohn geboren wurde …. Das hat mich echt zum Nachdenken gebracht, Kleiner. Du kannst dir nicht vorstellen, wie stolz ich auf meinen eigenen Sohn bin, jetzt da ich ihn endlich kennen gelernt habe. Eigentlich möchte ich genau das, was du in all den Jahren gelebt hast, und was ich nie verstehen konnte: wissen, wo man zuhause ist, und wissen, was der Tag einem bringt. Und eine Familie. Eine eigene Familie!“ Nachdenklich nickte Dakun vor sich hin. „Wenn ich ehrlich sein soll: Silva hat es mir mittlerweile echt angetan.“
Kieran beobachtete ihn von der Seite her und nickte ebenfalls fast unmerklich. „Silva, hm?“
„Ja.“, gab Dakun leise zu.
„Weiß sie es?“
„Nein.“ Dakun schüttelte seinen Kopf.
„Und warum nicht?“
„Weil ich noch keine günstige Gelegenheit hatte.“
„Blödmann! Für so was gib es keine günstigen oder ungünstigen Gelegenheiten. Ich hätte dich für weiser gehalten in deinem Alter!“
„Kannst dir deine dummen Sprüche sparen, Kleiner!“
„Vorsicht!“, warnte Kieran nur.
„Was ist eigentlich mit Markward?“, wollte Dakun plötzlich wissen.
Kieran grinste ihn wieder an. „Ofra.“
„Ofra?“
„Ofra!“
„Dann brauchen wir ja nur noch Damaso unter die Haube zu bringen. Ich seh uns schon alle als alte Tattergreise im Hain vor unseren Häusern sitzen, und unsere Enkel hüpfen um uns herum …!“, lachte Dakun.
„Ich glaube, du warst zu lange in der Sonne!“ Kieran sah ihn komisch an.
Ein hektisches Treiben erfüllte die kleine Stadt kurz vor dem Abend. Die sonst nur abwartenden Truppen, die nur dazu da waren im Zweifelsfalle die Stadtwache Sa-Lhams zu unterstützen, regten sich endlich wieder. Die Männer schienen insgeheim froh darüber zu sein, dass endlich mal etwas passieren würde. Allerdings war ihnen nicht klar woher der Befehl eigentlich kam. Haza hatte keine Anordnungen gegeben sie in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Es waren Jahre vergangen, in denen Fürst Haza alle politischen Dinge stets nur durch geschickte Diplomatie geregelt hatte. Er wollte keinen offenen Krieg. Aber die Männer, die sich nun bereit machten, hatten davon gehört, dass sie mit einem Überfall zu rechnen hätten, und griffen nach ihren Waffen. Schon sehr bald waren einige Hunderte von ihnen in der Stadt versammelt, und begannen, aufgrund des Fehlens eines Befehlshabers, sich selbst zu koordinieren.
Nasim indes ließ sich nicht blicken. Er war bei Emily in ihrem Gemach. Er hatte die Sache ins Rollen gebracht, obwohl Haza auch jetzt wieder auf seine Diplomatie vertrauen wollte. Aber das hatte schon beim letzten Mal nicht gut funktioniert. Nasim hatte es beim letzten Mal durchaus auf den Straßen mitbekommen, dass die Leute redeten, dass sie sich uneins waren, ob Hazas Strategie die richtige war. Nasim zweifelte, dass es dieses Mal besser ausgehen würde, jetzt, da sich die Soldaten tatsächlich sammelten und für eine Schlacht rüsteten. Aber eigentlich rechnete er fest damit, dass sich Hakkar im Hintergrund hielt, und seine Männer ohne weitere Vorwarnung und politisches Geplänkel angreifen ließ. Nein, er wollte hier nicht absolut schutzlos herumsitzen, und auf eine glückliche Fügung hoffen.
Erst als der Tumult der versammelten Männer in der Stadt bis zum Palast herüberreichte, fasste er sich ein Herz. Er nahm Emily bei den Händen.
„Ich muss dich jetzt alleine lassen. Ich kann jetzt nicht mehr länger hier bleiben. Es tut mir leid, aber Damaso muss nun weiterhin auf dich acht geben.“
Emily sah ihn mit großen Augen erschrocken an.
„Was geht denn hier vor?“, fragte sie lauernd.
Nasim druckste noch einen Moment herum, bevor er erklärte:
„Ich habe etwas getan, wofür mich Haza wahrscheinlich hinrichten lässt. Aber es war nur zu deinem Schutz. Der alte Zausel glaubt wirklich er könnte Hakkar einfach dazu überreden, wieder abzuziehen!“
Damaso trat vor.
„Was hast du getan?“, fragte er aufgebracht.
„Hier und da ein vertrauliches Gespräch mit einigen Soldaten geführt.“ Nasim sah ihn fest an.
Das Erschrecken auf Damasos Miene wich langsam einer Erkenntnis.
„Du hast die Männer gegen Hazas Befehl aufgewiegelt!“
Nasim legte nur den Kopf ein wenig auf die Seite und zuckte leicht mit den Achseln, sah ihn aber weiterhin an.
„Ich sagte doch, dass ich nichts riskieren wollte. Und nun ist Hakkar tatsächlich da!“
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