Dakun ließ sich von dieser Anspielung gar nicht schrecken.
„Weil wir nicht zu viert gegen eine ganze Armee kämpfen können. Und nicht jeder von uns hat deine kämpferische Ausbildung.“ Dakun begann wieder auf und ab zu gehen. „Hakkar hat mit dir gebrochen, aus welchen Gründen auch immer, die spielen keine Rolle mehr. Er hat Al-Alef angegriffen, und dir damit offen den Krieg erklärt. Es ist jetzt an dir zurückzuschlagen. Die verbliebenen Truppen aus Al-Alef werden sich sammeln, sie werden dich weiterhin in der Stadt erwarten. Wenn sie gewusst haben, dass du dich ebenfalls in Al-Alef befunden hast, werden sie nicht nach Aldomark gehen, um dich aufzusuchen. Wie steht es mit Hal-Abun? Ist Fürst Abahn ein Bündnistreuer?“ Dakun sah in fragend an. Kieran nickte langsam. Ja, er hatte mit Abahn schon lange Gespräche geführt und sie waren einige Male zusammen auf der Jagd gewesen. Was politisch angefangen hatte, war freundschaftlich geendet. Er würde sich auf ihn verlassen können.
„Ja, und Sahir und Rah-Ashid ebenfalls.“
Dakun nickte zufrieden.
„Das wären vier Armeen, die dir in Reichweite zur Verfügung stünden. Wir sollten nicht über die alten Wege nach Meralda zurückkehren, sondern über den Grenzpass nach Hal-Abun!“
„Rah-Ashid braucht bestimmt zwei Monate, um hier zu sein!“, wandte Kieran ein. „Ich denke wir können nur mit Sahir, Abahn und den Truppen aus Al-Alef rechnen, wenn sie überhaupt noch existieren!“
„Aber Haza ist Hakkar auch nicht gerade zugetan. Und wenn ich das hier recht interpretiere, hat er Partei ergriffen – für dich!“, mischte sich Markward ein.
„Bislang war er aber immer neutral und hat sich allein durch sein diplomatisches Geschick aus allem heraushalten können!“, erinnerte Kieran. „Und er sagte selber, dass er keine Streitmacht hat, die es mit Hakkar aufnehmen könnte.“
„Aber er wird doch nicht alleine gegen Hakkar dastehen, wenn du alle Truppen zusammenziehen lässt!“ Markward verstand nicht, warum Kieran zweifelte.
„Ich will aber, dass seine eigenen Truppen ausschließlich Sa-Lham schützen und nicht offen in den Krieg ziehen. Ich will nichts riskieren. Und ich will keine unnötigen Opfer. Wenn, dann brauche ich eine sehr viel überlegenere Streitmacht. Und ich habe keine Ahnung, wie die Truppenstärken in Abu-Ghef und Hal-Abun aussehen. Außerdem ist Sha-Ha-Sin so gut wie führerlos. Und wenn Hakkar sich die Truppen dort zu Eigen gemacht hat, dann sieht das gar nicht gut für uns aus!“, überlegte Kieran grimmig.
„Und wenn es die Truppen aus Sha-Ha-Sin sind, die Hakkar da anführt? Viele eigene Männer dürfte er ja nach dem Sturm wohl nicht mehr haben!“ Damaso mischte sich auch endlich in die Diskussion ein. „Außerdem bist du ein Magier!“
„Du vergisst, wie Kräfte raubend ein solcher Zauber ist!“ Kieran sah ihn wenig begeistert an. „Außerdem ist das kein fairer Kampf!“
Dakun schnaubte verächtlich.
„Du hast einfach zu viel Skrupel!“
„Und du zu wenig!“, gab Kieran gereizt zurück.
„Ich hätte bereits kein eigenes Reich mehr, wenn es nicht so wäre!“, entgegnete Dakun ihm nicht minder gereizt. „Was bist du eigentlich? Ich dachte, du wärst ein Krieger!“
„Ein Kämpfer vielleicht, aber kein Kriegsherr!“, stellte Kieran richtig.
„Dann sollte wohl jemand anderes dein Reich führen!“, schnappte Dakun bissig.
Kieran verzog verächtlich das Gesicht. „Ach ja? Wer denn zum Beispiel?“
„Lass mich mal kurz überlegen, wer dir gerade nach deinem Titel trachtet …!“
„Idiot!“, zischte Kieran ihn sauer an.
„Dann triff endlich Entscheidungen und handele danach!“, raunte Dakun ihn an. „Es fängt mit Hakkar an. Wenn er Erfolg mit seinem Aufbegehren hat, kommen andere, die es ihm gleichtun. Die Bündnisse werden nach und nach zerfallen, und mit ihnen dein Reich. Mir kann es egal sein, wenn sich die einzelnen Stammesfürsten hier irgendwann wieder gegenseitig bekriegen. Ich werde dann in Gibal sein und mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern! Und jetzt entschuldigt mich, ich werde mich jetzt in meine eigene Kabine zurückziehen.“ Damit drehte sich Dakun um und ging einfach.
Markward tat es ihm mit einem Achselzucken und einem ergebenen Kopfnicken gleich.
Nur Damaso blieb noch eine kleine Weile.
„Du machst dir hauptsächlich wegen ihnen Sorgen.“, behauptete er.
Kieran nickte nur nachdenklich. Ja, es war so. Wenigstens Damaso hatte ihn verstanden.
„Ich will sie keiner Gefahr aussetzen müssen.“, gab Kieran kleinlaut zu.
„Ich kann dich gut verstehen. Es ist bestimmt nicht einfach eine solche Verantwortung tragen zu müssen. Und dabei geht es nicht mal um Emily, sondern um deinen Sohn! Er wird irgendwann an deiner Stelle stehen. Aber du hast bis dahin die Pflicht alles zu tun, damit der Frieden im Lande gewahrt bleibt.“ Damaso setzte sich direkt neben den schweigenden Kieran, der noch immer reglos an der Wand gelehnt, mit verschränkten Armen dastand. „Falls es ein Trost für dich ist: Ich glaube, dass einige Leute auf den Strassen erkannt haben, was ich wirklich bin, aber sie waren trotzdem alle ausnahmslos zuvorkommend und nett. Es wird ihr dort gut gehen.“
„Ich vermisse sie!“, seufzte Kieran und löste sich endlich von der Wand. Er ging träge zum Bett hinüber, um sich hinzulegen und verschränkte die Hände hinterm Kopf, während er weiter einfach nur an die Decke starrte.
„Ich doch auch.“, sagte Damaso leise. Er ging nachdenklich zur Tür hinüber, aber verharrte noch kurz, als Kieran ihn noch mal ansprach.
„Ich möchte, dass du dich um sie kümmerst, sollte mir mal was zustoßen.“ Er sah Damaso lange und fest in die Augen. Die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen verriet Damaso, dass er sich ernsthafte Sorgen darum machte, was ihnen wohl bevorstand, und dass es vielleicht nicht gut ausgehen würde.
„Glaubst du ich wäre der richtige Mann dafür?“ Bislang hatte das mit dem Aufpassen wohl eher nicht so gut geklappt. Er konnte sie aufspüren. Er hatte sie aufgespürt. Als sie unbedacht ihre Magie eingesetzt hatte. Ja, das konnte er. Er war ein Sucher. Aber kein Krieger. Und schon gar niemand, der auf Emily aufpassen könnte. Eher könnte Emily auf ihn aufpassen!
Aber Kieran sah das anscheinend anders.
„Das denke ich allerdings!“ Er nickte ihm zu. Und Damaso nickte auch ihm zu, bevor er ging.
Sie erwachte träge aus einem dumpfen Traum. Langsam nur, sehr langsam wurde sie sich ihrer selbst wieder bewusst. Und damit kamen auch die Schmerzen. Ihr ganzer Körper fühlte sich zerschlagen an. Das Schlimme daran aber war, dass sie sich nicht erinnern konnte, warum. Was war passiert? Weswegen tat ihr alles weh? Und weswegen fühlte sie sich noch immer so entsetzlich müde, als hätte sie sich überanstrengt und nicht genug geschlafen? Müde schlug sie die Augen auf und blinzelte in die ungewohnte Helligkeit. Wo war sie? Sie konnte sich nicht erinnern diesen Raum, in dem sie sich befand, schon einmal gesehen zu haben.
Nachdenklich schaute sie sich um. Nein, der Raum hier war ihr nicht bekannt! Sie fuhr etwas verwirrt und leicht erschrocken in die Höhe. Eine Frau saß auf einem Schemel am anderen Ende des Raumes, nahe der Tür. Aber auch sie kam ihr nicht bekannt vor. Doch bevor sie reagieren konnte, tat die Frau es: Sie schnellte plötzlich mit einem erschrockenem „Oh!“ in die Höhe und war auch schon durch die Tür verschwunden!
Wenig später wurde die Tür wieder geöffnet und ein älterer Mann und eine Frau traten ein.
„Ausgerechnet jetzt!“, stöhnte der Mann. „Das hat jetzt noch gefehlt!“
„Vater!“, schalt die Frau ihn, und wandte sich dann der jungen Frau zu, die sie mit großen Augen fragend und ängstlich ansah. „Wie geht es Euch?“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und zuckte nur mit den Achseln.
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