„Nun, ich habe bereits drei eigene Kinder großgezogen.“, erklärte ihm Ofra.
„Ich bin froh Euch hier zu haben!“ Kieran sah sie dankbar an. Er hätte nicht gewusst, was er ohne eine Amme hätte machen sollen. Im Moment war er mit der ganzen Situation überfordert. Außerdem schien Ofra ganz offensichtlich nicht zu den Klatschbasen der Stadt zu gehören. Sie war recht still, wobei aber auch offen und freundlich. Und da Kieran im Moment nicht unbedingt nach Konversation zumute war, beließ er es auf einige wenige Worte. Außerdem merkte er, dass da noch etwas anderes war, er merkte es an der Art, wie sie Asrar ansah! Aber er würde sie nicht direkt danach fragen.
Ofra reichte ihm Asrar an und Kieran nahm seinen Sohn auf die Arme.
„Ich werde mir jetzt die Verletzung Eurer Frau noch einmal ansehen!“, entschied sie. Vorsichtig machte sie sich daran den Verband um Emilys Kopf zuwechseln und schüttelte nachdenklich ihren eigenen Kopf. „Ich verstehe nicht wirklich, was ihr fehlt!“, zweifelte sie. „Die Wunde beginnt bereits zu verheilen. Sie sollte ihr tatsächlich nicht solche Probleme bereitet haben!“
Kieran sah sie lange an, bevor er dann mit einem kurzen Blick zu Markward hinüber sagte:
„Sie hatte einen Dreiwochenritt durch die Wüste hinter sich, als das passiert ist. Und sie erwartet wieder ein Kind!“
„Nun, das mag vielleicht ausreichend sein, um sie nachhaltig zu schwächen. Aber ich kann das trotzdem nicht glauben!“ Ofra sah sie weiterhin nachdenklich an.
„Woher stammt Ihr? Und warum habt Ihr diesen langen Ritt auf Euch genommen, mit einer schwangeren Frau und einem Säugling?“, wollte Ofra wissen.
Kieran biss sich nervös auf die Lippen, ohne dass er es sie merken ließ. Was sollte er ihr sagen? Was konnte er ihr sagen?
„Wir kommen aus Bahi-Dun.“, sagte er nur knapp und beobachtete ihre und Markwards Reaktion sehr genau. Aber mehr als ein undeutbarer Ausdruck, der nur knapp über ihr Gesicht huschte, wurde er nicht gewahr.
„Ah!“, machte sie nur, nickte und schwieg. Dann aber sah sie ihn noch einmal an. „Eure Begleiter sehen aber nicht sehr südländisch aus!“, stellte sie fest.
„Nein.“, begann Kieran vorsichtig. Wollte sie ihn nun etwa aushorchen? „Nein, eigentlich stammen sie auch aus dem Osten.“
„Der Osten ist groß. Es gibt viele Städte im Osten.“ Ofra sah ihn wieder an. Da Kieran aber nichts darauf erwiderte, sagte sie nur: „Es geht mich nichts an, verzeiht. Aber wenn ich Euch einen Rat geben darf: Erzählt draußen auf den Strassen nicht zu laut herum, dass Ihr aus Bahi-Dun kommt. Man schätzt die Gesellschaft der Bewohner von Bahi-Dun hier nicht unbedingt.“
Damit stand sie auf, verabschiedete sich vorerst noch einmal von Asrar und ging hinaus. Kieran und Markward sahen sich schweigend eine ganze Weile an.
Am nächsten Morgen wurde Kieran von einem Geräusch wach.
Markward unterhielt sich sehr leise. Kieran schreckte auf. Er hatte tief und fest geschlafen und nicht mitbekommen, dass noch jemand anderes ins Zimmer gekommen war. Aber als er sich zu Markward umdrehte, sah er mit Erleichterung, dass es nur Ofra war, mit der sein Freund da sprach. Er konnte nicht verstehen, was sie redeten, aber er lächelte der Frau zu. Und sie ihm ebenfalls. Sie schienen sich blendend zu verstehen. Kieran ließ sich zurück in die Kissen sinken und wartete einfach. Irgendwann ging Ofra wieder sehr leise aus dem Zimmer hinaus. Markward sah ihr noch lange versonnen hinterher. Kieran beobachtete es mit einer hochgezogenem Augenbraue.
„Was?“, fragte Markward ihn, als er sich umgedrehte und den Blick seines Freundes sah.
Kieran verzog nur amüsiert den Mund.
„Sie ist nett.“, entschuldigte sich Markward. „Was hast du denn? Sei froh, dass sie sich um Asrar kümmert!“
„Ich habe doch gar nichts gesagt!“, stellte Kieran richtig und beobachtete ihn weiterhin. Markward wand sich regelrecht unter seinem Blick. Und es amüsierte Kieran.
„Ich mag sie halt.“, gab Markward kleinlaut zu.
„Ja, das ist nicht zu übersehen.“ Kieran nickte und stand auf, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.
„Hör mal, Kleiner, ich …!“, begann Markward und wurde gleich von Kieran unterbrochen.
„Vorsicht!“, warnte er ihn, aber Markward ließ sich nicht einschüchtern,
„… brauche dir darüber keine Rechenschaft abzulegen!“
Kieran grinste ihn breit an.
„Hast du bereits getan!“ Aber als er Markwards Gesichtsausdruck sah, der sich langsam verfinsterte, fügte er noch schnell hinzu: „Aber du hast recht. Sie ist nett. Und ich bin heilfroh, dass sie hier ist. Was habt ihr beiden denn beredet, wenn man fragen darf?“
Markward zuckte mit den Achseln.
„Dies und das.“, sagte er und überlegte kurz. „Wusstest du, dass ihr Mann in Bahi-Dun war?“ Markward sah ihn fest an. Als er Kierans entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkte sprach er weiter. „Sie scheint noch nicht zu wissen, was passiert ist, allerdings redet sie über ihn nicht gerade in den besten Tönen.“
„Ich dachte, dass die Bahi-Duner nicht gerade beliebt sind! Sagte sie nicht selber so etwas?“, wollte Kieran wissen.
Markward nickte langsam überlegend mit dem Kopf. „Richtig. Wenn ich sie recht verstanden habe, ist er als Soldat nach Bahi-Dun gegangen, ohne ihr davon etwas großartig zu sagen. Er scheint sie verlassen zu haben, nachdem sie letzte Woche erst eine Totgeburt hatte!“
Kieran sog pfeifend die Luft ein. „Oh!“ Aber er hatte schon fast so etwas erwartet.
Nachdem sie beide ein wenig ihren eigenen Gedanken nachgegangen waren, stellte Kieran plötzlich fest: „Aber ihr seid schon recht vertraut, hm?“ Markward legte seinen Kopf auf die Seite und sah ihn nur schweigend an. Das ging seinen Freund ja nun gar nichts an!
Aber natürlich bemerkte er die Blicke der beiden während des gesamten Tages, wann immer Ofra sich um Asrar kümmerte, und auch Ofra war sich Markwards Blicke bewusst, schien diese Beachtung aber zu genießen, was Markward seinerseits nicht verborgen blieb. Er war es von nun an, der ihr höflich den Vorhang aufhielt, wenn sie hereinkam oder ging.
Damaso beobachtete es irgendwann als er zu Kieran ins Zimmer kam mit einem verwundertem Ausdruck.
„Frag nicht.“, sagte Kieran leise zu ihm, und verzog den Mund zu einem Lächeln. „Habt ihr mittlerweile etwas herausgefunden oder beobachten können?“
Damaso nickte träge und sah noch immer verstohlen zu Markward und Ofra hinüber.
„Wie es scheint, wird Sa-Lham sehr bald Besuch bekommen!“
Kieran sah ihn alarmiert an.
„Von wem?“, fragte er.
„Aus dem Süden! Mehr kann ich dir leider auch nicht dazu sagen.“ Damaso sah ihn ebenfalls mit einem beunruhigten Gesichtsausdruck an. „Wir müssen verschwinden!“, sagte er sehr eindringlich.
Kieran drehte sich mit einem Ruck zu Emily auf dem Bett um und sah sie besorgt an.
„Wir können nicht einfach verschwinden!“, sagte er aufgebracht.
„Noch weniger können wir einfach hier bleiben und abwarten!“ Damaso sah ihm eindringlich in die Augen.
Plötzlich wurde der Vorhang zur Seite gerissen und der Wirt trat ungestüm herein.
„Sayyid Kieran …“, begann er, aber er wurde im gleichen Moment, in dem Kieran ihn aus großen Augen überrascht anstarrte einfach zur Seite geschoben. Ein weiterer, älterer Mann betrat hinter ihm den Raum. Er deutete nur eine sehr kurze Verbeugung an und sprach Kieran dann direkt an.
„Kieran Ibn-Az-Hchal, Ihr müsst umgehend fliehen! Euer Geheimnis ist keines mehr. Und die Reiter, die aus dem Süden anrücken gehören zur Streitmacht von Fürst Hakkar!“
Markward, Damaso und Kieran sahen sich gleichermaßen erschrocken und erstarrt an. Dann sprach der Mann weiter.
„Ich habe vergessen mich vorzustellen … Haza Lham!“ Er machte eine kleine Verbeugung und sah Kieran direkt in die Augen. „Ich weiß er Ihr seid, Sayyid Kieran. Und ich habe Bericht darüber erhalten, was vor einigen Wochen in Al-Alef und auch vor ein paar Tagen in Bahi-Dun geschehen ist. Meine Tochter wird sich weiterhin um Euren Sohn kümmern, Ihr könnt unmöglich mit ihm zusammen fliehen. Für Eure Frau wird ebenfalls gesorgt werden. Macht Euch darum keine Gedanken, sie werden hier in Sicherheit sein. Aber Ihr müsst umgehend die Stadt verlassen. Wir haben keine Streitmacht hier in Sa-Lham, die es mit dem Fürsten Hakkar oder seinem Begleiter aufnehmen könnte. Ich habe bereits alles veranlasst. Ihr werdet zu einem Schiff im Hafen gebracht, dass Euch unverzüglich nach Norden bringen wird. Kehrt von dort aus über die alten Wege in Eure Heimat zurück und wartet auf Nachricht von mir.“ Fürst Haza klatschte in die Hände, woraufhin einige Diener und Dienerinnen erschienen, die sich sofort daran machten sich um Emily zu kümmern. Sie wurde in Windeseile in ein anderes, sehr schlichtes Kleid gesteckt und eine der Frauen begann damit, ihre Haare mit einer Paste Dunkel zu färben.
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