Hans Fallada - Kleiner Mann, großer Mann, alles vertauscht

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Max Schreyvogel und seine Frau Karla wird unerwartet eine üppige Erbschaft zuteil. Max Onkel Eduard ist dahingeschieden und hat seinem Neffen beträchtliche Ländereien mit Anlagen und Park hinterlassen. Der bis dahin bescheiden lebende Kontorist wird über Nacht Schlossherr. Doch der Geldsegen bringt nicht das erhoffte Glück. Freunde wandeln sich in Neider und Bittsteller, Träume zerbersten und die Liebe droht zu zerbrechen.

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LUNATA

Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht

Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht

oder

Max Schreyvogels Last und Lust des Geldes

Geldes

Ein heiterer Roman

© 1940 Hans Fallada

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Erster Teil Erster Teil

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

Zweiter Teil

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

Erster Teil

1. Kapitel

Drei Zylinderhüte bringen Unheil – Von Eduarda wird Akt genommen – Einen steilen Berg hinauf!

Ich erinnere mich noch gut des Augenblicks, da Unheil unser Heim betrat.

Es war der erste November. Ich stand am Fenster, draußen war es naßkalt und neblig.

Wir hatten eben zu Mittag gegessen, unsere Tochter – wir riefen sie Mücke oder Mückchen – lag schon in ihrem Bett. Obersekretär Vormann vom Steueramt flötete eine Treppe tiefer, wie immer, wenn er sich rasierte. Und Karla nähte mir bei lebendigem Leibe hinten den Hosenknopf an, der am Morgen auf dem Büro abgesprungen war.

Du mußt aber stillstehen, Max! rief Karla. Sonst kann ich dir den Knopf nicht annähen. – Mücke, turne nicht in deinem Bett, du sollst schlafen!

Wer ist gestorben im Haus, Kerlchen? fragte ich.

Gestorben –? Als wie warum –?

Drei Angströhren kommen in das Haus – sicher doch vom Begräbnisinstitut.

Keine Ahnung rührte mich beim Anblick der düster durch den Nebel spiegelnden Seidenhüte an, daß sie uns gelten könnten, daß sie für eine lange Zeit alles Glück und allen Frieden aus unserm kleinen Heim zu Grabe tragen sollten!

Karla erklärte, es sei keiner im Hause gestorben, und schalt auf die Löcher im Knopf, die im Dämmern nicht zu erkennen waren ...

Und unterdes hätten wir alle Zeit gehabt, das Bett mit der turnenden Mücke in unsere Schlafstube zu schieben und so dem Unheil zu entgehen –!

Aber nichts weiß der Mensch ...

Ferne auf der Treppe klangen dumpf viele Schuhe ... Ach, warum hatten wir auch nicht wie andere bessere Leute eine Entréetür mit Klingel und Namenschild?! Warum wohnten wir auf der Mansarde, in zwei vom Dachboden abgeschlagenen Stuben, die jeder ohne Warnung und Vorbereitung betreten konnte?! Alles wäre bei Klingel und Entréetür anders gekommen!

Tuck – Tuck – Tuck – Duliöh! sang Herr Steuerobersekretär Vormann und hatte das Rasieren jetzt wohl hinter sich. Die Mücke krähte. Es klopfte an unserer Tür.

Immer rein in den deutschen Bund! rief Karla, voreilig wie stets.

Meine Jacke! flüsterte ich aufgeregt und lief schon selbst nach ihr.

Au! Du hast mich gestochen, Max! rief Karla empört.

Eins – zwei – drei – Schornsteinfeger! krähte die Mücke entzückt.

In der Tür standen drei Zylinderhüte, jetzt entblößten Hauptes. Der Vorderste, der Kleine, der Bärtige mit den spiegelnden Augengläsern hielt ein Papier in der Hand.

Einen Augenblick musterte jede Partei die andere verblüfft – weiß der Himmel, was zu sehen sie erwartet hatten! Uns kamen die drei schwarzen Männer bestimmt gänzlich unverhofft. Karla lutschte an ihrem blutenden Finger, ich angelte nach meinem Jackett, und die kleine Mücke hatte jenen großen, blauen Stauneblick, den ihre Mutter liebevoll ›gestochenes Kalbsauge‹ zu nennen pflegte.

Der Bärtige mit Papier und Brille räusperte sich: Ähemm! – Sind wir hier richtig bei Herrn Kontoristen Max Schreyvogel –?

Ja ... murmelte ich und war schrecklich verlegen, weil ich vor so vielen Bratenröcken noch immer in meinen Hemdsärmeln stand.

Und da haben wir also das kleine Töchterchen! sagte der Herr, legte schelmisch den Finger an die Nase und trat an Mückes Bett. Nun sei brav, mein Liebling, und sag dem Onkel, wie deine Mutti dich ruft –?

Er trat näher mit all jener albernen, wichtigtuerischen Kindischkeit, die alte Junggesellen im Umgang mit Kindern auszeichnet.

Mücke spürte das. Der Zylinderhut verlor allen Reiz, sie steckte den Kopf in die Kissen, stellte das Hinterteil hoch, das Nachtröckchen fiel auseinander – der alte Herr starrte und rieb mit dem Finger eifrig die Nase – es war nicht zu leugnen, dies blieb ein nackter, fünfjähriger Po ...

Karla, fast ebenso verlegen, schrie unsere Tochter empört an, wie sie noch nie geschrien: Eduarda! Benimmst du dich sofort anständig –! Und schlug zu ...

Der rosige Po verschwand, Geheul schwoll, aber lauter klang die triumphierende Stimme des Alten: Eduarda! Sie haben es gehört, meine Herren? Sie bezeugen es?

Wir bezeugen es! riefen die beiden Bratenröcke unter der Tür. Eduarda!

Nehmen Sie es zu Protokoll, Fiete! befahl der Alte. Wir haben 1 Uhr 44. Erster November. – Herr Schreyvogel, ich erwarte Sie morgen um elf Uhr auf meinem Büro, Sandgasse Nummer 11. Notar Steppe.

Sehr angenehm, höre ich mich noch halb wie im Traum flüstern. Aber wieso –?

Bitte mit der Frau Gemahlin.

Zum ersten Male hatte jemand Karla Schreyvogel ›Frau Gemahlin‹ genannt. Diese Anrede muß Kerlchens Hirn blitzartig erleuchtet haben. Ich habe es, Max! rief sie aufgeregt. Onkel Eduard ist gestorben, und wir erben!

Ich sage nichts! rief der Bärtige eilig. Erwarten Sie nichts! Also morgen früh um elf! – Kommen Sie, Fiete! Sie haben von Eduarda Akt genommen? Gut! Guten Tag, Herr Schreyvogel. Empfehle mich, gnädige Frau!

Gnädige Frau – auch das noch! Wir starrten beide atemlos, als seien wir einen steilen Berg hinaufgelaufen, die wieder geschlossene Tür an.

Wir waren einen steilen Berg hinaufgelaufen, einen Berg, den die meisten Mitmenschen nie erklimmen.

(Und den nicht zu erklimmen besser ist.)

2. Kapitel

Dauerlauf zum Büro – Was werden wir erben? – Ein Sack Zwiebeln und eine Kiste Zitronen

Wir werden ja nun bald erfahren, was wir damals bei unserm Sturmlauf auf das Büro der Vira noch nicht wußten, warum nämlich der Notar Steppe von unserer Tochter hatte Akt nehmen lassen, oder vielmehr von ihrem Namensaufruf. Aber zur Stunde waren wir noch gänzlich ahnungslos, starrten uns an, hatten Herzklopfen, wollten hoffen und brachten doch nicht den Mut dazu auf – um hinterher nicht zu bitter enttäuscht zu sein ...

Ich muß laufen! hatte ich schließlich gerufen, in unser erstes verwirrtes Wundern hinein. Nur noch elf Minuten bis zwei! O Gott – und Kracht hat soo schlechte Laune!

Ich laufe mit! hatte Karla gesagt und nahm schon aus dem Schrank ihren Mantel.

Aber die Mücke schläft noch nicht! – Nein, Karla, wie konntest du sie nur Eduarda rufen?! Sogar die Herren haben einen Schreck bekommen!

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