Sabine Teyke
See des ewigen Lebens / Maxi II
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sabine Teyke See des ewigen Lebens / Maxi II Dieses ebook wurde erstellt bei
I
II
Zwischenspiel
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
Personenverzeichnis
Impressum neobooks
Der lange kalte Winter ist endlich vorbei, es ist unser zweiter in diesem Land.
Vor ein paar Tagen sind wir das erste Mal wieder richtig hinausgegangen.
Davor immer nur die zwei Mauslängen zum Wasser, um unseren Durst zu stillen.
Die Sonne fühlt sich eindeutig wärmer an und die Pflanzen zeigen erste winzige Triebe. Beatus will gleich seine Runde machen, seine Sammelleidenschaft hat natürlich im Winter gelitten, als Ersatz sozusagen, hat er Pflanzenkunde unterrichtet, keiner kennt sich da besser aus als Beatus.
Berti und Activa sichten die Vorräte, es ist überraschend viel übrig, mehr als gedacht. Man kann sie den ganzen Tag, fröhlich plaudernd, beim Umschichten und Herumtragen von Nahrung, beobachten. Sie sind ganz in ihrem Element.
Mutter hat sich überraschenderweise im Winter wieder erholt, keiner weiß warum, denn vor dem Winter verließ sie kaum noch ihr Nest, höchstens um zu trinken.
Inzwischen ist sie zwölfhundertsechzig Tage alt, für eine wilde Maus ein langes Leben. Die meisten sterben vor ihrem achthundertsten Lebenstag. Sie schiebt es auf die langen Spaziergänge, die sie täglich im Erdbau gemacht hat, aber mehr ist aus ihr nicht herauszubekommen.
Ich freue mich natürlich, wir alle haben uns große Sorgen um sie gemacht, kann es aber nicht verstehen. Sie wirkt richtig vital. Und merkwürdigerweise auch wieder jünger, so etwas ist doch nicht möglich, oder? Ich stelle mir vor, dass MUS ihr vielleicht geholfen hat, aber wie? Da Mutter nichts weiter dazu sagt, beschließe ich selbst den Erdbau zu erforschen. Wir sind bis jetzt nie weiter als zu den ersten zwölf Erdhöhlen gekommen, es bestand nie ein Anlass dazu.
Benedikte zuckt neben mir zusammen, erstarrt kurz.
„Du musst immer weitergehen, Mama.“ Sagt sie dann. Kann sie Gedanken lesen, oder meint sie etwas ganz anderes, etwas, dass nichts mit der Erforschung des Erdbaus zu tun hat? Als Orakel sagt sie sehr oft Sachen, die man nicht so richtig einordnen kann, erst in bestimmten Situationen, ergibt alles einen Sinn.
Ich lege diese Weissagung in meinem Gedächtnis ab, und gehe kurz zu Berti ins Lager.
„Wie lange reicht das Essen eigentlich noch, Berti?“
Er hebt den Kopf und lächelt mich an.
„Ah Maxi, noch mindestens dreißig Tage. Wir haben es tatsächlich geschafft, bevor es zu kalt wurde, sehr viele Lebensmittel einzulagern. Obwohl wir deutlich mehr Leute waren, als letzten Winter. Ich bin sehr zufrieden.“ Ich danke ihm und verschwinde im Erdbau, dessen Eingang gleich neben der großen Vorratskammer liegt.
*
Tara und Karl hatten ihre Höhle nach dem Winter, erst gestern, wieder offiziell geöffnet. Sie saßen draußen vor dem Eingang in der milden Frühlingssonne und unterhielten sich.
„Diesmal haben wir uns alle selbst übertroffen im Herbst, die Nahrung hat bis jetzt gereicht, und ein paar Tage kommen wir auch noch aus damit, dank Dir Karl, Du hast Dich wirklich angestrengt, das zu organisieren. Das hätte ich nie von Dir gedacht.“ Tara lächelt Karl freundlich an. Der windet sich ein bisschen, Lob glaubte er nicht verdient zu haben.
„Danke, dass Du das so siehst, es stimmt, ich habe mich bemüht. Aber ich sehe das alles als Teil meiner Buße an.“ Karl hatte damals nichts unternommen, als die Stadt von den Menschen zerstört worden ist, es belastete ihn immer noch. Tara winkte ab.
„Ich finde, Du hast bewiesen, dass Du in einer Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag leisten kannst, das ist wichtig, es nutzt allen...“
In diesem Moment ertönte ein lautes Geräusch, das beide zusammenzucken ließ. Eine der Maschinen setzte sich in Bewegung und kam direkt auf sie zu.
Panisch rannten Tara und Karl in den Bau, um die Anderen zu warnen.
Kaum waren sie im Eingang verschwunden, bebte die Erde, das Eingangsloch wurde wie von Geisterhand verschüttet, und im Bau rieselte überall Erde herab. Dann gab es zwei laute Schläge, die den ganzen Bau erschütterten und dann nichts mehr. Die plötzlich einsetzende Ruhe erschreckte sie genauso, wir vorhin der Lärm. Alle drängten sich schutzsuchend um Tara und Karl. Was war passiert? Karl versuchte zum Eingang zu kommen, aber der Gang war verschüttet, sie waren eingeschlossen.
*
Normalerweise gehe ich geradewegs in meine kleine Erdhöhle, die mir sehr ans Herz gewachsen ist. Dort meditiere ich oder unterhalte mich mit Scio, meinem persönlichen Geist und Freund. Obwohl das nicht nötig wäre, er lebt sozusagen in meinem Kopf und ist immer und jederzeit erreichbar. Heute lasse ich meinen Lieblingsplatz links liegen und gehe weiter, tiefer in den Erdbau hinein.
Die Eingangslöcher der einzelnen Wohneinheiten reihen sich auf meinem Weg aneinander, wie Perlen an der Schnur. Ab und zu schaue ich mal in eine hinein, aber sie sind immer sauber gefegt und mit einem Stück Zeder versehen. Die Zeder ist ein Symbol für Reinheit und bringt Glück. Es verhindert, dass Fremde in den Bau eindringen und vertreibt Schädlinge. Bis jetzt hat das auch funktioniert.
Die Unterkünfte sind unterschiedlich groß, von der einzelnen Maus bis zu ganzen Familien kann man hier Viele unterbringen. Bis jetzt habe ich schon zweiunddreißig Höhlen gezählt.
Der Gang macht hier eine Biegung nach links, Richtung Osten. Ich laufe weiter und stelle fest, dass die Luft immer noch sehr gut ist, was ich verwunderlich finde. Plötzlich fällt mir auf, dass ich ab und zu einen Lufthauch spüre, der über mein Fell streicht. Irgendwo hier unten muss es Belüftungsschächte geben, auch wenn ich sie noch nicht gesehen habe. Seit der Gang nach Osten abgebogen ist, gibt es keine Höhlen mehr, komisch, irgendwie dachte ich immer das Angebot an Wohnraum sei hier unbegrenzt. Offensichtlich habe ich mich geirrt. Jetzt biegt der Gang nach Süden ab und führt tiefer ins Erdreich hinein. Der Boden ist abfallend, nicht sehr stark, aber ich fühle es deutlich beim Gehen. Obwohl es bis jetzt keine andere Möglichkeit gegeben hat, als dem Gang zu folgen, setzte ich doch aus alter Gewohnheit meine Markierungen.
Plötzlich endet der Gang und ich stehe direkt an der Mauer, ich schaue mich um, aber der Tunnel führt nirgendwo weiter.
Ich schnüffle etwas herum und bemerke einen metallischen Geruch, das erinnert mich an die Quelle des Lebens, die letzten Herbst von den Menschen zerstört wurde. An der Mauer sind seltsame Zeichen, erst jetzt bemerke ich, dass es nicht ganz dunkel ist, es gibt hier ein grünliches, etwas diffuses Licht. Die Zeichen an der Mauer kommen mir bekannt vor, mir ist, wie wenn ich sie schon einmal gesehen hätte.
Da durchfährt mich ein Gedanke, natürlich in der Höhle der Meditation von Custos. Dort waren über den Durchgängen Bilder angebracht. Eule, Maus, Wespe und Glühkäfer. Hier befinden sich nur Eule und Maus, aber sie sehen genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Was bedeutet das?
„ Das kann ich Dir vielleicht erklären, Mädchen.“
' Scio, und wie?'
„ Vor sehr langer Zeit gab es einen Meister der Magie, der überall in unserem Land verschiedene Artefakte zurückgelassen hat. Die Quelle des Lebens ist eines davon. Man sagt, dass es nicht nur eine lebensspendende Wasserstelle geben soll. Angeblich hat der Meister davon mehrere angelegt, um immer und überall daraus trinken zu können. Das ist allerdings eine wirklich alte Geschichte, Mädchen, man hat sie schon erzählt, als ich noch ein Kind war.“
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