Ulrich Paul Wenzel
An Tagen Des Ewigen Nebels
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Titel Ulrich Paul Wenzel An Tagen Des Ewigen Nebels Dieses ebook wurde erstellt bei
Hintergründe zum Buch Hintergründe zum Buch Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Der Aufbau erfolgte unter der Anleitung sowjetischer Offiziere nach dem Vorbild der sowjetischen Geheimpolizei. Die Aufgaben und Zuständigkeiten des MfS wurden nie klar definiert. Es war keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Seit der Gründung wuchs die Zahl der Mitarbeiter ständig an. Im Oktober 1989 arbeiteten 91.000 Personen hauptamtlich für das MfS. Nahezu alle Mitarbeiter des MfS waren SED-Mitglieder. Zentrale Aufgaben des MfS in den 1950er Jahren waren der Kampf gegen die Republikflucht und das Vorantreiben der Kollektivierung der Landwirtschaft. Nach dem Mauerbau wurden die Überwachung des Reiseverkehrs und die Passkontrolle vom MfS übernommen. Aufgrund der zunehmenden Verbindungen der DDR zum Westen in den 1970er Jahren wurde der Kontroll- und Unterdrückungsapparat ausgebaut. Die Kontakte von DDR-Bürgern mit dem Westen wurden nun verstärkt überwacht. Das Netz der inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wurde erheblich erweitert. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre lag die Zahl der IM bei 180.000. Nach der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc in Polen 1981 schottete das MfS die DDR auch nach Osten hin ab. Zu Beginn der 1980er Jahre gab es kaum einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens in der DDR, den die Stasi nicht in der einen oder anderen Weise überwachte. Bei Fluchthelfern und Überläufern aus den eigenen Reihen schreckte das MfS auch vor Entführung und Mord nicht zurück. Zuletzt kamen auf 62 Einwohner der DDR ein MfS-Mitarbeiter. Trotzdem gelang es dem MfS in den späten 1980er Jahren nicht, die Gründung von Oppositionsgruppen zu verhindern. Am 7. November 1989 musste der Leiter des MfS, Erich Mielke zurücktreten. Im Dezember 1989 besetzten Bürger der DDR die MfS-Bezirksdienststellen, um die einsetzende Vernichtung der Akten zu verhindern. Am 14. Dezember 1989 ergeht die Anordnung zur Auflösung des MfS. „Irgendeiner ist immer dabei, von der ganz leisen Polizei. Irgendeiner macht immer 'nen Strich, und wenn's Du nicht bist, bin's – ich.“ Kurt Demmler
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Impressum neobooks
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Der Aufbau erfolgte unter der Anleitung sowjetischer Offiziere nach dem Vorbild der sowjetischen Geheimpolizei. Die Aufgaben und Zuständigkeiten des MfS wurden nie klar definiert. Es war keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Seit der Gründung wuchs die Zahl der Mitarbeiter ständig an. Im Oktober 1989 arbeiteten 91.000 Personen hauptamtlich für das MfS. Nahezu alle Mitarbeiter des MfS waren SED-Mitglieder. Zentrale Aufgaben des MfS in den 1950er Jahren waren der Kampf gegen die Republikflucht und das Vorantreiben der Kollektivierung der Landwirtschaft. Nach dem Mauerbau wurden die Überwachung des Reiseverkehrs und die Passkontrolle vom MfS übernommen. Aufgrund der zunehmenden Verbindungen der DDR zum Westen in den 1970er Jahren wurde der Kontroll- und Unterdrückungsapparat ausgebaut. Die Kontakte von DDR-Bürgern mit dem Westen wurden nun verstärkt überwacht. Das Netz der inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wurde erheblich erweitert. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre lag die Zahl der IM bei 180.000.
Nach der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc in Polen 1981 schottete das MfS die DDR auch nach Osten hin ab. Zu Beginn der 1980er Jahre gab es kaum einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens in der DDR, den die Stasi nicht in der einen oder anderen Weise überwachte. Bei Fluchthelfern und Überläufern aus den eigenen Reihen schreckte das MfS auch vor Entführung und Mord nicht zurück. Zuletzt kamen auf 62
Einwohner der DDR ein MfS-Mitarbeiter. Trotzdem gelang es dem MfS in den späten 1980er Jahren nicht, die Gründung von Oppositionsgruppen zu verhindern. Am 7. November 1989 musste der Leiter des MfS, Erich Mielke zurücktreten. Im Dezember 1989 besetzten Bürger der DDR die MfS-Bezirksdienststellen, um die einsetzende Vernichtung der Akten zu verhindern. Am 14. Dezember 1989 ergeht die Anordnung zur Auflösung des MfS.
„Irgendeiner ist immer dabei,
von der ganz leisen Polizei.
Irgendeiner macht immer 'nen Strich,
und wenn's Du nicht bist, bin's – ich.“
Kurt Demmler
Ostberlin, DDR, November 1984
Als er am Tor stoppte und seinen Dienstausweis aus dem geöffneten Fenster des Wagens hielt, musterte ihn der Posten des Wachregimentes Feliks Dzierzynski mit demselben misstrauisch prüfenden Blick wie an all den Tagen, an denen er mit dem Auto erschien. Er nickte kurz, während sich die Schranke hob und steuerte den blauen Wartburg auf eine der um diese Zeit vielen freien Parkflächen im Innenhof. Wie die meisten seiner Kollegen wohnte er gerade mal einen Katzensprung vom Ministerium entfernt und benutzte das Auto nur dann, wenn er etwas Besonderes zu erledigen hatte oder flexibel sein musste. Heute war solch ein Tag. Sein letzter Arbeitstag.
Sein Blick wanderte noch einmal auf die Uhr am Armaturenbrett, dann stieg er aus und steuerte mit festen Schritten den grauen Plattenbau am Ende des Hofes an. Fast acht Jahre lang habe ich hier gewirkt, resümierte er mit einem Anflug von Melancholie. Für den Erhalt des Weltfriedens, den Aufbau des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden, die unerschütterliche Freundschaft zur Sowjetunion. Für all diesen Scheiß, an den er lange Zeit fest geglaubt hatte. Er schüttelte den Kopf, als wäre ihm das ganze Ausmaß dieser Verlogenheit erst an diesem Tag richtig bewusst geworden. Dabei spürte er schon lange die untrüglichen Anzeichen von Zweifel in sich, den Vertrauensverlust. Er hatte mit zunehmender Zeit immer mehr Fragen gehabt, doch das Regime hatte keine oder die falschen Antworten. Es waren vor allem die Widersprüche und Inkonsequenzen des täglichen Lebens, die starren Mechanismen, der Umgang mit den Bürgern, die einmal große Hoffnungen in diesen Staat gesetzt hatten und immer mehr enttäuscht wurden. Die noch lange nach Kriegsende geglaubt hatten, im fortschrittlicheren, menschenwürdigeren Teil Deutschlands zu leben. Die schlussendlich jedoch registrieren mussten, dass den indoktrinierenden Parolen des Partei- und Staatsapparates keine Taten folgten.
Mit diesem Staat hatte auch er ein Übereinkommen gehabt, ihm sich verpflichtet gefühlt. Aus Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, verbunden mit der Hoffnung, dass sich irgendwann einmal die Überlegenheit des Sozialismus zeigen und bei den Bürgern ankommen würde.
Ihn fröstelte, als er die Treppe zur dritten Etage hinaufstieg. Auf dem langen, nur schwach beleuchteten Flur, der tagsüber die ganze Vitalität dieser Behörde widerspiegelte, war es still wie auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde um Mitternacht. Mit einem nachdenklichen, fast verachtenden Blick streifte er das kleine weiße Schild mit seinem Namen und Dienstrang an der Tür des Raumes 341, das ihn einst mit so viel Stolz erfüllte.
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