1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Nachdem wir lange geschlafen haben, frühstücken wir kleine Stückchen von einer anderen Rinde. Das war eine merkwürdige Mahlzeit, aber Bene vermutet, das gebe uns Kraft für den Weg, der noch vor uns liegt.
Custos bestätigt es. „Das stimmt, das ist Kirschbaumrinde. Sie enthält die gleiche Medizin, wie die Weidenrinde, aber sie schmeckt etwas süßer. Sie gibt Energie und erhält die Gesundheit.“ Dann sollen wir noch ausgiebig aus der Quelle trinken, auch das wird uns Kraft und Schutz vor Krankheiten gewähren.
Wir verabschieden uns von Tara, die dann doch ein bisschen traurig ist, uns weggehen zu sehen. Anorex verspricht, wenn er sieben Tage lang nichts von uns gehört hat, am See vorbeizukommen, um nach uns zu sehen.
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Tara schaute ihnen nach, war es richtig, dass sie hierblieb, vernachlässigte sie nicht ihre Pflicht? Würde Maxi das schaffen? Ja, da war sie so sicher wie Custos. Dieses junge Mädchen war stark und klug. Mit MUS Hilfe würde sie eine gute Anführerin werden trotz oder gerade wegen ihres zarten Alters. Alle würden auf sie hören, da war sich Tara ganz sicher.
Als sie gestern Abend Custos kennenlernte, und eine seiner Geschichten hörte, war ihr sofort klar, dass sie von ihm lernen musste. Ganz selbstverständlich war sie vor ihm niedergekniet, wie in alten Zeiten ein Lehrling vor seinem Meister. Wenigstens, bis die anderen zurückkommen, würde sie bleiben, vielleicht auch länger.
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Dann brechen wir endlich auf. Der Tunnel ist eng, wir müssen hintereinander gehen. Amo läuft gleich hinter Custos, dann folgen Cito, Berti, Bene und ich, am Ende Autax. Wir marschieren recht schnell hindurch, es ist ein bisschen beklemmend, durch einen Steintunnel zu laufen. Ich bin die weichen Erdtunnel gewohnt.
Nach einer Weile kommen wir in eine kleine Höhle, an deren Wände Zeichen eingeritzt sind.
Während wir sie betrachten erklärt Custos. „Das ist eine Höhle der MUS, uns ist sie heilig, hierher kommt man, um zu beten und innere Einkehr zu halten. Wir nennen sie die Höhle der Meditation. Merkt Euch die Zeichen an der Wand. Seht Ihr das?“. Er deutet auf eine Zeichnung, die aussieht wie eine Maus.
„Merkt Euch diese auf jeden Fall, direkt darunter ist der richtige Tunnel, der wieder zur Quelle zurückführt.“
Erst jetzt bemerke ich, dass noch drei andere Öffnungen in den Wänden zu sehen sind.
Dann deutet er auf ein anderes Bild. „Das ist eine Eule, diesem Weg müsst ihr nun folgen um auf die andere Seite zu kommen. Aber bitte beachtet, dass die Eule auch eine Gefahr darstellt, in dieser Richtung ist nicht nur ein wunderschönes neues Land, sondern vielleicht auch unerwartete Gefahren zu erwarten. Seid also auf der Hut.“
„Und was bedeuten die anderen Zeichen?“ Ich habe noch einen Käfer und eine Wespe bemerkt. Custos erklärt, beide Wege seien gefährlich, der eine führe zu einem großen Wespennest und der andere ins Reich der Glühkäfer. Wespen können uns töten, daran erinnere ich mich aus den Geschichten meiner Mutter, aber Glühkäfer kenne ich nicht.
„Was sind Glühkäfer für Lebewesen?“ Frage ich.
Custos antwortet mir mit einer langwierigen, aber keineswegs erhellenden, Erklärung. „Also es ist so, Glühkäfer sind sehr hübsch anzusehen, und an sich nicht gefährlich. Aber ihr Einfluss auf unsere Gedanken kann uns verwirren und vom rechten Weg abbringen. Es gibt einige Legenden, die sich mit der geheimnisvollen Kraft der Glühkäfer befassen, aber das würde jetzt zu weit führen. Nur so viel: Bleibt weg von ihnen. Es ist sicherer für euch.“
Cito und Bene lachen los.
„Tja, die Maxi will halt alles wissen, aber können wir jetzt bitte weitergehen, ich brenne vor Neugier auf das neue Land.“ Sagt Cito.
Custos erklärt, dass wir von jetzt an allein weiter gehen müssen, er entfernt sich nie sehr lange von der Quelle. Wir verabschieden uns mit dem Versprechen wiederzukommen und betreten den Tunnel der Eule.
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Autax hatte sich die ganze Zeit das Gefühl, die Steinwände würden auf ihn zukommen, es gefiel ihm nicht hier. Der enge Tunnel, und dann das religiösen Gerede, damit konnte er nichts anfangen. Er packte lieber mit an, und redete nicht viel. Im Gegensatz zu ihm, plapperten die Kinder zu jeder Zeit drauf los. Es war anstrengend mit ihnen, auch wenn sie nett waren. Und die vielen Fragen gingen ihm ganz schön auf die Nerven, diese Kinder wollten aber auch alles wissen. Ein Glück, das Satis und er getrennt wohnen, seit die beiden kleinen Mädchen auf der Welt waren, er würde wahrscheinlich nicht so gut mit ihnen zurecht kommen. Er mochte Kinder, wirklich, aber eher aus etwas weiterer Entfernung, nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe. Da vorne wird es wieder hell, MUS sei Dank, sie kamen endlich aus dem Tunnel heraus.
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Nach relativ kurzer Zeit sehen wir Licht am Ende des Tunnels, wir rennen darauf zu. Der Anblick nimmt mir den Atem. So weit das Auge reicht, erstreckt sich unter uns ein weites Tal. Ich erblicke den See, Nussbäume, Obstbäume, Sonnenblumen, Mais und jede Menge Kräuter und Gräser. Es übertrifft die Vorstellung, die ich mir bei Custos´ Beschreibung gemacht habe um Längen.
Bene steht ganz andächtig da. „Das gelobte Land, es wird eine Zuflucht geben, ich weiß es, ach, es wird wunderbar werden.“
In diesem Moment sehe ich die Bestien. Sie rennen blitzschnell durch das Tal. Eine ist geradezu riesig, drei Kleinere folgen ihr. Sie beginnen zu schnüffeln, so als suchen sie etwas. Wir drücken uns an die Mauer und schauen entsetzt dem Treiben der Bestien zu.
„Tja,“ sagt Cito, „das war wohl nichts, mit dem gelobten Land.“
„Das sind Hunde, sie sind schnell und wenn sie einen von uns erwischen können, fressen sie uns auch, aber man kann ihnen aus dem Weg gehen. Man muss nur sehr vorsichtig sein.“ Meint Amo. Auch Autax schließt sich dieser Meinung an.
„Vielleicht kann man sie zähmen, ich würde gern auf einem reiten, stellt Euch vor, wie das wäre...“ Natürlich Berti, nur ihm fallen immer solche Sachen ein.
Wir warten, bis die Hunde verschwunden sind, dann klettern wir die Mauer hinab. Wir kommen direkt neben einem Walnussbaum unten an. Als wir ihn untersuchen, stellen wir fest, dass er große Wurzeln mit vielen Hohlräumen hat. Wir kriechen hinein und mit ein klein wenig Grabarbeit, haben wir ein weiches Nest. Alle rollen sich zusammen und wir schlafen viele Stunden lang.
*
Seit längerer Zeit habe ich schon einen Traum, er ist wunderschön. Ich befinde mich in einem friedlichen Bambuswäldchen, das Wasser plätschert in den großen See und ich fühle mich rundum sicher. Hier möchte ich sehr gerne wohnen, irgendetwas Heiliges umgibt diesen Ort. Heute ist er ein wenig anders.
Ich höre eine Stimme, die zu mir spricht. „Das wird mein Heiligtum werden, Maxi, Du musst es nur noch finden.“ Hat gerade MUS zu mir gesprochen? Im Traum?
Jemand schüttelt mich, und reißt mich fort von diesem friedlichen Ort.
Ich erwache und sehe in Benes Augen.
„Maxi,“ sagt er, „ich werde im Nussbaum bleiben und den Ort für die anderen vorbereiten, es muss nur ein bisschen Ordnung geschafft werden. Ich glaube, dass einige Familien hier leben können.“ Das ist eine sehr gute Idee, das ist mir gar nicht eingefallen. Wenn wir uns aufteilen, können wir viel schneller, viel mehr erreichen.
Autax räuspert sich. „Ich glaube, ich werde bei Bene bleiben und ihm helfen. Allein ist das eine Heidenarbeit. Wir können viele Schlafplätze schaffen und sogar ein paar Vorräte sammeln. Selbst, wenn die Stadtmäuse nicht kommen, wird es euch auf dem Rückweg sicher gefallen in ein gemütliches Nest einkehren zu können.“ Er hat recht, mir ist es lieber, wenn mein Bruder nicht ganz allein hier bleiben muss. Eine Maus braucht einfach Gesellschaft. Alle sind einverstanden.
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