»Ach, ich mag es auch mal scharf.«
»Na klar, bist ja ein Mann«, feixte Sabine, aber dieses Mal ging er auf ihre Anzüglichkeit nicht weiter ein, sondern grinste nur kurz.
»Lass uns abräumen«, erklärte er, stand auf, sammelte Teller und Besteck ein und ging in die Küche. Sabine sah ihm verlangend hinterher. Einen richtigen Knackpo hatte er in dieser engen Jeans. Das Hemd sah auch gut aus, bis auf die große Falte, die er auf dem Rücken hineingebügelt hatte. Sabine verkniff sich mühevoll das Lachen. Typischer Junggeselle eben, aber wie schön, dass er sich solche Mühe gab, ihr zu gefallen. Nur noch auf seinem Hof lief er in Arbeitsklamotten herum, war er mit Sabine unterwegs, wechselte er nun immer die Kleidung. Das beeindruckte sie. Sascha zog sich zwar immer gut an, aber das tat er aus Prinzip. Er versuchte nie, ihr zu gefallen. Einmal hatte sie erwähnt, dass er in Schwarz richtig gut aussah, aber er zog trotzdem nie etwas Schwarzes für sie an.
Sabine schüttelte unwillig den Kopf. Sie wollte nicht mehr an Sascha denken!
Schwankend erhob sie sich, aber Jasper winkte ab.
»Lass mal, ich mache das schon. Du hattest dafür die Arbeit mit dem Kochen.«
Er stellte das benutzte Geschirr in den Geschirrspüler und verstaute die Reste sorgfältig in Plastikdosen, die er in den Kühlschrank stapelte. Er schüttelte betrübt den Kopf, als er hineinsah.
»Der ist aber immer noch ganz schön leer. Morgen kaufst du dir, was man so braucht, okay? Du hast heute wohl nur das besorgt, was du zum Kochen benötigt hast?«
»Ja ...«
»Willst du etwa weitermachen mit diesem Pulverzeugs?«, fragte er und sah auf einmal wütend aus. Sabine erschrak etwas.
»Ich ... ich weiß noch nicht ... um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass ich den Willen dazu habe«, stammelte sie.
»Den Willen ... oder das Verlangen? Willst du immer noch deinem Partner zu Gefallen dünn werden wie eine Bohnenstange?« Er sah sie finster an. In seinem Blick lag Enttäuschung.
»Für Sascha? Ach, nein. Deswegen nicht mehr. Ich ... ich weiß es selbst nicht. Ich gefalle mir so einfach nicht mehr.«
»Dann mach es so, wie alle sagen. Langsam. Kauf dir doch einen Hometrainer und stell den vor den Fernseher. Wenn du wirklich meinst, dass du abnehmen musst ... das muss jeder selbst wissen.«
Er kam aus der Küche zu ihr herüber. Inzwischen hatte Sabine den Weg ins Wohnzimmer geschafft und sich in die Couch plumpsen lassen. Jasper setzte sich neben sie.
»Du denkst also nicht, dass ich zu dick bin?«, fragte Sabine.
»Das habe ich dir doch schon gesagt. Du bist eine sehr hübsche Frau ...«
Sabine lachte traurig.
»Es ist nett, dass du das sagst, aber ich habe einen Spiegel. Ich weiß, dass ich ziemlich alt aussehe und ... und, naja, zu dick bin und zu reizlos.«
»Alt? Dick und reizlos? Wie kommst du nur darauf?« Entgeistert sah Jasper sie an.
»Nun ja ... Eine ehemalige Freundin von mir sieht ziemlich gut aus ... sehr schick und so ... und Sascha ...« Zögerlich erzählte Sabine von Britt und Sascha und fragte sich besorgt, ob sie damit nicht einen großen Fehler machte. Das war nicht unbedingt etwas, das man jemandem erzählte, in den man sich verknallt hatte. Aber Sabine wollte, dass Jasper alles erfuhr. Immerhin kam sie mit ziemlich großem emotionalem Gepäck in diese Freundschaft - oder vielleicht sogar Beziehung? - und Jasper hatte ein Recht, alles Wichtige zu erfahren. Und ihre Vorgeschichte war ja wichtig. Ohne Saschas Verrat wäre sie nie nach Tristø ausgewandert.
Jasper sah ziemlich schockiert aus.
»Das ist ja wirklich gemein!«
»Ja. Und ich war ein Dummkopf, ein Vollidiot, mich noch einmal auf ihn eingelassen zu haben«, murmelte Sabine beschämt.
»Na ja, das würde ich so nicht sagen. Bei Gefühlen kann jeder schwach werden und seine Prinzipien außer Acht lassen. Obwohl Svende und ich schon länger getrennt waren, sind wir vor zehn Monaten noch einmal im Bett gelandet«, gestand er, und Sabine fuhr ein glühender Stich durchs Herz.
»Oh.«
»Ja. Es war ein Fehler, das ist uns beiden klar.«
»Also liebst du sie noch?« Sabine sah von ihren Fingern auf, die sie ineinander gewunden hatte, dass sie knackten. Seine Antwort entschied nun, ob aus ihnen mehr wurde als Freunde. Und sie entschied darüber, ob Sabine die Nacht mit Heulen oder mit Vorfreude auf morgen verbrachte.
Jasper überlegte.
»Auf gewisse Weise werde ich sie wohl immer lieben, aber nicht mehr so, wie man seinen Lebenspartner liebt. Sie ist ein toller Mensch und ich werde sie immer sehr wertschätzen und sie als Freundin betrachten«, sagte er schließlich. Sabine wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war. Sie wunderte sich, dass Jasper, der sonst so geradeheraus war, so eine Wischiwaschi-Antwort gab. Das konnte unmöglich gut sein.
Zum ersten Mal erinnerte Jasper sie an Sascha. Der hatte ähnlich ausweichend geantwortet, wenn es um seine Exfrau Vera ging! Wieder fuhr Sabine ein Feuerpfeil mitten durch das arg gebeutelte Herz.
Muss mir denn immer die gleiche Scheiße passieren? , fragte sie sich verzweifelt.
»Oh«, seufzte sie nun, da Jaspers fragender Blick sie nötigte, irgendetwas zu sagen.
»Das heißt ja nicht, dass man nicht offen ist für etwas Neues«, erklärte er nun, »aber bevor man etwas Neues anfängt, muss das Alte abgeschlossen sein. Sonst kann das Neue nur schieflaufen. Außerdem ist es unfair. Hinter dem Rücken des Partners fängt man nicht eine neue Beziehung an.« Beschwörend senkte er seinen Blick in Sabines glasige Augen. Die verstand nur zu gut. Er fing also nichts an, bevor er nicht mit Svende ganz auseinander war. Und das schien noch nicht der Fall zu sein. Da waren noch Gefühle, über die er noch nicht ganz hinweg war. Schade.
Lohnte es sich, darauf zu warten? Vielleicht kam er ja nie ganz darüber hinweg? Und wenn er noch einen Versuch starten wollte? So wie Sascha? Was hatte der nicht alles angestellt, um sich mit Vera wieder zu versöhnen! Und am Ende hatte das ja sogar geklappt. Sabine erinnerte sich nur zu gut an den schrecklichen Tag, als sie Vera und Sascha am Strand entdeckt hatte. Lachend, flirtend, schmusend. Nun war es Jasper, der vor ihren Augen mit seiner Ex auf einer Decke saß und ihr glücklich lachend den Rücken mit Sonnenmilch einrieb. Wahrscheinlich war sie blond und hübsch.
Wie Britt.
Tränen schwammen in Sabines Augen.
»Hey«, sagte Jasper leise und ein wenig betrübt, »das muss dich nicht traurig machen. So ist es nun einmal. Das wird sich schon irgendwie regeln.«
»Von allein?«, nuschelte Sabine undeutlich und griff nach einem Taschentuch, in das sie kräftig trötete.
»Manchmal brauchen die Dinge eben ein wenig Zeit. In Gefühlsdingen ist es nie einfach, einen Schlussstrich zu ziehen. Da muss jeder erst den Punkt erreichen, an dem er die Kraft dazu findet. Egal, wie mies es vorher lief.« Verlegen tätschelte er Sabines Schulter. Die nickte nur. Sie wünschte sich, dass er nun ging. Sie konnte unmöglich heulen wie ein Schlosshund, wenn er dabei war. Zum Glück schien er das zu spüren.
»Ich gehe nun, okay? Morgen früh ... soll ich dich da abholen? Oder kommst du zu Fuß? Willst du denn noch mit dem Bohrhammer herumspielen? Oder soll ich das nicht lieber allein tun?«
»Ich komme morgen gegen sieben. Ist das okay?«, erwiderte Sabine undeutlich hinter ihrem Taschentuch.
»Sieben ist gut. Dann frühstücken wir noch zusammen. Keine Widerrede!«
»Okay, meinetwegen.«
»Gut, dann bis dann. Danke für das gute Essen.« Er zögerte und gab Sabine einen väterlichen Kuss auf die Stirn. Dann ging er.
Sabine heulte eine Weile. Mit seinem Bohrhammer herumspielen? Ob er das selbst tun sollte? Momentan gab es doch da niemanden und er konnte sowieso nur alleine damit spielen, oder kam Svende doch noch ab und zu und ging mit ihm ins Bett? Was war das nur, dass die Männer in ihrem Leben nie wegkamen von ihren Exfrauen?
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