»Rudi, ich habe da eine Idee, die uns beiden den Hals retten könnte. Ich schicke dir mal die ersten hundert Seiten. Die sind gut, das sage ich ohne Eitelkeit. Damit die Qualität nicht leidet, wenn ich hier die nächsten vier Wochen wie bekloppt auf meiner Tastatur herumhacke, könnten wir Folgendes machen: Der Verlag bringt das Buch zunächst mal als E-Book heraus, und zwar in zwei Teilen. Bis die den ersten Teil lektoriert, formatiert und ein ansprechendes Cover in Auftrag gegeben haben, bin ich mit dem zweiten Teil locker fertig. E-Books haben nämlich ein Problem: Die gibt es in sehr verschiedenen Preisklassen. Von neunundneunzig Cent bis über zwölf Euro habe ich da alles gesehen. Wenn der Verlag das Buch in zwei Teilen herausgibt, kann er im Grunde mehr Geld damit machen, weil er dann pro Teil um die fünf bis sechs Euro verlangen kann. Und der Leser kann selbst entscheiden, ob er den zweiten Teil überhaupt noch lesen will. Denn wenn man viel Geld für ein Buch ausgibt, und es gefällt einem nicht, dann ist man sauer. Gibt man aber wenig aus und hat dann die Option, noch einmal nur eine kleine Summe für den nächsten Teil auszugeben, hat man die Wahl und fühlt sich nicht über den Tisch gezogen. Was meinst du, lassen die sich darauf ein?«
Zum Glück schien Rudi gerade online zu sein, denn nur nach zehn Minuten, in denen Cecilia nervös die Finger ineinander wand, kam eine Antwort:
»Das ist eine interessante Idee, Cecilia. Ich drucke die hundert Seiten gleich aus und schicke die mit deinem Vorschlag rüber.Es wäre natürlich ungewöhnlich, wenn ein Buch zuerst als E-Book herauskäme und dann erst als gedruckte Version, aber - warum nicht? Wir leben ja im elektronischen Zeitalter. Vielleicht ist das sogar ein guter Werbegag. Mach dich aber auf harsche Kritik von Seiten deiner ergebenen Fans gefasst. Das sind überwiegend Papierleser.«
Cecilia atmete auf. Zwar war sie, wenn der Verlag darauf einging, nicht vollständig vom Haken, hatte aber sicher mindestens einen zweiten Monat. So schnell ging das mit dem Lektorat auch nicht, und dann noch die Marketingstrategie, das Cover ... ja, einen zweiten Monat würde das bestimmt bringen!
Schon etwas entspannter begann Cecilia, wieder zu tippen. Nach einer halben Stunde zuckte sie zusammen und wurde aus der blutigen, melancholischen Welt ihrer Vampire gerissen, als die Oma »Esseeeeen!«, brüllte.
Cecilia tippte noch in aller Ruhe den Satz ab, den sie im Hirn schon vorformuliert hatte. Das schien der Oma zu lange zu dauern.
»Cecilia! Hast du nicht gehört? Ess...«
»Sssscht! Sie hat doch gesagt, nicht stören!«, zischte Maja.
»Ja, aber das Essen wird doch kalt«, grummelte die Oma. Cecilia schüttelte kurz den Kopf und tippte weiter. Sie war gerade so gut drin.
Nach weiteren fünfzehn Minuten ging sie in die Küche herunter, ließ den Computer aber an. Sie hatte da eine neue Idee, die sie heute noch einbauen würde. Ein Vampir, der in seiner ewigen Verzweiflung über sein unwürdiges Dasein versuchte, sich selbst auf einem Jägerzaun aufzuspießen, war doch gewiss etwas ganz Neues!
Vorwurfsvoll sah die Oma auf, als Cecilia in die Küche kam. Es gab Wiener Schnitzel mit selbst gemachten Pommes frites. So viel Fettes und das auch noch abends!
»Es ist ja schön, dass du kochst, Oma. Es ist auch super, dass du mir das dann warmhältst, aber eins muss ich noch klarstellen: Es wird zukünftig nicht mehr so fett und schwer gekocht, schon gar nicht abends. Ich kann dann nachts nicht schlafen, und dick macht das Zeug auch. Außerdem ist es ungesund.«
»Aber ab und zu ...«
»Ab und zu ist das okay, aber du kochst fast jeden Tag so. Und bitte dann ausschließlich mittags. Abends möchte ich lieber nur ein Brot oder meinetwegen Salat. Oder eine leichte Gemüsepfanne.«
Die Oma presste die Lippen zusammen. Auf einmal mischte sich Maja ein.
»Wie wäre es denn, wenn es das fette Zeugs nur sonntags zum Mittag geben würde? Das wäre doch ein Kompromiss! Vor allem, weil Cecilia jetzt sowieso keine Zeit mehr zum Kartoffelschälen oder Einkaufen mehr hat. Und unter der Woche essen wir mittags nur eine Kleinigkeit.«
Die Oma sah Cecilia und Maja mürrisch an.
»Ich koche eben gern ...«
»Und auch sehr gut Oma, wirklich. Es geht nur nicht auf Dauer so weiter. Du bist doch auch nicht die Schlankste. Deinem Rücken würde es viel besser gehen, wenn er nicht so viel Gewicht mit sich rumschleppen müsste.«
»Und meinem auch«, murmelte Maja.
»Wenn ihr wüsstet, wie es ist, zu hungern! Wenn ihr den Krieg mitgemacht hättet, würdet ihr auch froh sein über jede schön gekochte Mahlzeit!«
»Von Hungern redet ja keiner. Es gibt auch sehr leckere fettarme Mahlzeiten. Und es muss auch nicht jeden Tag Fleisch geben. Das ist nun wirklich nicht gesund!«, erklärte Cecilia sanft. Innerlich begann sie zu brodeln. Das hier war ihr Haus, musste sie denn jede ihrer Regeln rechtfertigen? Musste es nicht reichen, wenn sie sagte: nein, so nicht?
»Also ist von nun an Schmalhans Küchenmeister«, grollte Oma Heidi wenig begeistert.
»Wenn du es so ausdrücken willst. Aber denk mal an deine Gesundheit. Hat der Arzt nicht gesagt, du hättest zu hohen Blutdruck?«
»Ach, die haben doch immer was zu meckern! Sonst könnten die ja auch keine Rechnungen schreiben!«
»Nimmst du gar nichts dagegen?«
»Doch, schon.«
»Tja, wenn du etwas abnehmen würdest, bräuchtest du vielleicht keine Blutdrucksenker mehr zu nehmen, meinst du nicht?« Cecilia kam schon wieder eine Idee: ein Vampiropfer, das seine Blutdrucksenker absetzen konnte, weil es jede Nacht ausgesaugt wurde. Das gab der Geschichte Würze.
»In meinem Alter braucht man sich da nun wirklich keine Gedanken mehr drüber zu machen. Meinst du im Ernst, ich fange mit über achtzig noch eine Diät an?«, fragte die Oma geringschätzig.
»Diät vielleicht nicht, aber deine Ernährung könntest du ruhig noch umstellen. Wer weiß, vielleicht lebst du dann länger und wirst hundertzwanzig«, grinste Cecilia.
»Das will ich gar nicht. Lieber früher abtreten und vorher richtig gelebt haben. Willst du mir die letzten paar Jahre tatsächlich noch mit Salatblättern vermiesen?«
»Mach, was du willst, aber dann koch nur für dich. Maja und ich wollen noch eine Weile leben, und das, ohne dass man uns irgendwann aus dem Haus hier rausschneiden muss, weil wir nicht mehr durch die Tür passen«, knurrte Cecilia.
»Nur für mich kochen?«, protestierte Oma Heidi, aber Cecilia winkte ab. Das Thema war für sie erledigt.

Sabines Defizite, Lorena und Gabi, Maja packt die Koffer
Sabine hatte ganz vergessen, wie angenehm es war, mit einem Mann einkaufen zu gehen. Oder vielmehr, wie angenehm es sein konnte . Sascha raste ja nur noch durch die Gänge, kaufte strikt lediglich das, was auf seinem Zettel stand und bugsierte den Wagen schon zur Kasse, während Sabine mit allen anderen Sachen, die sie auf den Armen balancierte, hinter ihm herkeuchte. Das war nicht angenehm und nervte sie schon seit geraumer Zeit. Das war früher ganz anders gewesen. So wie jetzt mit Jasper.
Jasper schlenderte mit ihr durch den Supermarkt und hatte nichts dagegen, ausgiebig mit Sabine darüber zu diskutieren, ob Zucchini oder gebratene Paprika die bessere Beilage wären zu dem Schweinenackenbraten, den Sabine gerne machen wollte.
»Im Römertopf. Kochst du auch im Römertopf?«, fragte Sabine.
»Eigentlich bin ich beim Kochen eher anspruchslos. Ich brate mir vielleicht mal ein paar Schnitzel oder ein Omelett, aber dass ich einen Braten in die Röhre schiebe, kommt eher nicht vor.«
Читать дальше