Ohne Maja oder die Oma, die aus der Küche gerollert kam, anzusehen, raste Cecilia aus dem Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
Zombies auf Speed, Rudi ist sauer, Cecilia schenkt ein
Lorena erwachte zu den Klängen eines Akkordeons. Verwirrt hob sie den Kopf und brauchte erst einmal mehrere Sekunden, bis sie wusste, wo sie war. Erleichterung überkam sie. Spanien, sie war in Spanien! Nicht mehr im tristen Deutschland, wo die vielen Probleme und die Sorgen um Jacqueline sie niederdrückten.
Langsam setzte sie sich auf und stöhnte. Tagsüber schlafen war tödlich. Ihr Kopf schmerzte und ihr Gehirn weigerte sich, sein Betriebssystem hochzufahren.
Lorena tappte zum Balkon herüber und trat vorsichtig nach draußen. Es dämmerte bereits. Hoffentlich hatte sie das Abendbrot nicht verpasst, denn sie verhungerte beinahe. Tief sog sie die frische Luft in ihre Lungen. Hinter den Bahngleisen hörte sie das Meer rauschen. Palmen schaukelten sanft im Wind. Ihre Lebensgeister erwachten.
Schnell huschte sie ins Bad und nahm eine Dusche. Unangenehm berührt stellte sie fest, dass das Wasser stark gechlort war. Der Geruch stieg ihr sofort in die Nase. Hoffentlich griff es ihr Haar nicht an, denn seit sie es wachsen ließ, war es sehr viel anfälliger für Spliss und musste ständig gepflegt werden.
Lorena trocknete sich ab, cremte sich sorgfältig ein, parfümierte sich und zog sich ein kurzes geblümtes Kleid an. Dann noch das Make-up, das so viele kleine Alterungserscheinungen verbarg, Handtasche, Zimmerschlüssel und ab in den Fahrstuhl.
Es gab noch etwas Essbares, wie sie erleichtert feststellte. Am Büfett stellte sie sich einen Salat zusammen und ließ sich vom Kellner ihren Tisch zeigen. Seine braunen Augen glitten anerkennend über ihre Figur. Aber Lorena war auf keinen Flirt aus. Sie brauchte einfach einen Tapetenwechsel.
Ein Getränkekellner schob seinen üppig bestückten Wagen, in denen die kleinen Flaschen und Gläser klirrten, an ihren Tisch, lächelte über das ganze Gesicht und rief fröhlich »Hola!« Dann folgte ein Schwall Spanisch, begleitet von ausladenden Gesten. Der Schwall ergoss sich über Lorena, die hilflos blinzelte.
Der Kellner beendete seine Rede und fügte etwas an, das wie eine Frage klang.
»Äh ... Cola ...?«, stammelte Lorena in der Hoffnung, die Frage habe mit ihren Getränkewünschen zu tun.
Das Lächeln des Kellners schwand etwas. Offensichtlich hatte er Lorena für eine Spanierin gehalten und etwas ganz anderes gefragt.
»Cola«, nickte er resigniert und öffnete eine kleine Flasche, die er vor sie hinstellte.
»Gracias«, lächelte Lorena. So viel Spanisch beherrschte sie gerade noch.
Mit hängenden Ohren zog der Kellner ab. Lorena beobachtet die wenigen anderen Touristen. Der Speisesaal leerte sich bereits. Die meisten schienen mit ihrem Partner hier zu sein, alleine saß eigentlich keiner am Tisch.
Nachsaison, dachte Lorena, wie gut, dass ich nicht zur Ferienzeit hierhergekommen bin. Das wäre wohl eher etwas für Jacqueline. Es gab ihr einen Stich. Erst schob sie Jacky ab, dann fuhr sie einfach für eine Woche weg.
Nein, damit will ich mich jetzt nicht belasten! Entschlossen schob sie alle Schuldgefühle weit von sich.
Nach dem Essen bepackte Lorena eine kleine Handtasche mit Geld und Make-up, Taschentüchern und Kondomen und schlenderte mit den anderen Touristen auf der Promenade entlang. Schon bald steckte man ihr einen Flyer zu und drängte sie doch, in diese Disko oder jene Bar zu kommen.
Lorena zögerte. Sie stand nämlich vor einer dieser Diskos und sah eigentlich nur relativ junge Leute hineingehen. Die waren so um die Zwanzig, hatten noch keine Kinder und mussten daher nicht in den Sommerferien herkommen. Die gingen jetzt unzweifelhaft da rein, um ordentlich abzufeiern und sich eventuell eine schnelle Nummer zu suchen.
Trotzdem ging auch sie hinein. Zwar beäugten die Typen am Eingang sie etwas kritisch, aber sie lächelten auf jene kalte Art, die Lorena schon früher an anderen Urlaubsorten bemerkt hatte. Wahrscheinlich sahen die Nacht für Nacht alberne Angetrunkene, die sich mit Hinz und Kunz am Strand im Sand herumwälzten. Da verlor man wohl jeden Respekt.
Drinnen war es halbdunkel, indirekt beleuchtet und noch nicht allzu laut. Lorena setzte sich an einen Glastisch, der von unten beleuchtet wurde und bestellt sich einen Sex on the Beach. Das passte am besten, jedenfalls vom Namen her.
Es füllte sich langsam und Lorena atmete etwas auf, als sie auch ein paar Leute über dreißig hereinkommen sah. Drei Frauen setzten sich gerade an den Nebentisch und nickten ihr freundlich zu. Lorena lächelte zurück. Schon bald saßen sie alle zusammen.
»Wir müssen doch zusammenhalten«, erklärte die Älteste, die aber zu Lorenas Leidwesen erst einunddreißig war.
»Ich bin Ilona, das Ist Gabi und da drüben an der Bar steht Gitta, auch Gitti genannt.« Lorena nickte allen freundlich zu. Stille trat ein. Es war immer schwer, wenn man neu in eine Gruppe kam, die sich gut kannte.
Lorena drosch freundliche Konversation und gab eine Runde Cocktails aus. Die waren richtig teuer, aber es lohnte sich trotzdem. Denn nach dem Dritten saß sie in einer kichernden Runde, die die hereinkommenden Männer beäugte.
»Der hat ja `n Gesicht zum Draufsetzen«, hickste die schüchterne, bebrillte Gitti lautstark und kniff dem Kellner, der eine vierte Runde brachte, kräftig in den knackigen Po. Er starrte Gitti zwar erschrocken an, nahm die Sache aber mit Humor. Er hob den Zeigefinger und schüttelte ihn mahnend, zwinkerte Gitti zu und verschwand schnell aus ihrer Reichweite.
»Gitti, du bist und bleibst `ne alte Sau«, lachte Ilona. Sie wandte sich schwerfällig Lorena zu und brüllte ihr durch die hämmernden Techno-Beats ins Ohr: »Du würdest der das nie zutrauen, aber die veranstaltet Dildo-Partys!«
Gitti errötete und kicherte, Gabi lachte und Lorena grinste.
»Na und? Was ist schon dabei? Ein Dildo ist der beste Freund der Frau!«
»Also, ich verkaufe aber nicht nur Dildos«, protestierte Gitti hochrot im Gesicht, »auch Dessous und so.«
»Gib’s zu, am meisten werden Dildos bestellt!«, gluckste Gabi.
»Und du, Lorena? Was machst du so?«, lenkte Ilona ab, denn Gitti schämte sich komischerweise ganz furchtbar. Wie machte die das dann auf den Partys? Trugen da alle Papiertüten auf dem Kopf?
»Ich? Ich habe meine siebzehnjährige Tochter zu meinen Eltern abgeschoben, weil ich mit ihr nicht mehr klarkomme, fange in wenigen Wochen einen neuen Job an, den ich mir von meinem früheren Chef erpresst habe, und bin in einen Kerl verknallt, der verheiratet ist und ihn im Swingerclub nicht hochkriegt«, lallte Lorena.
Stille. Alle starrten Lorena offenen Mundes an.
»Also, wir haben ja alle so unsere Problemchen, aber du toppst alles!« Ilona hob ihr Glas.
»Das musst du uns alles doch etwas genauer erklären, Lorena, ich glaube, das habe ich jetzt nicht alles auf Anhieb verstanden«, erklärte Gitti mit schwerer Zunge. Gabi guckte nur ungläubig aus der Wäsche.
Lorena hatte normalerweise nichts dafür übrig, Fremden ihre intimsten Geheimnisse und Probleme anzuvertrauen, aber heute war ihr alles egal. Sie sah die Drei hier sowieso nie wieder. Sie bestellte noch eine Runde und erklärte den verdutzten Frauen alles haarklein.
»... Und jetzt muss ich dauernd an ihn denken«, klagte sie, »das ist mir seit Rüdiger nie mehr passiert! Ich frage mich, was er jetzt gerade macht und ob er sauer auf mich ist ... »
»Der ist bestimmt eher sauer auf sich selbst«, meinte Gabi und rührte mit dem Strohhalm in ihrem Caipirinha herum. »Da hat er die Gelegenheit, mit einer attraktiven Frau zu schlafen, und nimmt sie nicht wahr. Das muss ihn doch ärgern!«
»Und seine Frau hätte nicht mal was dagegen«, fiel Gitti ein. »Davon träumen doch alle Männer!«
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