Gerade als der Hauptmann seine Leute anweisen wollte Holz für ein Lagerfeuer zu sammeln, drang das Geräusch von Pferdehufen an seine Ohren. Drei Pferde trabten hinter einem Felsen hervor. Zwei der Männer saßen aufrecht in ihren Sätteln. Einer lag auf seinem Reittier.
Der Kommandant stand auf und ging dem Dreiergespann entgegen. Als sie vor ihrem Befehlshaber standen, stiegen Händler und Gelehrter ab. Bedächtig zogen sie Fischer von seinem Pferd und stützten ihn, einer jeweils an jeder Seite. So bezogen sie vor ihrem Hauptmann Stellung. Fischers Oberkörper und Hals waren mit zahllosen Bandagen überzogen. Nur mit Mühe konnte der Verletzte die Augen offen halten. Der Hauptmann wartete nicht auf ihre Meldung.
„Was ist passiert?“
Beide zögerten. Dann begann Händler zu sprechen.
„Wir haben den Mann gefunden, dessen Spuren wir verfolgt haben. Er war vermutlich ein Söldner. Als wir versucht haben ihn zu stellen, hat er Fischer im Kampf lebensgefährlich verletzt. Wir mussten den Rückzug antreten. Der Kerl war ein außerordentlich guter Kämpfer.“
Wieder zögerte Händler, doch dann sprach er aus, worauf alle am Lagerplatz ungeduldig gewartet hatten.
„Der Mann hatte kurzgeschorenes, blondes Haar und dunkelblaue Augen. Wir haben den falschen verfolgt.“
Die Entrüstung der Soldaten war ihnen anzusehen. Einige ließen nur kaum merklich den Kopf sinken, andere donnerten mit ihrer Faust auf den Boden, wieder andere, wie der Hauptmann und Kommandant der Truppe, ließen sich nichts anmerken.
Der Bauer den Fischer also verhört hatte, war wirklich unwissend gewesen. Um seinen Hals zu retten, hatte der alte Mann ihnen einfach irgendwas erzählt. Zwei Möglichkeiten, zwei Wege. Er hatte ihnen den falschen genannt. Der Kommandant hätte es wissen sollen. Sein Ärger darüber ließ sich kaum in Worten ausdrücken. Hätten sie den anderen Weg genommen, so wären sie wahrscheinlich schon lange auf ihre Beute getroffen.
Der Hauptmann sog scharf die Luft ein. Ein „Was-wäre-wenn“ brachte überhaupt nichts. Sie mussten zur Scheune zurück und erneut mit der Suche beginnen. All die Arbeit der vergangenen Tage war nutzlos gewesen. Am schlimmsten war jedoch, dass sie dies alles dem ungestümen Verhalten von Fischer zu verdanken hatten. Hätten sie ihre Tarnung zur Befragung des Bauern verwendet, wie von ihm beabsichtigt, wären sie nicht auf eine falsche Fährte gelockt worden.
Der Kommandant trat einen Schritt näher an die Überbringer der schlechten Nachrichten heran. Er begutachtete den Verband von Fischer. Der einbandagierte Soldat hing einfach nur in den Armen seiner Kameraden.
„Habt ihr ihn so verbunden?“
Diesmal meldete sich Gelehrter zu Wort.
„Jawohl, Kommandant. Es hat etwas gedauert, aber wir denken er ist über den Berg. Momentan wird er erstmal nicht in der Lage sein Rüstung und Waffe zu tragen. Wir hätten früher Kontakt aufgenommen, aber Fischers Verletzungen machten schnelles Reiten unmöglich. Deswegen sind wir auch zu spät hier eingetroffen.“
Der Kommandant nickte. Langsam führte er sein Gesicht nahe an das des Verletzten und blickte ihm tief in die Augen. Die Augen von Fischer weiteten sich als er in den Augen des Hauptmannes lesen konnte, was in erwartete.
Mit einer schnellen Bewegung zog der Kommandant seinen Dolch und rammte ihn Fischer tief in die Brust. Die Klinge bohrte sich durch den Brustkorb direkt in das Herz des Soldaten. Der Befehlshaber hatte keinen Zweifel daran, dass der Stich tödlich war. Er hatte bereits genug Menschen so getötet um das zu wissen.
Händler und Gelehrter standen wie erstarrt da, ihre Gesicherter eingefroren, als Fischers Körper lautlos erschlaffte. Der Kommandant zog die blutige Klinge aus Fischers Brust und wischte sie sorgsam an den Kleidern des Toten ab. Bedächtig verstaute er die Waffe wieder unter seiner Bauerstracht.
„Eure Mühe hättet ihr euch sparen können. Lasst die Leiche mitsamt Waffen und Rüstung verschwinden. Nehmt ihm nur seinen Dolch ab.“
Der Hauptmann machte kehrt und machte sich auf dem Weg zu seinem Pferd. Stille lag über der Truppe. Nur das Schnauben eines Pferdes war zu hören. Gerade als er Gelehrter und Jäger ob ihres Schweigens zurechtweisen wollte, schaffte es dann doch einer der beiden sein Stimme wieder zu finden.
„Jawohl, Hauptmann. Wird erledigt.“
Mit einem zackigen Salut der jeweils freien Hand bestätigten beide den Befehl. Im Augenwinkel konnte der Hauptmann sehen wie die beiden den leblosen Körper zu einem kleinen Waldstück in der Nähe schleiften.
Insgeheim dankte er Fischer dafür, dass er ihm einen Grund geliefert hatte ihn zu exekutieren. Er hatte diesen undisziplinierten Dummkopf von Anfang an als unnützes und vor allem lästiges Risiko angesehen. Seine Entscheidung ihn zu töten war dennoch eine rationale gewesen. Sie konnten sich keine weiteren Verzögerungen mehr leisten. Ihr kleiner Ausflug in die falsche Richtung, welcher nebenbei auch Fischers Schuld gewesen war, hatte sie wichtige Tage gekostet. Die Spur war zusehends am erkalten und Fürst Erised wurde ohne Zweifel bereits ungeduldig.
Ohne Grund hätte er Fischer jedoch nicht töten können. Schließlich sollte kein guter Hauptmann unter seinen Männern den Ruf eines willkürlichen Schlächters tragen.
„Los Männer, bereitmachen zum abreiten. Und lasst euch Fischers Schicksal eine Lehre sein. Unnötiger Ballast wird nicht akzeptiert.“
Mit einem Ruck kam Bewegung in die Soldaten. Es schien als wären sie diesmal schneller als normalerweise. Der Hauptmann machte sich gemächlichen Schrittes auf den Weg zu seinem Pferd. Er war immer fertig zum Abritt.
Als er in den Sattel stieg, konnte er Jäger und Gelehrter aus dem Wald hasten sehen. Sie wussten, dass sie unter Zeitdruck standen. Ab nun galt es keine Fehler mehr zu machen. Der Hauptmann hob die Hand. Unverzüglich sammelten sich die nun berittenen Soldaten hinter ihm. Auch Jäger und Gelehrter saßen bereits in ihren Sätteln.
„Aufteilen in Dreiergruppen! Gelehrter, Jäger, ihr reitet diesmal zu zweit. Zurück zur Scheune!“ Beinahe noch bevor er seinen Befehl fertig gebellt hatte, stob die Gruppe der Berittenen auseinander. Allesamt mit grimmiger Miene und halsbrecherischem Tempo. Zurück blieben ein leerer Platz und eine Wolke aus Staub.
Fürst Erised versuchte noch das Buch aufzufangen, doch vergebens. Stur setzte es seinen Weg fort und klatschte auf den mit rotem Samt ausgelegten Boden. Wütend trat der Landesfürst das dumme Ding in die Ecke seines Arbeitszimmers.
Der Foliant war ihm entglitten als eine seiner mentalen Verbindungen zu seiner Elitetruppe gerissen war. Ein paar schnelle Schritte brachten ihn an das Fenster des Zimmers. Mit seinen Händen stützte er sich am Fenstersims ab und starrte in die Ferne. Das Wetter war bemerkenswert gut für diese Zeit im Herbst. Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont zu und tauchte die Steppen Regnads in warme Rottöne. Auch die eigewebten Silberfäden in Eriseds dunkelgrüner Robe begannen im Abendlicht zu schimmern.
Der Landesfürst schenkte dem keine Aufmerksamkeit. Sein Blick schweifte gegen Süden, wo Evif lag. Aufgrund der mentalen Verbindungen, welche er zusätzlich während der Gedankenübertragung mit seinen Elitesoldaten gesponnen hatte, vermutete er seine Untergebenen irgendwo in dieser Richtung. Was sie genau dort machten und wie die Lage stand, konnte er jedoch nicht einmal erahnen. Die Zeit, um die geistige Verbindung zu schaffen, war damals zu kurz gewesen. Außerdem hatte er seine Soldaten auch noch mit einem Fluch belegt.
Zischend stieß Erised Luft durch seine Nase aus. Damals hätte er auch keine engere Verbindung gewollt, da dies zu anstrengend gewesen wäre. Schon jetzt empfand er diese kleinen Bänder, welcher er mit dem Geist seiner Elitesoldaten geknüpft hatte als überaus lästig. Sogar während er schlief, konnte er sie spüren.
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