Staunend beobachteten die vier Zuschauer den Tanz der Flammen. Mittlerweile hatte Erif aufgehört weitere Funken zu erschaffen, da ohnehin die Anzahl an Flammen beinahe unüberschaubar für sein Auge war. Doch er hatte zu jeder der kleinen Flammen ein geistiges Band geknüpft. Er brauchte sie nicht zu sehen, er fühlte sie. Nach einer Weile beschloss er, dass es genug war. Sein reiner Wille löste das Muster der Flammen und führte sie zu einem großen Feuerball zusammen. Kreiselnd dirigierte Erif den feurigen Ball unter Einsatz seiner Hände und seines Willens zum Himmel hinauf wo er am Ende einfach verpuffte.
Als er die Hände sinken ließ, fühlte er sich tief entspannt. Kurz überprüfte er seinen Vorrat an magischer Energie. Das kleine Spektakel hatte ihn kaum Kraft gekostet. Das überraschte ihn kaum, angesichts der Schlichtheit des Zaubers. Was ihn dagegen verwunderte war, dass er das Feuer zum Teil mit seinen Gedanken anstatt mit Laut oder Geste gesteuert hatte. Ein Blick zur Seite bot ihm ein äußerst erheiterndes Bild. Der Kapitän und seine Söhne starrten gemeinsam und mit offenem Mund in den Himmel.
„DAS war es.“
Die Vier begannen begeistert zu applaudieren. Nachdem der Kapitän den Beifall für genug empfand, scheuchte er seine Söhne wieder an die Arbeit. Erif atmete tief durch und dankte den Göttern, dass er bei dem Schauspiel nicht das Schiff abgefackelt hatte. Nachdenklich ließ er den Blick über das Wasser des Revirs sinken. Diese Harmonie und der Einklang mit seinen magischen Kräften waren neu für Erif. Er hatte das Gefühl gehabt, als kontrollierte er alles ohne die Magie zu zwingen und als würden ihm zahlreiche Möglichkeiten offenstehen seine Energien einzusetzen. Sie waren wie fest verschlossene Türen, bei denen er durch das Schlüsselloch gespäht hatte. Er fühlte, dass er sie öffnen konnte. Die Frage war nur wie . Seine Gedanken schweiften zurück zu den Schreien der Banditenhorde. Ihm fröstelte . Vielleicht sollten diese Türen besser versperrt bleiben.
Seufzend richtete er den Blick zum Himmel. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu und tauchte den Himmel in ein abendliches Orange. Trotz dem Flammentanz, den er soeben gewoben hatte, traute er seinen Fähigkeiten nicht. Nach wie vor würde er für die nächste Zeit versuchen ohne Magie auszukommen. Sein Beschluss stand fest. Erst nachdem er den geheimnisvollen Schleier, welcher den Phönix umgab, lichten konnte, würde er wissen, was mit ihm geschehen war. Davon war er fest überzeugt.
Wieder riss ihn der Kapitän mit einem Klaps auf die Schulter aus seinen Gedanken.
„Na das nenn ich ja mal eine Vorstellung. Sowas sieht man nicht alle Tage. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich etwas neidisch bin. Weißt du, als Kind wollte ich auch unbedingt Zauberer werden, aber meine Eltern konnten es sich nicht leisten, mich auf eine Magierschule zu schicken. Außerdem musste ich schon als Kind auf unserem Hof arbeiten. Ich kann froh sein überhaupt schreiben gelernt zu haben. Mein Vater konnte das nämlich nicht. Auch meine Mutter hat da ein paar Schwierigkeiten damit gehabt…“
Erif nickte höflich und unterbrach den Kapitän selten. Der Mann hatte bei ihrem ersten Treffen bereits angedeutet nicht viel Gesellschaft zu Gesicht zu bekommen. Während der Kapitän seine gesamte Lebensgeschichte vor Erif ausbreitete, senkte sich langsam die Nacht über das Land. Die Kinder des Kapitäns hatten Laternen auf dem kleinen Deck entzündet und trugen Höcker und einen kleinen Holztisch aus dem Laderaum. Der Kapitän bedeute Erif sich zu setzen, ohne sich dabei in seinem Redefluss stören zu lassen.
Langsam wurde es mühsam dem alten Mann zu folgen. Immer wieder schweiften Erifs Gedanken ab. In der Zwischenzeit richteten die Söhne das Abendmahl an. Sie verteilten runde Bretter und kleine Messer auf dem Tisch und platzierten in der Mitte des Tisches, ebenfalls auf einem Holzbrett, einen Berg an Essen. Erif lief das Wasser im Munde zusammen. Sowie der Geruch des Essens in seine Nase stieg, begann sich der Hunger zu melden. Auf dem Brett lagen Brote, verschiedene Käse- und Wurstsorten, Gemüse, als auch herrlich duftendes Fleisch. Der Kapitän grinste.
„Na los, haut rein.“
Alle langten fast gleichzeitig nach den Speisen. Es stellte sich eine angenehme Ruhe ein, welche nur vom gelegentlichen Schmatzen seiner Gastgeber durchbrochen wurde. Erif störte sich nicht daran und machte sich genüsslich über das Essen her. Nachdem der schlimmste Hunger besänftigt war, wurden neue Gespräche geführt. Diesmal redeten auch die drei Söhne des Kapitäns mit. Vor allem interessierten sie sich für Erifs Leben und wo er gelernt hatte zu Zaubern. Bereitwillig beantwortete Erif ihre Frage, wobei er jedoch alle Ereignisse, welche mit dem Phönix in Verbindung standen oder ihm besonders unangenehm waren, verschwieg. Manche Dinge sollte man besser für sich behalten. Am Ende hätten sie ihm vielleicht ohnehin nicht geglaubt. Schließlich hatte nicht einmal er von ähnlichen Wesen in der heutigen Zeit gehört.
Als sie mit dem Essen fertig waren und noch eine ganze Weile über die verschiedensten Dinge des Lebens geredet hatten, begann sich die Müdigkeit unter der Gruppe bemerkbar zu machen. Einer der Söhne führte Erif unter Deck in den Laderaum und wies ihm den Weg zu seinem Nachtquartier. Erifs Schlafplatz war wenig beeindruckend. Er bestand aus einem Haufen Stroh und einer Decke. Für ihn war es jedoch ausreichend. Er hatte schon so oft auf Stroh oder Erde geschlafen, dass er sich fast schon daran gewöhnt hatte. Gähnend verabschiedete sich der Kapitänssohn und hinterließ Erif noch eine kleine Laterne. Nahe seiner Schlafstätte waren die Boxen aufgebaut. Sein alter Hengst schnaubte freudig als er ihn erkannte.
Erif schlenderte mit einem lauten Gähnen zu seinem Gaul hinüber. Der Kapitänssohn musste ihn wohl angesteckt haben. Er tätschelte den Kopf des Tieres und fuhr ihm durch die Mähne. Der Fuchs blähte entspannt seine Nüstern. Die Kerze in der Laterne warf tanzende Schatten an die Wände des kleinen Laderaumes. Das Korn war bis zur Decke des Laderaumes aufgestapelt. Nur noch wenig Platz war für Erif und sein Pferd übrig. Das dämmrige Licht der kleinen Laterne gab Erif den Rest.
Müde schritt er zu seinem Strohhaufen und legte sich zur Ruhe. Bevor er einschlief, schaffte er es noch die Kerze in der Laterne auszublasen. Bei dem Geruch des Strohs fühlte er sich an die Zeit in der Scheune mit Dneirf erinnert. Dann holte ihn der Schlaf.
Die Nacht verlief traumlos für Erif. Als er am nächsten Morgen das Deck wieder betrat, herrschte schon reges Treiben. Die Sonne stand bereits am wolkenlosen Himmel. Seine Gastgeber widmeten sich voll und ganz ihren Arbeiten. Der Kapitän besserte gerade ein Stück an der Reling aus, als er Erif bemerkte. Mit einem strahlenden Lächeln winkte er Erif heran und deutete auf den kleinen Tisch, der noch vom Vorabend an Deck stand.
„Morgen. Wenn du Hunger hast, dann bedien dich. Wir haben dir noch was übrig gelassen.“
Erif bedankte sich und ging zu Tisch. Das Frühstück bestand im Grunde aus den Resten der Nacht davor. Ob sie das Essen wohl über Nacht an Deck gelassen hatten? Zögerlich kostete Erif ein Stück Käse und biss in das Brot. Das Brot war hart, doch der Käse schmeckte nach wie vor vorzüglich. Wenn kümmerte es schon, ob die Speisen die Nacht an Deck verbracht hatten. Da ihm das Essen vom Vortag noch im Bauch lag, fiel das Frühstück eher bescheiden aus.
Nachdem er mit dem Essen fertig war, gesellte er sich zum Kapitän. Der Mann hämmerte Nägel in die Reling.
„Und? Wie war die Nacht.“
„Ich kann mich nicht beklagen.“
Der Kapitän hob den Blick und ließ ihn den Flussverlauf entlang schweifen. Das nächste Dorf kam in Sicht. Die Siedlung war größer, als die jene, die Erif bisher passiert hatte. Erif konnte in der Ferne die Bauern auf ihren Feldern arbeiten sehen. Es schien als würden sie den letzten Rest der Ernte einholen.
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