Der Tag verflog in Windeseile und so verhielt es sich auch mit den kommenden Tagen. Die Landschaft wandelte sich dabei. Die kleinen Wälder machten immer mehr der Steppe Platz, bis ein Baum zu einer Seltenheitserscheinung wurde.
Nachdem er sich nach so langer Zeit ein wenig unbeholfen im Sattel gefühlt hatte, fühle er sich nun wieder sicher auf dem Pferd. Seine Reiseroute hielt Erif neben dem Revir. Erst später war es notwendig ihn zu überqueren. Mehrere Dörfer hatten sich neben dem Revir angesiedelt. Die meisten bestanden nur aus wenigen Häusern, allerdings lösten, mit abnehmendem Waldanteil, immer mehr grobe Steinbauten, die Holzbauten ab.
In den Dörfern erkundigte er sich nach Soldaten in der näheren Umgebung. Aber außer den kleinen Soldatentrupps des Landesfürsten von Owt und gelegentlich der Soldaten des Hochkönigs wollte niemand etwas gesehen haben. Nebenbei frischte er gelegentlich seinen Proviant auf. Eines Abends hatte Erif sich die Zeit genommen, das Geld von Dneirf zu zählen. Es war doch mehr als er anfangs angenommen hatte. In nächster Zeit dürfte er also keine Geldnot leiden. Sobald er dazu in der Lage war, beschloss Erif, würde er seinem Freund das Geld zurückzahlen. Doch solange er auf Reisen war, konnte er vorübergehend keiner geordneten Tätigkeit nachgehen um das nötige Geld zu verdienen.
Während dieser Tage übernachtete Erif öfters in den Dorftavernen oder, wenn kein Dorf in der Nähe war, unter freiem Himmel. Es war Ende Sommer und die Nächte begannen langsam abzukühlen, weswegen er ein Lagerfeuer entzündete wann immer er genug Holz dafür fand. Auch an diesem Abend hatte er wieder das Glück ein bisschen Feuerholz zu finden. Er musste dazu allerdings einige Äste einer einsamen Weide abbrechen.
Das Feuer zu entzünden, fiel ihm diesmal schwer. Die abgebrochenen Äste waren frisch und voller Feuchtigkeit. Mit seinen Feuersteinen, welche er in einem der Dörfer erstanden hatte, ließ sich schlichtweg kein Funke erzeugen, der heiß genug war um die Zweige in Brand zu stecken. Es hatte einfach keinen Sinn.
Erif verstaute die Feuersteine in seiner Satteltasche und ging zurück zur Feuerstelle. Sein Pferd hatte er an den Stamm der Weide gebunden. Der Feuerplatz lag etwas abseits des Baumes um zu verhindern, dass er Feuer fing. Momentan schien es aber, als wollten nicht einmal die Zweige der Weide in Flammen aufgehen. Erif setzte sich im Schneidersitz vor den Zweighaufen und verschränkte die Arme. Dann kam ihm eine Idee.
Zögerlich streckte er seine Hand aus. Seine Handfläche wies zum Nachthimmel. Er griff nach seiner magischen Energie. Es dauerte nicht einmal einen Herzschlag und schon war sie bereit Form anzunehmen. Nicht nur dass sie so unheimlich schnell abrufbar war, nein, Erif spürte auch einen immensen, unerschöpflich wirkenden Vorrat an Energie. Seine gegenwärtige magische Verfassung verblüffte ihn. Es war kein Vergleich zu seinem früheren Zustand. Seine Stärke war um ein Vielfaches angestiegen.
Es gab Geschichten über Flüche, welche die Macht eines Zauberers schnell ansteigen ließ, nur damit sie sich dann gegen ihn wandte. War er Opfer eines solchen Fluches geworden? Nein, das konnte nicht sein. Sonst hätte seine Kraft stetig wachsen müssen. Er war sich dennoch sicher, dass er über dasselbe Potential auch schon bei dem Gefecht mit den Räubern verfügt hatte. Seine Kräfte waren sprunghaft angestiegen, nicht langsam.
Diese Entwicklung fand er zwar einerseits beunruhigend, aber er konnte nicht abstreiten, dass er auch eine gewisse Freude und Aufregung empfand.
Erif fokussierte die Energie an seiner Handfläche und rief sich die Erscheinung von Feuer in Gedanken. Nichts geschah. Er konzentrierte sich stärker und versuchte eine Flamme zu erschaffen. Das Flackern des Feuers, die Hitze, die Kraft etwas zu verbrennen. All das versuchte er magisch zu verweben. Nichts. Entmutigt ließ er den Arm sinken. Erif war verwundert. Das letzte Mal hatte er beinahe unbewusst Feuer entstehen lassen und das ohne Mühe. Er erinnerte sich an die tosenden Feuerwalze und ihre vernichtende Kraft. Die Bilder erschienen förmlich vor seinem geistigen Auge. Er konnte die Flammen fühlen.
Ohne Vorwarnung entstand zischend in Erifs Hand ein kleiner Feuerball. Hastig riss er den Arm wieder nach vorne um seine Kleider nicht in Brand zu stecken.
„Was zum…“
Bevor er aber irgendetwas mit dem Feuer anstellen konnte, verschwand es wieder. Das konnte doch nicht wahr sein. Vorsichtshalber ließ er die Hand ausgestreckt, auch wenn seine Muskeln dabei zu brennen begannen. Unbeirrt konzentrierte er sich wieder auf die Handfläche und seine magische Kraft. Er grub in seinem Innersten nach den Gefühlen und den Eindrücken, welche das Feuer in ihm ausgelöst hatte. Zuerst geschah wieder nichts. Gerade als er die Hand wieder sinken lassen wollte, entstand zischen eine Flamme auf der Handfläche.
Das Feuer flackerte und schien zu verblassen. Erif verdoppelte seine Anstrengungen um es am Leben zu erhalten. Schlagartig wurde die Flamme heller und beständiger. Jetzt oder nie. Mit einer ausholenden Handbewegung versuchte er das Feuer in seiner Hand auf den Zweighaufen vor ihm zu werfen. Vergebens. Die Flamme blieb widerspenstig an seiner Handfläche haften. Die Helligkeit des Feuers nahm ab und drohte erneut zu verlöschen. Erif versuchte es ein zweites Mal. Endlich löste sich die Flamme und flog als kleiner Feuerball in den Zweighaufen.
Die Wirkung traf ihn unerwartet. Eine riesige Stichflamme stieß fauchend zum Himmel. Erif kippte keuchend nach hinten. Sofort flog sein Blick zum Fuchs. Das Tier war jedoch ruhig geblieben und hatte nicht einmal den Anlauf unternommen sich von seinen Zügeln loszureißen. Offensichtlich war er als einziger überrascht geworden.
Langsam stand er auf und blickte zur Feuerstelle. Die Stichflamme hatte einen Großteil des Brennholzes einfach zu Asche verwandelt. Der klägliche Rest des Brennmaterials diente ein paar kleinen Flammen als Nahrung. Ohne Nachschub würden sie aber bald vergehen.
Geistesabwesend ging Erif zur Eiche und holte noch ein paar weitere Zweige. So wie es momentan aussah, konnte er seine Kräfte nicht kontrollieren. Der Wachstumsschub seiner Kräfte war eigenartig, wie auch die Tatsache, dass er ohne Vorwissen Feuermagie nutzen konnte. Wenn man es denn so bezeichnen konnte. Das Problem war, dass er auch neutrale, elementlose Zauberei nicht mehr ohne Risiko verwenden konnte. Das letzte Mal hatte er die gesamte Banditenbande in Asche verwandelt, obwohl er lediglich einen Schutzzauber wirken wollte. Etwas, das ihn immer noch beschäftigte. Selbst der Handbewegungen und Laute, um die Zauber zu weben, bedurfte es wenig, was an sich ein Zeichen für jemanden war, der sich schon Jahrzehnte im Umgang mit Magie geübt hatte. Tatsächlich erschien es ihm als reagierte seine Energie auf seine Gedanken, was eine höhere Form des Zauberns war und eigentlich nur sehr alten und mächtigen Magiern vorbehalten war. Möglicherweise war dies auch der Grund, weshalb er andauernd die Kontrolle über seine Kräfte verlor. In nächster Zeit würde er also wohl oder übel auf Magie verzichten müssen um nichts Unüberlegtes anzustellen.
Nachdenklich ging Erif zurück zur Feuerstelle und warf die Äste in das Feuer. Gierig leckten die Flammen nach der neuen Nahrung. Das Grau des Rauches vermengte sich mit der Dunkelheit des Nachthimmels.
Neben seinen magischen Fähigkeiten, hatten sich auch seine Fertigkeiten als Kämpfer verbessert. Im Normalfall hätten ihn die Räuber auseinandernehmen müssen. Mehr als einen von ihnen zu töten, wäre früher für ihn undenkbar gewesen.
Leicht abwesend hob Erif den Kopf zum Sternenhimmel. Die Nacht war klar. Funkelnd begegneten die Sterne seinem Blick. Er fühlte sich an die Nacht mit Naidraug erinnert. Bevor die schwarzen Soldaten in die Lichtung eingefallen waren und der Phönix aus seinem steinernen Gefängnis befreit worden war. All diese Veränderungen hatten seit dieser schicksalhaften Nacht stattgefunden. Seitdem hatte er weder die Soldaten in Schwarz noch den Phönix wiedergesehen.
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