„Was ist los, worauf wartet ihr Schweinehunde. Macht ihn kalt. Bogenschützen, erschießt ihn.“
Aufgrund der gebrochenen Nase waren die Befehle des Banditenführers kaum mehr als unverständliches Genuschel, doch die Schützen taten wie ihnen geheißen. Erif rollte sich zur Seite und entging damit zwei der Pfeile. Doch als er aufstehen wollte warf sich der Anführer auf ihn und zog ihn auf die Beine. Der Banditenführer hatte Erifs Hände fixiert und richtete ihn mit der Brust zu seinen Leuten. Erschrocken bemerkte Erif, dass sein Schwert am Boden lag. Der dritte Bogenschütze legte an. Ruckartig stieß Erif den Kopf nach hinten und traf dabei die gebrochene Nase seines Peinigers. Aufheulend ließ er ihn los, aber die Zeit reichte nicht mehr um dem gefiederten Tod zu entkommen. Nur Magie konnte ihn jetzt noch retten.
So schnell er konnte sammelte Erif magische Energie in seiner rechten Hand. Er spürte die Kraft beinahe unverzüglich in seiner Handfläche. Ruckartig warf er den magischen Angriff dem Schützen entgegen. Es hätte eine durchsichtige, grüne Kugel sein sollen, welchen den Bogenschützen aus dem Sattel schleuderte. Stattdessen wurde der Mann von einem glühenden Feuerball getroffen. Das fauchende Feuer brannte sofort ein Loch in den Körper seines Ziels und verwandelte es in eine menschliche Fackel. Einen lautlosen Schrei auf den verkohlten Lippen und mit Entsetzten in den Augen glitt der Schütze aus dem Sattel. Der Bogen war mitsamt dem Pfeil zu Asche zerfallen. Laut wiehernd suchte das Pferd das Weite. Der Sattel des Tieres stand in lodernden Flammen.
Schockiert hielt Erif inne. Er hatte keine Ahnung von Feuermagie. Wie konnte er dann so mühelos einen Feuerball erschaffen. Die Banditen ließen ihm keine Gelegenheit sich weiter mit dem Vorfall auseinanderzusetzen.
„Er ist ein Magier. Greif ihn mit Zauberei an, na mach schon.“
Der Anführer der Räuberbande schrie einen Mann neben ihm an, der hastig damit begann seine Hände durch die Luft zu führen und eine der grünen, durchscheinenden Kugeln zu kreieren. Der Banditenanführer verlor die Geduld.
„Los, los, tötet ihn, tötet ihn!“
Angst schwang in der Stimme des Räubers mit.
Fast gleichzeitig sprangen alle mit ihren Waffen auf Erif zu, der Banditenmagier schoss sein Geschoss ab, begleitet von den Pfeilen der verbliebenen Bogenschützen. Vollkommen überfordert riss Erif die Hände nach oben und versuchte eine Barriere zu erschaffen, die ihn vor den tödlichen Angriffen bewahren sollte. Inständig hoffte er, dass er so sein Ende abwenden konnte. Doch wieder kam es anders als Erif es beabsichtigt hatte.
Unter lautem Tosen erschuf Erifs Magie einen Kranz aus Feuer. Zischend breitete sich die Feuersbrunst in alle Richtungen aus und verschlang sowohl Mensch als Tier. Die Todesschreie vermengten sich mit dem zornigen Knistern der Flammen. Erif traute seinen Augen nicht. Er nahm seine Hände herab und so plötzlich wie die Flammen erschienen waren, verschwanden sie auch wieder. Zurück blieben, Asche, glühendes, formloses Metall und verkohlter Boden, der bei jedem auftreffenden Regentropfen bedrohlich zischte.
Benommen richtete er den Blick zu Boden. Um seinen Körper war der Boden unversehrt geblieben, doch in einem breiten Kreis um ihn herum, war die Erde vollkommen ausgebrannt und schwarz. Sein Schwert lag noch im Inneren Kreis, direkt neben ihm.
Tausend Gedanken schossen Erif durch den Kopf. Er hatte schon wieder getötet, sowohl mit dem Schwert, als auch mit Zauberei und er hatte während des Kampfes keinen Gedanken daran verschwendet. Natürlich war es notwendig gewesen sich zu verteidigen, aber hätte er es nicht auch anders schaffen können? Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf verurteilte ihn bereits als Schlächter. Er wollte keine Menschen töten und hatte auch niemals Gefallen daran gefunden. Und doch hatte er es schon wieder getan. Sein Gewissen nagte an ihm oder schien vielmehr ihn auffressen zu wollen.
Er bückte sich mit versteinerter Miene und hob sein Schwert auf. Dabei fiel sein Blick auf die Überreste seines Reiseumhanges. Nur ein kleiner Teil davon lag auf dem unberührten Boden. Der Rest war, wie auch seine Widersacher zu Asche verbrannt.
Trotzdem, dass er keinerlei Erfahrung im Umgang mit Feuermagie hatte, war es ihm mit Leichtigkeit möglich gewesen die tödlichen Flammen heraufzubeschwören. Dabei hatte er das nicht einmal beabsichtigt.
Als er sein Schwert an den Resten seines Reiseumhangs vom Blut reinigte und dann in der Scheide verstaute, drängte sich ihm eine weitere bohrende Frage auf. Soweit er sich erinnern konnte, war er nie überdurchschnittlich gut im Kampf gewesen. Es war vielmehr so gewesen, dass er in Übungskämpfen durch Unsicherheit und Zögern unzählige Male sein Leben verloren hatte. Demnach konnte er sich nicht erklären, wie er sich mit dem Schwert gegen die Räuberübermacht hatte behaupten können. Es war ihm sogar teilweise ziemlich leicht gefallen seine Gegner zu erledigen. Erledigen , das war auch nur ein schöneres Wort für töten.
Langsamen Schrittes machte er sich auf den Weg in die kleine Stadt, welche er in der Ferne erkennen konnte. Dabei vermied er es sich umzudrehen und einen weiter Blick auf den Kampfplatz zu werfen. Wenn er jetzt in einen Spiegel sehen müsste, würde ihm wahrscheinlich nicht gefallen, was er sah.
Gefangen in düsteren Gedanken und vom Regen durchnässt stapfte er unter grauen Wolken über die Ebenen.
Achtlos warf Fürst Erised eine milchig-weiße Kristallkugel auf einen Haufen an der Wand. Die Kugel gesellte mit einem Klirren zu den anderen Gegenständen.
Eriseds Laune war auf dem Tiefpunkt angelangt. Seit Tagen versuchte er einen Weg zu finden sich die magischen Kräfte eines Zauberers einzuverleiben. Bisher tappte er noch im Dunklen.
Ohne Probleme war er in der Lage die Kräfte eines Artefakts, und mochte es auch noch so mächtig sein, auf sich zu vereinen. Er hatte es sogar bewerkstelligt die Kräfte zwischen Artfakten zu tauschen oder auf einen anderen Gegenstand zu übertragen. Zwischen Menschen schien dies aber einfach nicht möglich zu sein.
Der Fürst, wie immer in eine dunkelgrüne Robe gewandet, durchschritt den Raum. Er befand sich in einer kleinen Halle, welche nur aus nacktem, grauen Stein Bestand und auf jeglichen Schnörkel verzichtete. An einer Wand führten einige Stufen zu einer etwa mannshohen, rechteckigen Holzvertäfelung. Die gegenüberliegende Seite war geprägt von einem riesigen Torbogen, welcher bis an die Hallendecke reichte. Er war aus dunklem Gestein und wies zahlreiche Gravuren einer alten Schrift auf. Der Torbogen konnte jedoch nicht als normaler Durchgang benutzt werden. Er war vollkommen in die Wand eingemauert.
Beleuchtet wurde der fensterlose Raum von kristallenen Platten, welche in die Decke eingelassen waren und mithilfe alter Magie strahlten. Da ihr Licht im Laufe der Jahrhunderte an Helligkeit eingebüßt hatte, waren auch einige Kerzenhalter an den Wänden befestigt. Selbst gemeinsam vermochten sie der Halle ihre Düsternis nicht zu nehmen.
Den Raum füllten einige wenige kleine Podeste, welche zumeist leer waren. Erised ging auf eines der Podeste zu auf welchem ein mit Schnitzereien verzierter Wanderstab lag. Der Landesfürst nahm den Stab auf und fühlte die Energie in ihm pulsieren. Es handelte sich um ein weiteres Artefakt. Der Träger konnte durch den Stab beim Errichten von Barrierezaubern unterstützt werden. Er legt den Stab auf das Podest zurück und konzentrierte sich auf den Gegenstand.
Erised sammelte seine magischen Kräfte und begann sie mit gut einstudierten Handbewegungen und gemurmelten Zauberformeln in ein kompliziertes Muster zu weben, welches nur andere Magier erahnen konnten. Um Magie zu benutzen, standen einem Magier grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Beide Alternativen verfolgten dasselbe Ziel, die magischen Energien in Muster zu einem Zauber oder in andere Menschen oder Objekte in der Welt zu weben. So funktionierte Magie. Um die zauberhaften Energien in das gewünschte Muster zu bringen, konnte man entweder Worte oder Handbewegungen verwenden. Für einen Anfänger in den Zauberkünsten war es bisweilen einfacher mit Worten und Lauten zu beginnen. Im Laufe der Ausbildung verließen sich dagegen die meisten Zauberkundigen mehr und mehr auf ihre Hände, da dies schneller und präziser war, als die Energien mit reinen lauten anzuleiten. Nur wenige große Magier und Zauberer bedienten sich noch der Sprach um Zauber zu schaffen, mit Ausnahme ihrer Kombination mit Gesten bei schwierigen Ritualen und besonders mächtiger Magie um die Energie auf zwei Ebenen gleichzeitig zu dirigieren, so wie Erised es gerade Tat. Diese Form der Magie erforderte die gesamte Aufmerksamkeit des Zaubernden.
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