Als er seinen Kopf wieder Drib zuwandte, war er verschwunden. Er konnte den Feuerfalken hoch am Himmel ausmachen.
„Ich denke du kriegst das alleine hin.“
Das war das Letzte, was er von dem Feuerfalken hörte, bevor er losrannte. Was sollte das? Die Banditen würden ihn umbringen sobald sie ihn erreichten. Jede Hilfe wäre ihm willkommen.
Der Wind blies ihm die Kapuze vom Kopf und entblößte ihn den schweren Regentropfen. Flüchtig blickte er über der Schulter. Die grimmigen Gestalten hielten direkt auf ihn zu und hatten ihn bald eingeholt. Sein Fuß rutschte im Schlamm aus und er fiel zu Boden. Geschickt wandelte er die Fallbewegung zu einer Rolle um und war schon wieder auf den Beinen um weiterzulaufen.
Einem inneren Gefühl folgend machte er einen Sprung zu Seite. Keinen Augenblick zu früh. Sirrend flog ein Pfeil an ihm vorbei und bohrte sich einen Steinwurf vor ihm in die Erde.
Erif lief schneller als er es je erwartet hätte. Seine Angst verlieh seinen Beinen Flügel, dennoch war es sinnlos. Die ersten Reiter hatten ihn erreicht und schlugen mit den Schwertern nach ihm. Blitzartig duckte er sich unter den Hieben hinweg. Ein Schwertstreich schnitt ihm den Umhang vom Körper. Seinen Kopf hatte er dafür behalten.
Die Räuber kreisten ihn mit ihren Pferden ein und bildeten einen Ring aus dem er nicht entfliehen konnte. Sie stellten ihre Angriffe ein. Einige Männer saßen ab und kamen mit gezogenen Waffen näher. Blitzartig erfasste Erif die Situation. Die Bogenschützen auf den Pferden hatten ihre Bögen gespannt und auf ihn angelegt. Er zählte vier von ihnen. Die abgesessenen Banditen trugen hauptsächlich Schwerter, einer hatte eine rostige Streitaxt bei sich. Er wusste zwar nicht woher, aber hinter ihm konnte er deutlich zwei weitere Männer spüren. Einer trug ein Schwert und der andere einen Morgenstern. Über der Gruppe lag ein leichter Hauch von Magie. Irgendjemand musste somit zur Zauberei fähig sein.
Erif wandte sich dem Streitaxtträger zu. Dies schien der Anführer sein. Der Bandit hatte einen verfilzten, ungepflegten Bart und lange strähnige Haare. Seine grünen Augen taxierten gierig den kleinen Beutel an Erifs Hüfte und das Schwert. Als der Kerl den Mund öffnete um zu reden, konnte Erif den Gestank von Branntwein riechen und das obwohl der Mann mindestens drei Schritte weiter weg stand.
„Aiai, was habt ihr denn für einen hübschen Beutel da am Gurt mein Herr? Da ist doch sicher zu viel Geld für einen Mann allein drinnen. Ihr müsst wissen ich und meine Männer sind bedürftig. Eine kleine Spende ist wohl nicht zu viel verlangt, oder?“
Die Räuber grölten. Erif hatte sich nicht getäuscht. Das war der Anführer. Er wusste nicht genau wie er darauf gekommen war, doch er hatte richtig gelegen. Trotzdem war es ein schwacher Trost, wenn man dabei bedachte, dass er vermutlich gleich sterben würde. Vielleicht gab es aber noch einen Ausweg.
„Ich denke ihr habt Recht. In meinem Beutel befinden sich ein paar Goldstücke. Die gebe ich euch freiwillig, wenn ihr dann wieder eurer Wege ziehen könnt. Was sagt ihr dazu?“
Die Nervosität, welche Erif verspürte, war nicht so schlimm wie er befürchtet hatte. Er war seltsam ruhig. Früher hätte es sicher Momente gegeben, in welchen er in solch einer Situation kein Wort hervorgebracht hätte.
Die Gesichtszüge des Banditenanführers nahmen einen Ausdruck der Überraschung an. Kurz schien er nicht zu wissen wie er reagieren sollte. Seinen Gefolgsleuten erging es nicht anders. Dann kehrte jedoch die Gier wieder auf sein Gesicht zurück.
„Aiai, was für ein freigiebiger Wohltäter. Ihr habt da auch ein hübsches Schwert. Das nehme ich auch besser mit, sonst schneidet ihr euch am Ende noch damit und das wollen wir doch nicht. Also, wie sieht‘s aus?“
Wieder grölten die Banditen. Wenn er dadurch den Kampf vermeiden konnte, würde er es tun. Mit mahlendem Unterkiefer gab er seine Antwort.
„Na gut, das Schwert könnt ihr auch haben. Kann ich dann weiterziehen?“
Der Anführer der Räuber leckte sich mit der Zunge über seine teilweise schwarzen Zähne. Erifs Zugeständnisse hatten die Habgier des Mannes angespornt.
„Wisst ihr, ich denke ich kann euch noch mehr Gutes tun, indem ich euch den Wert harter Arbeit erfahren lasse. Es gibt einige Leute, die für ein paar starke Arme große Summen zahlen würden. Ich werde euch da natürlich freiwillig helfen. Lasst Euch nur nicht beirren. Manche Unwissende werden euch als Sklave bezeichnen, aber lasst Euch da bloß nichts einreden.“
Jetzt war es klar. Hier kam Erif nicht ohne Kampf heraus. Ein Sklavendasein war schlimmer als der Tod. Das wusste er von einigen dieser Menschen mit denen er in seiner Zeit als Tagelöhner zusammengearbeitet hatte.
„Ihr irrt euch. Ich kenne den Wert harter Arbeit bereits. Dabei müsst ihr mir nicht helfen.“
Die Miene des Banditen vergrämte sich. Die anderen Räuber warteten gespannt darauf, Erifs Todesurteil aus dem Mund ihres Anführers zu hören.
„Was für ein ungehorsamer, junger Bursche. Nein, so aufmüpfig wie du bist, würdest du nicht zum Diener taugen. Das heißt du wirst wohl ins Gras beißen Bürschchen, schließlich wollen wir auch unseren Spaß haben. Verstehst du doch sicher. Los Leute, erledigen wir ihn.“
Ohne Vorwarnung griff der Banditenanführer an. Er schwang seine Axt und ließ sie mit einem vertikalen Hieb auf Erif herunterfahren. Erif wich flink zur Seite aus und verpasste dem Angreifen einen Handballenstoß zum Gesicht. Mit einem saftigen Knacken brach er ihm die Nase. Heulend ließ sein Gegner die Streitaxt aus und fuhr sich mit den Händen zum Gesicht.
Die nächste Attacke erwartete Erif von hinten. Mit einem bösartigen Lächeln auf den Lippen kam der Bandit mit dem Morgenstern auf ihn zu. Erif beförderte den Räuber mit einem Seitwärtstritt in den Unterleib auf seinen Allerwertesten. Ein Pfeil sauste knapp an Erifs Nase vorbei. Die Bogenschützen warteten nur auf eine Gelegenheit um ihn abzuschießen.
Sein nächster Gegner kam von rechts. Erif zog sein Schwert. Beide Hände am Schwert, parierte er die Klinge seines Angreifers und ging blitzschnell zum Gegenangriff über. Das war zu schnell für den Banditen. Mühelos schlug er dem Mann den Kopf von den Schultern.
Mit einem Satz nach vorne rammte er seine Klingen durch die Lederrüstung des nächsten Räubers. Den Sterbenden noch am Schwert wirbelte er herum und ging in Deckung. Zwei Pfeile bohrten sich in den Rücken seines menschlichen Schutzschildes. Ein weiterer zischte knapp daran vorbei. Mit der Hilfe seines Fußes befreite er seine Klinge von dem nunmehr Toten und sah sich sogleich zwei weiteren Angreifern gegenüber. Sofort griffen sie ihn mit ihren Schwertern an.
Tänzelnd wich er ihren Attacken aus und ging zum Gegenangriff über. Nach wenigen Herzschlägen fiel der Erste durch einen Stich in den Hals. Der Zweite griff mit einem horizontalen Hieb an. Schneller als er es sich zugetraut hätte, überbrückte Erif die Distanz zwischen ihnen und packte die Schwerthand seines Gegners. Mit dem Schwert in der anderen Hand durchtrennte er die Handgelenke des Banditen, bevor er den schreienden Mann mit einem Tritt von sich stieß.
Eine Rolle rettete ihn vor zwei Pfeilen. Hastig befreite er die zweite Klinge von den Händen seines Vorbesitzers und warf das Schwert auf einen der Bogenschützen. Die Waffe fraß sich bis zum Heft in die Brust des Schützen. Der Räuber starb noch im Sattel seines Pferdes.
Mittlerweile waren die übrigen Banditen, mit Ausnahme der verbliebenen Bogenschützen von ihren Pferden abgesprungen und hatten den Kreis um ihn wieder geschlossen. Sie zögerten. Dass einige ihrer Pferde wiehernd das Weite suchten, schien sie im Moment nicht zu stören.
Dann hörte Erif ein unheilverkündendes Singen. So schnell er konnte, ließ er sich auf den Boden fallen. Der Anführer hatte versucht ihn von hinten mit einem waagrechten Axtstreich zu töten. Der Angriff ging über sein Ziel hinaus und vergrub das Axtblatt in der Brust eines anderen Banditen. Blut spritzte aus der Brust des heulenden Mannes. Der Getroffene verdrehte die Augen und fiel tot zu Boden.
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