„Das ist also die neuste Gilde Elysstains. Ich hoffe, wir können eines Tages stolz auf euch sein und ihr lasst uns unsere Entscheidung nicht bereuen.“, meinte er.
„Keinesfalls.“, versicherte ihm Corvu.
Als Fayn ihm die Neuigkeiten erzählt hatte, wollte Corvu es zuerst nicht glauben. Genauso wenig wie Fayn glauben wollte, dass Corvu Oshu befreit hatte und nicht umgekehrt. Trotz ihren schlaflosen Nächten, hatten die beiden auf dem Weg zum Regierungspalast noch genügend Energie aufgebracht, miteinander zu streiten. Erst als sie unbehelligt an den Wachen vor dem Palast vorbei konnten, schien Corvu zu realisieren, was gerade geschah. Seitdem hielt er sich still.
„Also sind wir jetzt eine Gilde?“, fragte er ungeduldig.
Der schnurrbärtige Mann hob einen Finger. „Noch nicht ganz. Nach dem Gesetz muss der Magierrat davon unterrichtet werden, damit es offiziell ist. Das werden wir, oder besser gesagt ihr, nun tun. Folgt mir bitte.“
Die vier Gefährten folgten dem Mann durch die grosse Säulenhalle mit den vielen Holztüren in den Wänden. Hinter einer von ihnen betraten sie einen weit grösseren Raum, als der Sitzungssaal des Rates. Er war ganz in weiss mit nur einer blauen Elysstainer Flagge. Symmetrisch in drei Reihen angeordnet befanden sich im Raum neun quadratische Becken, die das Wasser der künstlichen Wasserfälle, die jeweils darüber von der Decke fielen, auffingen. Fayn staunte über die schlichte Schönheit des Raumes und blieb kurz stehen, um den Anblick auf sich wirken zu lassen.
Corvu drehte sich zu ihm um. „Na, was ist? Wir sind nicht hier her gekommen um Architektur zu bewundern. Komm schon, wir müssen jetzt endlich eine Gilde gründen.“, fuhr er ihn an.
„Beruhige dich“, entgegnete Fayn trocken. „Sei lieber froh, dass ich deinen Traum verwirklicht habe. Wie lange hattest du es bereits versucht? Zehn Jahre? Und ich brauchte wie lange? Einen Tag? Nein, in einer Nacht ist es mir gelungen.“, versetzte er giftig.
Corvu funkelte ihn böse an, war aber doch zu müde um etwas zu entgegnen.
Eine alte Frau ganz in weiss gekleidet erschien vor dem Vorsitzenden. „Die Verbindung steht, Harald. Wasserfall fünf. Es ist Lucian.“
Der Ratsvorsitzende verdrehte die Augen. „Vielen Dank.“, er drehte sich zu den vier Gefährten und seufzte. „Lucian, der Unberührbare. Ein junger, aber ehrgeiziger Politiker. Leider ist er einer der einflussreichsten Mitglieder des Magierrates. Also dann, Kinder, stürzen wir uns in das Vergnügen.“, meinte er ironisch und führte sie zu Wasserfall fünf. Corvu fragte sich kurz, warum der Kerl „Der Unberührbare“ hiess, war aber zu müde um sich weiter dafür zu interessieren. Er erkannte einen undeutlichen Schemen in der Oberfläche des Wasserfalls. Er war gross und hatte lange Haare, viel mehr konnten die vier nicht ausmachen.
„Ah, Harald von Elysstain. Mit was stört Ihr den heute meine kostbare Zeit?“, fragte die Stimme aus dem Wasserfall. Corvu mochte den Klang der Stimme nicht. Sie hörte sich so arrogant an. Er schauderte. Die Person dahinter war wahrscheinlich noch ein schlimmerer Snob als Fayn.
„Nun,“, antwortete Harald, „Das werden Euch am besten die Kinder selbst erklären.“
Mit einer einladenden Geste zeigte er auf die vier neben ihm stehenden jungen Leute.
„Nun arbeiten also Kinder in Elysstains Regierung. Interessant.“, bemerkte die Stimme spöttisch. „Also beeilt euch gefälligst. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Schon gar nicht für irgendwelchen Kinderkram.“
Fayn trat vor. „Geehrter Meister Lucian. Mitglied der Neun,“, begann er mit der Anrede, doch Corvu unterbrach ihn schon. „Wir haben eine Gilde gegründet.“, sprudelte es aus ihm heraus.
Fayn strafte ihn mit einem bösen Blick.
„Was denn? Er hat doch gesagt, er hätte es eilig. Ich habe dem Herrn doch nur einen Gefallen getan.“, verteidigte er sich.
Die Stimme im Wasserfall lachte herzhaft. „Eine Gilde gründen! Das ist unmöglich. Es wurde seit über hundert Jahren keine Gilde mehr gegründet. Ihr könnt doch nicht einfach so daherkommen und denken ihr könnt nun eine Gilde gründen. Köstlich!“
Fayn verdrehte die Augen. „Das Argument wird wohl nie alt.“
Doch Corvu hörte ihm gar nicht zu. „Ich glaube fast, Ihr habt mich falsch verstanden. Wir wollen nicht eine Gilde gründen, wir haben bereits. Wir wollten Euch lediglich darüber in Kenntnis setzen. Das müssen wir nämlich offenbar so von Gesetzes wegen oder so. Hab da nicht so richtig aufgepasst. Auf jeden Fall wisst Ihr nun Bescheid und wir haben unsere Schuldigkeit getan. Auf Wiedersehen, oder äh... Auf Wiederhören.“
Corvu war es satt immer wieder vor eine neue Hürde gestellt zu werden, deswegen liess er den Mann gar nicht erst zu Wort kommen.
„Was glaubst du eigentlich, mit wem du sprichst, Junge?“, fuhr ihn Lucian verärgert an. „Kenne deinen Platz! Und...“
„Oh, ich kenne meinen Platz! Und er ist in einer Gilde und es gibt absolut nichts, was Ihr dagegen sagen könnt.“, unterbrach ihn Corvu. Er schielte zu Fayn hinüber, um sich zu vergewissern, ob es wirklich so war. Fayn nickte ihm zu.
„Er hat Recht. Also ersparet uns viel Zeit und Streitereien und lasset ab. Das einzige, was uns daran hindern könnte, wäre eine Änderung des Gesetzes, aber das wäre ein Bruch mit den Traditionen, und das lässt sich nicht so einfach den Leuten erklären, also lasst es lieber sein.“, stärkte Fayn Corvu den Rücken.
Eine Weile kam Antwort zurück.
„Ihr seid verrückte, kleine Balgen.“, meldete sich der Schemen dann zornig wieder zurück. Sie hörten ein Seufzen. „Aber leider habt ihr Recht. Gesetzlich steht euch nichts mehr im Wege. Aber freut euch noch nicht zu früh. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Wartet nur ab, bis die anderen Gilden Wind davon bekommen. Und das werden sie bald. Und sie werden euch zerreissen wie ein Stück Fleisch in einem Wolfskäfig. Viel Spass also in eurem Gilden-Dasein.“, drohte er ihnen.
„Jajaja.“, fiel ihm Corvu ins Wort. „War's das? Sind wir jetzt endlich offiziell eine Gilde?“
„Nein.“, antwortete die Stimme aus dem Wasserfall bestimmt. „Ich brauche noch drei Dinge. Euren Gildennamen, den Namen des Gildenmeisters, sowie die Namen der drei Mitgründer.
„Der Gildenmeister,“, begann Corvu, doch Fayn drückte ihn beiseite. „Bin ich.“, beendete er den Satz seines Freundes. „Fayn Biatali.“, verkündete er.
„Was soll das?“, fauchte Corvu aufgebracht. Doch Fayn deutete ihm still zu sein. „Später.“, zischte er.
„Ein Biatali.“, stellte der Schemen entzückt fest. „Wie schön, dass endlich einer von euch bereit ist euren Namen in den Schmutz zu ziehen.“
Fayn ging nicht weiter darauf ein, sondern fuhr fort.
„Die Namen der Mitglieder sind Oshu, Corvu und Lilith.“, zählte er auf. Lucian schien die Informationen zu notieren. „Und die Familiennamen?“, fragte er.
„Es sind Strassenkinder, sie haben keine weiteren Namen.
„Verstehe.“, murmelte der Schemen. „Und den Namen eurer Gilde?“
Fayn sah hilfesuchend nach den anderen. Corvu stand mit den Armen verschränkt und blickte ihn finster an. Oshu stand ausdruckslos daneben und machte keine Anstalten sich etwas einfallen zu lassen. Lilith blickte Corvu und Fayn an. Sie sah, wie das düstere Schwarz seiner Vergangenheit Corvus Seele betrübte. Wohingegen Fayns Seele aufblühte wie ein bunter Garten übersät mit dornigen Rosen. „Wie wäre es mit „ Black Rose “?“, schlug sie schüchtern vor.
Da dies der einzige Vorschlag war, nickte Fayn und wiederholte es für Lucian. „ Black Rose .“
Der Magierrat schien den Namen irgendwohin zu kritzeln.
„Wunderbar. Noch heute wird die Welt von euch erfahren. Die Elysstainer Gilde wird bekannt sein bis in jede Ecke des Kontinents. Viel Spass mit den anderen Gilden wünsche ich euch. Auf Wiedersehen.“
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