Wir leben in Friedenszeiten, ja. Aber Ihr alle wisst genau so gut wie ich, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm ist.“, schloss Fayn.
Seine Worte hingen noch lange im Raum. Sie schienen ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Fayn sah, wie die Ratsmitglieder darüber nachdachten. Er sah, dass sie sich bereits einige Gedanken darüber gemacht hatten.
Fayn hoffte wirklich, seine Rede hatte eingeschlagen. Es war sein letzter Trumpf im Ärmel.
Die ersten schüttelten bereits den Kopf. „Das ist doch lächerlich.“, wurde zögerlich erklärt. „Solch ein Unfug!“, schnappten andere über. „Das sind nur die Träume eines jungen Herzens.“, versuchten dritte ihn zu verteidigen. Jeder Ausspruch liess Fayns Herz ein wenig mehr sinken.
„Ich bin schockiert, wie stur ihr alten Greise sein könnt!“, rief eine etwas jüngere Frau aus. Sie trug kurzgeschnittene Haare und hatte viele kleine Narben im Gesicht. „Habt ihr dem Jungen nicht zugehört? Dieser junge Mann hat all die Punkte zusammengefasst, über die wir schon diskutiert haben. Ihr solltet euch schämen euch so blind zu stellen. Ich meinerseits stimme mit ihm überein. Eine Gilde wird unserer Stadt nur Vorteile verschaffen. Ich weiss schon, vor was ihr euch fürchtet. Die anderen Städte werden uns nicht ernst nehmen. Der Magierrat wird es missbilligen. Das bezweifle ich keinesfalls. Aber falls unsere Gilde gute Arbeit leistet, und für das wird unser Meister Fayn hier die Verantwortung übernehmen, wird sich der Wind schnell legen. Die Mitglieder der vorgeschlagenen Gilde sind stark. Habt ihr vergessen, wie hochentwickelt Meister Fayns Fähigkeiten selbst sind? Wer weiss, welche Magie der Schatten vor uns verbirgt? Das Mädchen hat offenbar gedankenmanipulative Fähigkeiten, die beim Lösen schwieriger Aufträge sehr nützlich sein könnten. Und Corvu, er hat bereits Kampferfahrung, ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie er unsere Stadt in den Arenakämpfen zu Ruhm und Ansehen verhelfen wird. Und wenn es so weit ist, werden sich die anderen Städte davor hüten über unsere Zukunft entscheiden zu wollen. Wie oft habe ich hier eurem Gejammer zuhören müssen, wie satt ihr es doch seid, ständig von den anderen Städten den Kopf beugen zu müssen? Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir das Kräfteverhältnis ändern könnten. Und ihr Angsthasen seid zu sehr gehemmt etwas zu unternehmen. Ich für meinen Teil stehe voll und ganz hinter der Idee des jungen Biatali!“, entschied die Dame.
Fayn war wirklich dankbar, für die unerwartete Hilfe. Ohne sie wäre sein Plan womöglich genau an dieser Stelle in eine Sackgasse gerlaufen. Doch nun beobachtete er verlegenes Herumdrucksen und ab und zu mal ein schüchternes Nicken.
„Sie hat Recht. Sie haben beide Recht.“, polterte ein dicklicher Mann, „Es wird Zeit etwas an unseren Lage zu ändern. Zeigen wir diesen Gildenstädten, wozu wir fähig sein können!“
Der Ansage folgte ein vielseitiges Gemurmel, in dem Fayn einige zustimmende Worte zu vernehmen glaubte.
Soweit Fayn die Lage nun beurteilen konnte, spaltete sich der Rat in zwei ungefähr gleichgrosse Lager. Er war erleichtert. Von seinem Vater wusste er, sobald dies geschah, hatte man, stellte man es richtig an, schon fast gewonnen. Der Trick lag darin, einer der Zweifler auf andere Art dazu zu bringen für das gewünschte abzustimmen. Und genau das hatte Fayn geplant. Er musste nur noch auf den richtigen Moment hoffen.
„Ihr alle scheint eines zu vergessen!“, murrte der drahtige Kerl mit den buschigen Augenbrauen. „Ihr scheint zu vergessen, dass wir davon ausgehen, dass die beiden Gefangenen in unserem Gefängnis nicht sicher sind. Wir gehen davon aus, dass sie schon bald wieder auf freiem Fuss sein werden. Nun, das wird nicht passieren. Denn unsere Gefängnisse sind gut bewacht. Sie werden nie wieder einen Fuss in die Freiheit setzen. Deshalb können wir diese sinnlose Diskussion hier abbrechen, und zur Tagesordnung übergehen.“
Da war er, der richtige Moment.
„Ihr scheint ziemlich überzeugt von unserem Schuldturm zu sein.“, stellte Fayn fest.
„Natürlich. Die beiden werden nie durchbrechen können.“, bestätigte der Mann eifrig.
Fayn kannte die Mitglieder des Rates alle ziemlich gut durch seinen Vater. Ulrich Krummstein, der mit den buschigen Augenbrauen, war bekannt dafür, die Regierung der Stadt konservativ anzugehen. Also rechnete Fayn schwer damit, seine Unterstützung zu erhalten. Aber der unsympathische Kerl war auch noch bekannt für etwas anderes.
„Würdet Ihr darauf wetten?“, fragte Fayn scheinheilig.
„Absolut!“, nickte das Ratsmitglied ohne zu merken, worauf Fayn hinaus wollte.
„Gut dann schlage ich Euch eine Wette vor. Ich wette, dass Oshu und Corvu, sagen wir, morgen bereits nicht mehr im Gefängnis sein werden. Sollte dies der Fall sein, stimmt Ihr für eine Gilde in Elysstain. Falls ich meine Wette verliere, werde ich Euch im Gegenzug einen Garten anlegen. Was halten sie davon?“
Einen Garten von einem Biatali zu erhalten ist eine grosse Ehre und ein weithin bekanntes Statussymbol. Dieses Angebot konnte Ulrich unmöglich ablehnen. Fayn hoffte nur, Oshu würde das irgendwie hinkriegen.
„Einverstanden!“, rief Ulrich voller Freude aus. „Komm schlag ein, Junge. Einen Biatali Garten! Dein Vater wird sich wohl ganz schön über dich ärgern!“
Fayn reichte dem Mann die Hand und sie besiegelten die Wette. So wurde hier Politik betrieben.
„Somit wird mein Anliegen wohl bis morgen warten müssen. Ich danke Euch allen für Eure Geduld und möchte Euch nun nicht mehr aufhalten. Guten Tag.“
Fayn deutete einen kleinen Knicks an.
„Nun gut.“, meldete sich der Ratvorsitzende schmunzelnd. „Dann erwarten wir Euch morgen früh zur selben Stunde hier. Guten Tag. Bestellt Eurer Familie unsere Grüsse aus.“
„Das werde ich.“, log Fayn und schritt zur Tür.
Doch bevor seine Hand die Klinke berührte, wurde die Tür plötzlich aufgerissen.
Hato kam herein gestiefelt und hätte Fayn beinahe überrannt, wäre er nicht geistesgegenwärtig ausgewichen.
Hato guckte ihn kurz verdutzt an, wandte sich aber sofort an den Rat.
„Ehrenwerter Stadtrat, verzeiht mir mein unangekündigtes Hereinplatzen. Doch ich wollte Euch nur kurz darüber in Kenntnis setzen, dass die beiden Gefangenen, Corvu und Oshu, heute Morgen nicht mehr in ihren Zellen waren. Sie sind offenbar geflohen, ohne dass unseren Männern etwas aufgefallen wäre.“, verkündete er.
Fayn drehte sich wieder um. Einen Moment lang starrten die Ratsmitglieder abwechselnd auf Hato und dann wieder auf Fayn.
Plötzlich zeigte sich ein Grinsen auf dem Gesicht des Stadtratsvorsitzenden. Auch die Frau mit den Narben musste leise kichern. Ulrich schlug mit der Hand auf den Tisch. „Hättest du das nicht früher mitteilen können, Kommandant?“,
Hato blickte verwirrt in die Runde. „Es tut mir leid, ich habe es selbst eben erst erfahren.“, verteidigte er sich.
„Ist schon in Ordnung. Wir rechneten mehr oder weniger damit. Ich nehme an, du hast bereits Leute losgeschickt um sie zu suchen?“, beruhigte ihn der kahlköpfige Mann.
Hato nickte. „In jede Ecke der Stadt, Harald.“
„Gut.“, meinte Harald. „Warte einen Moment.“
Der Ratsvorsitzende wandte sich an den Stadtrat. „Nun stimmen wir ab. Heute entscheiden wir, ob Elysstain Geschichte schreiben wird, oder ob wir für immer über unser heutiges Gespräch schweigen werden. Wer dafür ist, eine Gilde in Elysstain einzuführen unter der Verantwortung von Fayn Biatali, der hebe nun die Hand.“
Nun war Fayn gespannt. Man benötigte die Mehrheit von acht aus zwölf Händen. Grinsend blickte er zu Hato, der wie aus allen Wolken gefallen dastand und die Abstimmung beobachtete.
Die Frau mit den Narben hob natürlich als erste die Hand. Der Mann mit dem weissen Bart folgte ihr. Ebenso der dickliche Mann. Einer nach dem anderen erhob seine oder ihre Hand.
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