„Anscheinend nicht in der Welt der Schönen und Reichen.“
Neben uns hielt der Wagen von Daniel an.
„Guten Morgen ihr zwei. Ihr seid ja früh unterwegs.“
„Ohne Judit würde ich noch im Bett liegen und tief und fest schlummern“, erwiderte ich mit einem bösen Seitenblick zu meiner Freundin.
Doch die ließ sich gar nicht beirren. „Nina, du hast das gebraucht. Frust und Kalorien wegstampfen.“
Ich grummelte leise an meinem Kaffeebecher vor mich hin.
„Ich habe dir dein Auto gestern noch hingestellt Nina.“
„Mein kleiner Corsa und ich haben zu danken. Ich habe ihn heute Morgen schon bewundern können, wie er stolz die neuen Beulen präsentiert hat.“
„Das fällt doch bei der Kiste nicht auf.“ Daniel lachte laut. „Übrigens lass heute noch die Finger vom Rückspiegel. Der Kleber muss erst richtig aushärten.“
„Du hast wirklich was bei mir gut!“ Ich war total begeistert, wie sich hier in diesem Dorf geholfen wurde. Das hatte ich in München total vermisst.
„Wirklich?“, hakte Daniel sofort nach.
„Wenn ich das doch sage.“
„Prima. Dann könntest du den Gefallen gleich einlösen. Wegen dem plötzlichen Schneefall habe ich einige Holzbestellungen reinbekommen und muss diese gleich ausliefern. Allerdings kann ich dann den Laden nicht öffnen. Gerade in der Vorweihnachtszeit ist das für mich verlorenes Geld, wenn ich ihn geschlossen halten muss.“
„Kein Problem. Ich übernehme gerne den Verkauf. Solange ich nicht Töpfern muss.“
Wir drei grinsten vor uns hin. Wir alle dachten in dem Moment das Gleiche. In der Schule hatten wir Töpfern gehabt. Daniel und Judith waren wahre Künstler darin gewesen. Daniel sogar so sehr, dass er auch noch heute vom Verkauf lebte. Ich dagegen war eine Niete. So sehr, dass sogar unser Lehrer ganz schnell aufgegeben hatte und mir eine Freistunde schenkte. Ich konnte bei Kuchen und Gebäck die tollsten Kreationen zaubern, beim Töpfern dagegen kam noch nicht mal ein Aschenbecher dabei heraus.
„Nein, nein. Auf keinen Fall musst du Töpfern Nina. Wirklich nur verkaufen.“
„Dürfte ich dann nebenbei meine Weihnachtsbäckerei ankurbeln? Ich würde gerne, nachdem ich alles in München lassen musste, neue Kekse backen.“
„Nur, wenn ich auch welche abbekomme.“
„Klar kein Problem.“ Ich grinste Daniel breit an.
„Ich möchte dann aber auch welche abbekommen“, mischte sich sogleich Judith ein.
„Bekommst du natürlich auch.“
Ich konnte nicht Töpfern, Kochen gehörte auch nicht zu meinen Stärken, aber Backen war etwas, was ich konnte. Das wussten natürlich auch Daniel und Judith.
„Ich komme dann gleich in den Laden Daniel.“
Daniel verabschiedete sich von uns und fuhr wieder Richtung Dorf. Auch Judith und ich machten uns nun auf den Weg nach Hause. Am Dorfeingang trennten wir uns und sie versprach, mich nach ihrem Spätdienst zu besuchen.
Ich machte mich schnell auf den Weg nach Hause, zog mich um und ging dann zu unserem kleinen Lädchen im Dorf. Der Tante Emma Laden hatte sich wirklich noch gehalten. Das lag aber auch nur an den Bewohnern. Jeder ging hier immer wieder einkaufen, so dass der Laden überleben konnte. Und ich brauchte nun einige Zutaten für mein Backvorhaben.
Mit zwei schweren Einkauftaschen marschierte ich bei Daniel in den Laden.
„Du hast wohl den ganzen Laden aufgekauft?“ Daniel hielt mir die Tür auf und zwinkerte mir zu.
„Nicht ganz, aber der Vorrat an Mehl und Zucker ist beachtlich geschrumpft.“ Ich grinste ihn breit an.
„Möchtest du das ganze Dorf verköstigen? So viel braucht man doch nicht für ein paar Plätzchen.“
„Lass dich überraschen und nun husch zu deinen Kunden.“ Ich jagte Daniel hinaus, damit ich einmal in Ruhe in München anrufen konnte und dann in die Plätzchen-Produktion treten konnte.
Den Anruf in München hatte ich schnell hinter mir. Die Personaltante war höchst professionell gewesen. Hatte sich die Faxnummer notiert und gebeten, den Auflösungsvertrag, der schon fertig war, bis spätestens Freitag zuzufaxen und die Originalunterschrift mit der Post zu schicken. Der Vertrag wäre hoffentlich zu meiner Zufriedenheit und die Summe der Abfindung auch. Über eine Abfindungssumme war zwar in dem kurzen Gespräch mit Jans Vater nichts gesagt worden, aber das würde ich mir dann heute Abend in Ruhe zu Hause anschauen.
Jetzt wollte ich erst einmal, neben dem Verkauf von Daniels Dingen, meine Backutensilien im Hinterzimmer ausbreiten.
Ich war gerade dabei, alles auf dem großen Tisch, der im Hinterzimmer stand, auszubreiten, als die Türglocke im Verkaufsraum zu hören war. Schnell ging ich nach vorne und sah mich Frau Schuster und Frau Hampach gegenüber.
„Guten Morgen Frau Schuster, guten Morgen Frau Hampach. Was kann ich für Sie tun?“
„Oh Nina Kindchen. Wir haben schon gehört, dass du wieder hier bist. Warum bist du denn aus München weg? Und was stehst du in Daniels Geschäft? Hat er es endlich geschafft, dich für sich zu gewinnen?“
„Mathilda, nun hör doch auf“, unterbrach Frau Hampach. „Lass das Kind in Ruhe und hör mit den Fragen auf.“
„Gertrud, nun stell dich doch nicht so an. Du bist doch auch neugierig und würdest das alles gerne wissen.“
Bevor die zwei älteren Damen sich gegenseitig an die Gurgel gehen konnten ging ich schnell dazwischen. „Frau Schuster, ich vertrete Daniel hier im Laden, weil er Holz ausliefern muss und er – weil er meinen Wagen aus dem Graben gezogen hat – etwas gut bei mir hat. Ich bin aus München weg, weil mein Freund … mein Ex-Freund, beim Besuch seiner Eltern ganz schnell die Seiten gewechselt hat. Aber was meinen Sie mit, ob Daniel mich für sich gewinnen konnte?“
„Ach Kindchen, nichts, nichts. Das mit deinem Exfreund ist aber eine Schande. Der weiß gar nicht, was er sich entgehen lässt.“
Ich kannte die beiden schon länger, so wusste ich, dass sie kein Blatt vor den Mund nahmen.
„Was kann ich aber für Sie tun?“
„Wir wollten unsere Bestellung abholen. Daniel hat sie sicher schon eingepackt.“
Ich ging wieder in das Hinterzimmer. Nicht nur ein großer Tisch stand hier, sondern auch Daniels Töpferwerkstatt hatte er in einer Ecke untergebracht. Daneben war ein großer Brennofen und dann, wie ich gehofft hatte, der große Bäckerofen, den er damals aus der Bäckerei hier übernommen hatte, die leider schließen musste. Der Backofen war Gold wert und ich freute mich schon mehrere Bleche von Keksen, Cupcakes und Cake Pops zu backen. Eventuell würde ich mich auch noch an kleine Weihnachtsküchlein ranwagen …
„Nina, hast du die Bestellung gefunden?“
Huch, ich war total in meinem Backwahn vertieft gewesen und hatte die zwei Damen komplett vergessen. Die zwei Tüten standen in dem kleinen Regal, wo Daniel anscheinend einige Bestellungen schon fertig gemacht hatte.
„Hier habe ich sie. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“
„Kindchen, wenn du einen Kaffee und Kuchen hättest, dann wären wir wunschlos glücklich.“
„Damit kann ich leider nicht dienen. Aber ich wollte gerade ein wenig Backen. Wenn Sie möchten, schauen Sie doch so in zwei Stunden wieder vorbei, dann bekommen Sie gerne etwas ab.“
Ich kassierte und die Beiden versprachen, nachher noch einmal vorbei zu schauen.
Somit ging ich nun beschwingt wieder in das Hinterzimmer und begann mit der Teigproduktion. Innerhalb einer Stunde, in der zum Glück keine Kundschaft erschien, hatte ich neun Bleche mit Plätzchen, Cupcakes und Cake Pops fertig. Während ich die Plätzchen und Cupcakes ohne Probleme auf dem Tisch verzieren konnte, war es bei den Cake Pops ein kleines Problem.
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