1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Bevor er nur aussprechen konnte, hatte ich ihm schon den Döner in die Hand gedrückt. Wie ein kleiner Junge zu Weihnachten, öffnete er ihn mit leuchteten Augen und biss genussvoll hinein.
„Hmm.“
Ich musste grinsen und ging nach hinten, damit ich meine Tüte abstellen konnte. In einer nicht unangenehmen Stille saßen wir beieinander und verdrückten unser Essen.
Ich hatte gerade den letzten Rest hinuntergeschluckt und wischte mir den Mund ab, als es an der Türe zum Laden klopfte.
„Da scheint es schon einen Andrang zu geben. Bleib hier, ich werde dann mal den Laden öffnen.“ Daniel stand auf und ich beobachte mit weit aufgerissenen Augen, wie die Dorfbewohner den Laden stürmten.
„Aua, aua, aua. Mein Rücken und meine Füße bringen mich um.“ Ich streckte mich und ein Schmerz zog sich durch den ganzen Rücken.
„Sogar ich bin heute total geschafft. Was für ein Tag. Nina, du bist der Wahnsinn.“ Daniel saß mir gegenüber und schaute mich intensiv an.
„Quatsch.“
„Doch wirklich. Sie lieben deine Backkünste. Ich kann mich nachher noch hinstellen und neue Gefäße töpfern. So viel habe ich noch nie an einem Tag verkauft. Eventuell in ein bis zwei Wochen, aber nicht an einem Tag. Ich würde dir gerne etwas vorschlagen.“
Daniel sah mich fragend an und auch ich ließ mich nun auf einen Stuhl sinken.
„Schieß los“, forderte ich ihn auf.
„Hättest du Lust, gerade jetzt vor Weihnachten, jeden Tag deine Backkreationen hier anzubieten? Natürlich bekommst du den Verkaufserlös ausgezahlt. Und wenn du nicht jeden Tag hier stehen und backen möchtest, überhaupt kein Problem, da finden wir sicher einen zeitlichen Turnus. Wenn du mir sagst, was du für Schalen oder Behältnisse gebrauchen könntest, dann kann ich diese auch nach Maß und Anforderung töpfern …“
„Ja.“
„Und nach Weihnachten, äh, was? Ja?“
„Ja“, wiederhole ich und grinse ihn an. Auch wenn es nicht mein eigenes kleines Café war, so konnte ich hier wertvolle Erfahrung sammeln. Ich konnte die Produktion optimieren, ich konnte neue Kreationen entwerfen, ich konnte ohne Risiko Dinge ausprobieren, die ich so mit einem eigenen Café nicht tun könnte. Daniel gab mir hier eine einmalige Chance und hatte es gar nicht gemerkt. Aber wie auch? Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen und wie sollte er wissen, dass es schon lange ein Traum von mir war, ein kleines Café zu eröffnen.
„Ich habe schon lange den Traum ein eigenes Café zu eröffnen. Bisher hatte ich aber weder das Geld, noch die Zeit dafür. Du bietest mir hier gerade eine einmalige Möglichkeit, um Erfahrungen zu sammeln und einen Kundenstamm aufzubauen. Wer weiß, vielleicht finden sich hier irgendwo Räumlichkeiten, wo ich mich verwirklichen kann.“
„Da könnten wir uns nach dem ganzen Weihnachtsstress unterhalten. Ich habe da vielleicht eine Lösung. Aber dafür muss ich auch erstmal Luft holen können und vor allen Dingen einen klaren Gedanken fassen können.“
„Prima, dann bin ich morgen pünktlich um 7 Uhr da.“
„So früh? Der Laden öffnet doch erst um 9 Uhr.“
„Siehst du hier irgendwo noch einen Krümel eines Kekses oder irgendetwas anderes?“
„Nein.“ Daniel hatte vorhin beim Aufräumen natürlich gesehen, dass nichts mehr übrig war. „Gut, dann bin ich um 7 Uhr hier und helfe dir. Außerdem kann ich dann weiter an meinen Kreationen arbeiten.“
„Soll ich dir noch etwas helfen?“ Ich stand auf und schaute mich um.
„Nein, nein. Geh nach Hause, ich mache hier noch den Rest fertig.“
Ich zog mir den Mantel an, schlang den Schal um mich und setzte die Mütze auf. Draußen hatte es schon wieder angefangen zu schneien.
„Und Nina?“
Ich drehte mich zu Daniel um, der mich intensiv musterte.
„Danke und schlaf schön!“
Das Glöckchen über der Verkaufstür klingelte wieder, als ich nach draußen ging. Dicke Flocken rieselten sofort auf mich herab und ich konnte nicht anders und streckte meine Zunge raus, um einige von ihnen aufzufangen. Als Kind hatte ich das schon immer gemacht und jetzt als Erwachsene, konnte ich es auch nicht lassen.
Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen und die Straßenlaternen und die Beleuchtung der Häuser tauchten die Dorfstraße in goldenes, warmes Licht. Wie ich diese Zeit doch liebte.
Zu Hause angekommen, konnte ich mir erstmal den Schnee von den Schuhen klopfen. Bevor ich allerdings richtig eintrat, stand schon meine Mutter vor mir und hielt mir ein paar Papiere entgegen.
„Hast du schon gesehen Nina?“
„Äh, nein?! Falls es keinen aufgefallen sein sollte, ich war den ganzen Tag bei Daniel im Laden.“
„Stimmt, das ganze Dorf hat sich über deine Backkünste unterhalten. Sie sind begeistert. Aber nun schau dir mal das Fax an, was heute gekommen ist.“
Ich nahm die Blätter und meine Mutter half mir unterdessen aus dem Mantel heraus.
Auflösungsvertrag, bla, bla, zum 01. Dezember, bla, bla, Abfindungssumme 25000 Euro, bla, bla. Moment, Abfindungssumme 25000 Euro? Fünfundzwanzigtausend Euro?
„Wow, ich fasse es nicht. Wie geil ist das denn?“
„Ich mag zwar das Wort geil nicht“, fuhr meine Mutter dazwischen, „aber es ist wirklich großartig. Mit dem Geld kannst du sicher etwas anfangen.“
Oh ja, das konnte ich. Erstmal hatte ich Daniel versprochen, bei ihm zu arbeiten. Aber im neuen Jahr wollte ich schauen, wie und wo ich mein Café realisieren konnte. Das Startkapital hatte mir gerade Jans Vater beschert!
A
m nächsten Morgen stand ich pünktlich um sieben Uhr auf der Matte von Daniels Laden. Lächelnd öffnete er mir die Türe und hielt mir eine dampfende Tasse Kaffee entgegen.
Ich trat den einen Schritt in den Laden hinein und musste dann erstmal das Aroma des Kaffees inhalieren und nahm einen großzügigen Schluck von dem Gebräu.
„Mmh, lecker. Ist das eine neue Sorte?“
„Ich war gestern noch im neuen Supermarkt in Kassel. Der hat zum Glück bis um 22 Uhr geöffnet. Neben Backzutaten habe ich auch einige neue Kaffeesorten mitgebracht.“
„Der schmeckt fantastisch. Das wird sicher mein neuer Lieblingskaffee werden.“
Wir gingen zusammen durch den Laden, den Daniel wieder ein wenig umgeräumt hatte, so dass nun noch mehr Platz für eine Kaffeerunde bestand. Die Lücken in den getöpferten Sachen, hatte er auch wieder aufgefüllt und es waren einige wunderschöne Dinge dabei. Vor einem kleinen Elch, der am Rücken gelöchert war, blieb ich verzaubert stehen.
„Den hatte ich noch im Lager. Ich habe gestern Abend nur noch die Löcher in den Rücken gebohrt, so dass er eventuell als Cake Pop Halter genutzt werden kann.“ Leicht beschämt sah mich Daniel an.
„Das ist genial. Hast du noch mehr solcher Ideen gehabt?“
Er führte mich ins Hinterzimmer und mir verschlug es glatt die Sprache. Auf dem großen Arbeitstisch standen verschieden kleine und große Schalen, kleine Tierchen, die alle Lochvorrichtungen für die Cake Pops aufwiesen und Schneemänner, denen man an die kleinen Ärmchen Tütchen mit Plätzchen hängen konnte. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte.
„Oh mein Gott. Die sehen wundervoll aus!“
„Danke.“ Daniel sah nun sichtlich stolz aus. „Dann mal an die Arbeit, damit wir die Kundschaft erfreuen können.“
Er hatte auch an kleine Cellophantüten und Stoffbänder in verschiedenen Farben gedacht, um später das Gebäck einpacken zu können.
Ich schälte mich schnell aus meinen Mantel und holte mir die Schüsseln und Zutaten. Zwei Stunden arbeiteten wir ohne Pause. Wir redeten nicht viel und die Arbeit ging schnell voran. Es machte Spaß, mit Daniel zusammen zu arbeiten. Er übernahm das Einpacken und drapieren, was ihm, zu meinem Erstaunen, gut gelang.
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