Mittlerweile war natürlich auch Jovis erwacht. Vollkommen fasziniert von der Geschäftigkeit im Laderaum und dem Anblick der Boritas war er sichtlich aufgeregt. Kaleena konnte ihn gerade noch davon abhalten, zu seinem Vater zu rennen. Vilo erkannte ihn aber und winkte ihm nochmals zu, bevor sich die Kugel schloss. Als das geschehen war, wurde das Lächeln auf Kaleenas Lippen sichtlich freudloser. Leira erkannte das natürlich sofort und lenkte Jovis ab, indem sie ihn anstupste und ihm letztlich erlaubte, auf ihrem Rücken zu sitzen. Dadurch konnte Kaleena sich auf Vilo konzentrieren und sie warf Leira einen dankbaren Blick zu.
Einen Augenblick später war deutlich zu spüren, wie die Triebwerke Gegenschub leisteten und sich das Schiff zur Seite neigte.
Cosco war vollkommen darauf konzentriert, die Geschwindigkeit des Schiffes zu drosseln und es zu landen, dass er die merkwürdigen Bewegungen auf der Sandoberfläche nicht bemerkte. Obwohl es Windstill war, wogten kleine gezackte Linien wie Wellenkämme darüber hinweg. Doch der Captain übersah sie, bis zu dem Moment, da er Matu neben sich laut und deutlich „Ach du Scheiße!“ sagen hörte.
Dann natürlich wurde er aufmerksam. „Was ist los?“
Matu deutete mit dem Kopf auf den Bildschirm, auf dem das Radarbild zu sehen war. Es gab im unteren Bereich die roten Signale des Feindes, knapp darüber die blauen der Buggys – und direkt unter ihnen ein großflächiges, schimmerndes, halbdurchsichtiges weißes Signal, dass wie eine Nebelwand ständig in Bewegung war.
„Ich befürchte, wir haben ein Problem!“ erwiderte der Pater tonlos.
„Vergessen sie es. Noch mehr können wir nicht gebrauchen!“ Cosco spürte eine innere Anspannung, weil er wusste, dass dieses wabernde Signal nichts Gutes verheißen konnte, doch zwang er sich, sich weiterhin auf die Lenkung des Schiffes zu konzentrieren. „Was zur Hölle ist das überhaupt?“ fragte er dann aber doch.
„Wüstenaracs!“ rief Matu mit einer deutlichen Sicherheit in der Stimme.
„Was?“ Cosco hatte den Ausdruck zwar gut verstanden, doch konnte er sich nichts darunter vorstellen.
Matu wollte schon antworten, als urplötzlich ein markerschütterndes, tiefes Brüllen aus den Tiefen der Wüste zu hören war und nur einen Wimpernschlag später ein gewaltiger, schwarzer Schatten vor ihnen aus dem Boden schoss, der augenblicklich ihr gesamtes Sichtfeld einnahm.
„Das!“ rief Matu und deutete mit der linken Hand auf die achtbeinige Kreatur vor ihnen.
„Au verdammt!“ brüllte Cosco halb entsetzt, aber auch halb fasziniert. Instinktiv riss er das Ruder nach hinten und das Flugboot machte einen Satz in Richtung Hügel. „Noch mehr Monster!“
Und damit hatte er absolut Recht, denn das tiefblaue, spinnenähnliche Wesen war gute acht Meter lang und sicherlich sechs Meter hoch. Von seinen acht muskulösen, mit Widerhaken versehenen Beinen waren nur sechs in den Wüstensand gestemmt, die beiden vorderen schossen angriffslustig in Richtung des Flugboots, erreichten es dank der blitzschnellen Reaktion des Captains jedoch nicht.
Dennoch mussten die beiden Insassen im Cockpit kurz aufschreien, weil es nicht nur eine äußerst enge Flucht war, sondern sie auch direkt in das furchterregende, klauenbesetzte Maul der Kreatur vor ihnen blicken konnten. Der monströse, unförmige Rumpf der Spinne schien von innen heraus zu pulsieren und ständig in alle Richtungen in Bewegung zu sein. Der Kopf war nur an einer Stelle, ähnlich wie beim menschlichen Hals, mit diesem Rumpf verbunden, aber weitaus frei beweglicher als bei einem Menschen. Unzählige, dicht nebeneinanderliegende Augenpaare starrten auf das Flugboot. Das Maul war langgezogen, wie bei einem Krokodil und gleichzeitig nach oben geschwungen. Während an ihm entlang mehrere fruchterregende Klauenpaare zuckten, waren im Inneren nicht nur zwei Reihen messerscharfer Zahnreihen, sondern auch eine wabbelige, dickfleischige, gelbe, schleimtriefende Zunge zu erkennen.
Cosco und Matu waren sichtlich entsetzt über diesen Anblick. Wieder brüllte das Monstrum in einer irrsinnig vibrierenden Lautstärke, während es blitzschnell nach vorn schoss und die Kitaja sicherlich erwischt hätte, hätte Cosco nicht erneut grandios reagiert.
„Hey, verdammt!“ brüllte Mavis über Lautsprecher aus dem Laderaum. „Was zum Teufel treibt ihr denn da? Seid ihr besoffen oder was?“
„Monsteralarm!“ erwiderte Cosco tonlos, während er kaum glauben konnte, was seine Augen plötzlich auf dem Rücken der Bestie zu sehen bekamen.
„Ach was!“ meinte Mavis. „Jetzt halten sie das verdammte Schiff endlich gerade, damit wir die Boritas rauslassen können!“
„Aber...!“ Cosco hörte die Stimme des Commanders nur noch aus weiter Ferne, weil sein Gehirn beinahe vollständig damit beschäftigt war, zu begreifen, was vor seinen Augen vor sich ging.
Denn der scheinbar pulsierende Rumpf der Spinnenkreatur, schien irgendwie explodieren zu wollen. Auf jeden Fall aber trennten sich mehrere Teile unterschiedlicher Größe von ihm ab und rutschten in die Tiefe. Doch während sie fielen, konnte Cosco eine gleichartige Form an ihnen erkennen, und noch bevor sie auf dem heißen Sandboden aufschlugen, waren deutlich acht Beine zu erkennen, die den Sturz problemlos abfederten, bevor weitere Schreie zu hören waren und sich diese neuen Kreaturen auf dem Weg zu ihnen machten. „Verdammt!“ stieß Cosco angesichts dieser geänderten Situation hervor. Das riesige Spinnenmonster war offensichtlich eine Art Muttertier, das seine lieben Kinderlein auf dem Rücken transportierte. Dabei gab es rund zwei Dutzend kleinere Exemplare, die etwa die Größe eines Kleinkindes hatten, aber mindestens auch genauso viele, die einem Erwachsenen problemlos in die Augen schauen konnten und nicht zuletzt etwa ein Dutzend größere Kreaturen von doppelter oder gar dreifacher Größe.
Und sie alle waren auf dem Weg zur Kitaja .
„Kein aber, Mann!“ raunte Mavis. „Runter mit dem Schwanz!“
Cosco wusste, dass er den Befehl befolgen musste, also zögerte er nicht mehr, stoppte den Rückwärtsflug des Bootes und ließ es gleichzeitig sinken.
Während es sich dem Wüstenboden näherte, wurde bereits die hintere Ladeluke geöffnet und die Boritas fuhren auf ihren Deckenschienen darauf zu.
Kaum hatte die Luke den Boden berührt, wurden alle drei Kugeln nacheinander ausgeklinkt und donnerten von der Rampe. Da die Hügelkette direkt vor ihnen war, lenkte Vilo seinen kleinen Trupp in einer sehr engen Rechtskurve in die entgegengesetzte Richtung. Er wusste, dort waren zunächst die Buggys und dann die Insektenmonster. Was er nicht wusste, war die Existenz der heranschießenden Spinnenwesen. Doch als sich die Kitaja sehr schnell wieder in die Lüfte erhob und sein Blickfeld vollkommen freigab, erkannte er, was auf sie zurollte, doch da war es für eine Umkehr bereits zu spät und die drei Boritas donnerten mit wilden Lenkbewegungen und entsetzten Schreien ihrer Fahrer mitten hinein in den Schwarm aus krabbelnden Ungetümen.
Nachdem das Flugboot sehr schnell an Höhe gewonnen hatte, riss Cosco das Steuer nach rechts, um wieder genügend Abstand zu den Spinnentieren zu bekommen. Dadurch konnten die Insassen im Laderaum aus der sich gerade schließenden Heckklappe heraus auf den Boden schauen. Allesamt waren sofort entsetzt bei dem, was sich dort vor ihnen auftat.
„Verdammter Scheiß! Was ist denn das?“ rief Vilo entsetzt, während er versuchte, ihren unerwarteten Gegnern auszuweichen.
„Himmel Captain!“ brüllte auch Mavis. „Wieso...?“
„Weil sie es nicht hören wollten!“ erwiderte Cosco und drehte die Kitaja so, dass er feuerbereit war.
Doch er brauchte kein Projektil auf die Reise zu schicken. Obwohl nicht gerade einfach und unter Aufbietung großer Kräfte, so gelang es den drei Boritas doch, ungeschoren durch die Spinnentiere nach Süden zu gelangen. Zwar gab es einige Zusammenstöße mit den achtbeinigen Kreaturen, doch konnten die Boritas ihre Geschwindigkeit halten und die Spinnenwesen blieben unverletzt.
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