Langsam fährt Kay durch die schöne Innenstadt von Stockholm und bei der Suche nach den Straßenschildern entdeckt Anna einen Bankautomaten. Sie finden eine Parklücke und begeben sich mit dem vorhandenen Notstadtplan auf die Suche nach »Navishamn«.
Sie schlendern durch die Straßen, holen sich die benötigten Kronen aus dem Bankautomaten und stehen plötzlich vor dem Schloss, dem Reichstag, mitten in der malerischen Altstadt. Sie wissen, in Stockholm ist der Sitz der Ministerien und des höchsten Gerichts, es gibt eine Universität und Kunstakademie, mehrere Hochschulen und wissenschaftliche Institute und in Stockholm hat die Stiftung des Nobel-Preises ihren Sitz. Im weithin sichtbaren Rathaus mit dem hohen Turm werden jährlich die Nobelpreise verliehen.
Anna hat auf der Herfahrt im Stadtführer gelesen und erzählt: »In der Hauptstadt des Königreichs wohnen ungefähr 700.000 Menschen und mit den vielen Vororten sind es sogar 1,6 Millionen Einwohner. So wie ganz Schweden fast nur aus einer wunderschönen Seenlandschaft besteht, liegt auch Stockholm auf vielen kleinen Inseln und Halbinseln.«
In Stockholm bildet die Mündung des Mälarsees eine tiefe Bucht. Die Schären und hochaufragenden Felsen, die jeden Besucher beeindrucken, sowie die zahlreichen
Wasserarme dieser küstennahen Region, machen die reizvolle Lage Stockholms aus. Seen und Kanäle sowie unzählige Brücken verbinden die Stadt mit dem Binnenland und den vielen Inseln.
Das Paar steht jetzt in einer belebten Straße, die mit Hunderten von Fahnen geschmückt ist. In kleinen Straßencafés, Geschäften und großen Kaufhäusern herrscht lebendiges Treiben. Sie sind in der Drottninggatan gelandet und können endlich ihre Position genau bestimmen. Auf ihrer Karte finden sie endlich den weiteren Weg zur Insel »Djurgården«.
Sie gehen zurück zum Auto und fahren durch die Strandvägen bis zur Djurgårdensbron, überqueren diese Brücke und die Djurgårdensvägen entlang, bis es nicht mehr weiter geht.
Also mitten in der Weltstadt eine Straße, die im Nichts endet.
An der Endhaltestelle von mehreren Buslinien angelangt, steigt Anna aus dem Auto, geht zu einem der Busfahrer und fragt ihn, ob er ihr sagen kann, wo sie »Navishamn« findet.
Vorsichtshalber hat sie alles ordentlich auf einem Zettel notiert, den sie dem Busfahrer vor die Nase hält. Dieser schüttelt den Kopf und kennt diesen Hafen nicht. Um der Touristin zu helfen, will er wissen, wo sie mit dem Schiff hinfahren will. Etwas irritiert, da es für den Hafen gleichgültig ist, wo sie hinfahren will, antwortet sie: »Baltik Sea«
Der Fahrer hebt verständnislos die Schultern, sieht sich um und fragt die Fahrgäste des Busses nach »Navishamn«. Jedoch auch von den Fahrgästen ahnungsloses Kopfschütteln. In der Zwischenzeit ist ein kleiner Menschenauflauf vor dem Bus entstanden, da die wartenden Fahrgäste vorn in den Bus einsteigen und beim Fahrer bezahlen wollen. Die Fragende blockiert den Zugang. Einige Urlauber beginnen zu drängeln und zu schubsen. Anna wird die Situation zusehends peinlicher. Sie will hier plötzlich nur noch weg, sich zurückziehen und bedankt sich beim Busfahrer. Die nachrückenden Fahrgäste haben sie immer weiter in den Bus geschoben und es kostet sie einige Mühe, wieder zum Eingang zu gelangen. Als Anna völlig entnervt und beinahe panisch an der Einstiegstür angelangt ist, fasst eine junge Frau, die gerade in den Bus steigen will, sie am Arm und sagt: »There is »Navishamn«. Die junge Urlauberin zeigt auf den kleinen Yachthafen vor dem sie stehen. »That´s »Navishamn?« Anna schaut sehr ungläubig. »Yes, yes that`s right!«, betont die junge Frau. Im Bus entsteht ein eigenartiges Getuschel und im Gelächter hört niemand Annas: »Thank you, very match!«
Auf dem Weg zum Auto wird Anna plötzlich klar, warum der Busfahrer wissen wollte, wohin sie mit dem Schiff fahren will. Er hat an eine Überseefähre oder Ähnliches gedacht und wollte sie zum richtigen Fährhafen schicken. An eine Segelyacht und einen Sportboothafen hat er keinen Gedanken verloren. Genau so wenig, wie der Suchenden die Möglichkeit einer Überseefähre in den Sinn kam. Ihre sinnige Antwort, dass sie auf die Ostsee fahren wolle, konnte nur zu schmunzelndem Unverständnis führen.
Mit hochrotem Kopf kommt Anna zurück zum Auto und Kay erkundigt sich: »Na, Prinzessin, was hast du an der Bushaltestelle für einen Menschenauflauf verursacht? Hast du gezaubert oder Märchen erzählt? Einen Striptease gegen Informationen angeboten oder Schlimmeres?«
Prinzessin stutzt: »Es gibt Schlimmeres? Beziehungsweise, was ist an einem Striptease von mir schlimm?«
»Kein Striptease von dir!«, antwortet der Gefragte und hebt vorsichtig die Augenbraue.
Anna entspannt sich und muss plötzlich hemmungslos lachen, bekommt kaum ein Wort über die Lippen: »’Navishamn’ liegt bestimmt am anderen Ende der Welt, denn es kennt kaum jemand, aber wir sollen es hier in diesem kleinen Hafen versuchen.«
Und richtig, dort werden die Urlauber erwartet, denn Herkules hat die Freunde aus Rostock beim Hafenmeister angekündigt. Eine nette, deutschsprachige Dame begrüßt sie herzlich in Schweden und zeigt ihnen den Anlegeplatz der »Brise«. Dann erläutert sie ihnen sehr eindringlich und ausführlich und zum wiederholten Mal die NICHT vorhandenen Parkmöglichkeiten.
Anna und Kay sind angekommen!
8. »Königliche Regalschiffe«
Stockholm
Die jetzige Brisecrew begrüßt die Neuankömmlinge und die Nacht verbringen sie zu sechst auf dem Segler. Herkules und Madam, Sven und Marina und die Neuen frühstücken zusammen. Kay, der die Nacht in der Plicht verbracht hat, muss akribisch seine juckenden Mückenstiche versorgen. Aber ansonsten war es für ihn immerhin gemütlicher, als die vorherige Nacht im Auto. Auch Wildschweine waren nicht zu befürchten.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben: Für den heutigen Tag sind von der Crew ein Großstadtbummel und ein Museumsbesuch vorgesehen. Nach dem fröhlichen Frühstück machen sich alle auf den Weg zum Vasa - Museum.
Vom Vasa - Museum, einem großen Schiffsmuseum, haben die Schweriner zwar schon etwas gehört, sie müssen aber zu ihrer Schande gestehen, dass sie sich nicht mit der Geschichte Schwedens beschäftigt haben. Was sie über die schwedische Historie wissen, beschränkt sich auf die Tatsache der Zugehörigkeit von Wismar, Stralsund und anderen Ostseestädten zum schwedischen Reich vor langer, langer Zeit.

Herkules hilft ihnen über diese Wissenslücke hinweg und erklärt bereitwillig, was, beziehungsweise wer, Vasa überhaupt war: »Gustav I. Erikson Vasa von Schweden lebte von 1496 bis 1560 und war der Begründer des schwedischen Königshauses Vasa. Unter ihm als König wurde Schweden zu einem unabhängigen Staat und er beendete die Auseinandersetzungen mit Dänemark. Gustav Vasa regierte Schweden von 1523 bis zu seinem Tod.«
Anna fragt weiter: »Gehen wir in ein Geschichtsmuseum? Und was gibt’s zu sehen?«
Auch diese Frage kann Herkules beantworten: »Dieses Museum wurde für ein königliches Schiff des 17. Jahrhunderts errichtet. Die »Vasa« war das größte königliche Regalschiff seiner Zeit, wurde nach der erfolgreichen Herrscherfamilie »Vasa« benannt und kann heute in seiner ganzen Pracht besichtigt werden.«
»Für nur ein Schiff ein ganzes Museum?«, Prinzessin schaut skeptisch, doch Herkules nickt.
An diesem Sonnabendvormittag ist das Wetter drückend heiß und kaum eine Wolke am Himmel deutet an, dass ihnen ein schöner Sommertag bevorsteht.
Das Vasa-Museum liegt am Ost-Ufer von Djurgården, gleich hinter dem Nordischen Museum, eine halbe Stunde zu Fuß von »Navishamn« entfernt.
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