Mit »Landratten« auf dem Wasser unterwegs im
wunderschönen Schärengebiete Ostschwedens
bis zu den Ålandinseln und zurück -
spannende Erlebnisse und viel, viel mehr
Eine Reiseerzählung
von Ariane K.
Diese Reiseerzählung nimmt Sie auf ein fesselndes Abenteuer mit und
berichtet sehr lebendig, amüsant und zugleich informativ
über eine Segeltour durch das
östliche Schärengebiet Schwedens und die Ålandinseln.
Begleiten Sie die Chaoscrew auf ihrem Segler bei
spannenden Erlebnissen und lernen Sie die Prinzessin
und den verzweifelten Käpt‘n kennen
Wer in meiner Geschichte einen fachmännischen Segelführer erwartet, der sollte für Überraschungen bereit und offen sein. Ich erzähle über interessante Menschen und ihre Erlebnisse, über Anna und Kay, über Herkules und Madam, über die ostschwedischen Schären und die Ålandinseln. Nebenbei werfen meine Betrachtungen einen kurzen Blick auf die Kultur, Geschichte und sehenswerte Landstriche Schwedens Ostküste, die meiner Ansicht nach einen Besuch verdient haben.
Das Besondere: Ich beschreibe diese Segeltour aus der Perspektive einer Frau, die keine Ahnung vom Segeln hat! Aber sie hat Träume, Ideale, Fantasien und sucht für sich den richtigen Weg. Sie freut sich begeistert aufs Segeln, ohne zu wissen, was sie erwartet. Dieses bedeutet erstens, dass detaillierte, fachliche Wind- und Segelbeschreibungen zu kurz kommen und zweitens, dass Annas Betrachtungsweisen jedem passionierten Segelsportler sicherlich die Nackenhaare hochstehen lassen werden. Gleichzeitig möchte ich mit genauen Positionsangaben, Beschreibungen der angelaufenen Häfen und Ankerbuchten, den echten Seglern unter den Lesern lobenswerte Anlegeplätze beschreiben.
So hoffe ich, Seglern und allen »Landratten« eine Reise zu schildern, auf der Humor, Spannung und interessante Unterhaltung im Vordergrund stehen. Begleiten sie einen erfahrenen Seebären mit seiner chaotischen Touristencrew auf ihren Entdeckungen und haben sie dabei viel Spaß!
Viel Freude und einige Tränen beim Lachen und Mitfühlen
wünscht Ihnen
Anmerkung: Diese Reiseerzählung ist auch in gedruckter Form erhältlich, siehe unter meiner Internetseite www.hemme-web.de
2. »Die Schiffskonstruktion«
Sommer, vor vielen Jahren
Es war einmal ein kleines Mädchen, das hieß Anna.
Annas Vater baute den »Kiek ut« und diese Segelyacht war der Stolz der ganzen Familie. Gemeinsam nahmen sie an großen Regatten teil und verbrachten ihre Freizeit auf diesem Boot. Annas Vater arbeitete als freischaffender Architekt und er nutze jede freie Minute, den Segelsport als Ausgleich für durchgearbeitete Nächte zu genießen.
Der »Kiek ut« war Mitte der fünfziger Jahre einer der erfolgreichsten Regattasegler in Warnemünde und Rostock. Als Krönung der vielen Regattaerfolge gewann der Vater 1958 die Gesamtdeutschen Segelmeisterschaften in seiner Schiffsklasse. Stolz feierten sie diesen Sieg, wie den Gewinn einer Olympiamedaille.
Die kleine Anna wurde bereits als Baby auf den Segeltouren mitgenommen und der
»Kiek ut« war ihr schaukelndes Kinderzimmer. Eine akribisch sicher konstruierte Hängematte hing am Mastbaum des Seglers. In dieser abenteuerlichen Konstruktion hielt Anna bereits im Alter von wenigen Wochen ihren Mittagsschlaf und blinzelte vorsichtig in die Sonne. Damals nahm sie das Gefühl für Wind und Sonne mit in ihr weiteres Leben, wobei ihr großer Bruder singend auf dem Großbaum saß und sein Schwesterchen in den Schlaf schaukelte.
Gute Freunde segelten mit der Familie über die Ostsee und begleiteten sie während dieser schönen und fröhlichen Zeit. Lustige Begebenheiten und Anekdoten sorgen noch sechzig Jahre nach ihrem Geschehen für amüsante Erzählungen und freudige Stunden. Dieses unbeschwerte, heitere Miteinander prägte das tägliche Leben, auch wenn kein Fruchtischwein in der Kombüse vernichtet wurde.
Eines Tages, sie segelten von Stralsund zur Insel Hiddensee, bewölkte sich der blaue Himmel und es kam starker Wind auf. Die zweijährige Anna saß in der Plicht vom
»Kiek ut«, zwischen den Beinen von Herkules und spielte verträumt mit Eimer und Schaufel vor sich hin. Die blonden Locken fielen ihr ins Gesicht und der Sand rann kribbelnd durch ihre Fingerchen.
Herkules war ein Schiffbaustudent und Segelfreund, der Annas Vater regelmäßig auf den Törns und Regatten begleitete. Übrigens wunderten sich alle Freunde und Bekannten, dass seine Eltern schon bei der Namensgebung »Herkules« die Ausmaße seiner zukünftigen Statur berücksichtigt hatten. Ebenso passten die dichten schwarzen, zurückgekämmten Haare, die ihm bei starkem Wind immer wieder ins Gesicht fielen, zu seinem eindrucksvollen Erscheinungsbild.
Dieser Riese, mit den markanten Gesichtszügen, warf ab und zu einen wachsamen Blick auf das spielende Mädchen, um sicher zu stellen, dass ihr bei dem aufbrausenden Seegang nichts geschah. Das Boot schaukelte zusehends kräftiger von einer Seite zur anderen. Der Wind nahm mit jeder Minute zu und die Wellen schlugen mächtig gegen die Bordwand. Zur Sicherung wickelte Herkules der Kleinen einen langen Strick um den Oberkörper, wie ein Leibchen und so wurde das Mädchen vor der brausenden Gefahr geschützt. Aus ihrer schaukelnden Sandkiste blinzelte Anna Herkules an und feixte keck.
Gern spielte sie mit seinem großen Zeh und freute sich, ihn ein wenig zu kitzeln.
Herkules zuckte bei ihren Berührungen kurz zusammen, grinste und sah zu dem kleinen Frechdachs hinunter. Anna wollte schon damals Aufmerksamkeit und sie bekam, was sie wollte. Herkules beobachtete sie in Gedanken versunken und musste über ihre Unbeschwertheit lächeln. Plötzlich lief etwas Warmes über seinen Fuß. Erschrocken zog er sein Bein zur Seite und sah nach unten. Anna blickte ihn etwas verlegen an und schluckte, beugte den Kopf weit nach vorn und übergab sich abermals in einem hohen Bogen. Damals wurde Anna seekrank und spielte unbeeindruckt weiter mit den, jetzt glitschigen Zehen von Herkules.
1961 schob die Stasi diesem Sport für Annas Familie und den Segelfreunden einen endgültigen Riegel vor. Die Segler durften nur noch mit Sondergenehmigungen auf der Ostsee ihren Sport ausüben.
Noch vor dem Bau der Berliner Mauer wurde Annas Vater als Staatsfeind verhaftet. Das Boot, sowie das gesamte Eigentum der Familie wurde beschlagnahmt. Die Yacht ging in sozialistisches Volkseigentum über und ist heute im Besitz der Universität Greifswald.
Die Staatsanwaltschaft Rostock machte sich mit der Verhaftung von Annas Vater viel Arbeit. Es wurde ein großer Schauprozess mit viel Medienrummel »gegen die Feinde des Sozialismus« inszeniert. Die Zeit während der Untersuchungshaft war die schlimmste Demütigung und Menschenverachtung, die sich der Architekt je hatte vorstellen können. Im Prozess wurde der Vater als Kopf einer antisozialistischen Bande dargestellt, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Sozialismus im Bezirk Rostock gezielt zu untergraben und zu vernichten. Selbst bei Beginn des Prozesses konnten sich die später Verurteilten nicht vorstellen, dass die Anklage mit solchen haltlosen Beschuldigungen ans Ziel kommen würde. Sie irrten sich. Im Urteil wurde deutlich gezeigt, was Feinden des Sozialismus droht ...
Das Leben von Annas Familie änderte sich schlagartig. Die Mutter wurde zu Bewährung verurteilt und ihr wurde von höchster Stelle, der Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der SED, eine Arbeit zugewiesen und somit wurde sie unter die Obhut eines »Kollektivs der sozialistischen Arbeit« gestellt. In dem volkseigenen Frauenbetrieb sollte sie zu einem würdigen Mitglied der sozialistischen Gesellschaft erzogen werden.
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