Ich mag es bequem. Im Zelt kann ich mich umziehen, den Rucksack packen, sitzen und mich bewegen, die ganze Ausrüstung rein nehmen, auch wenn diese vor Nässe trieft, kurz gesagt; einfach wohnen. Gewiss ist dies in einem Biwaksack auch irgendwie möglich. Für einen Schlangenmenschen. Ohne Angst vor Wasserschäden.
Anderseits ist man mit einem Biwaksack auch hübsch getarnt. Gerade, wenn man im Naturreservat oder zwischen auf Privatsphäre bedachte Grundbesitzer mit Hang zur Lynchjustiz sein Nachtlager aufschlägt. Oder wie uns ein wandernder Kriegsveteran, ich bezeichne ihn einfach so weil er irgendwie wirkte, als wäre er Teil der legendären 15th Infantry Division, sagte; "Into bed late, get up early. So you can camp everywhere."
Mein Kocher erfuhr ein Upgrade durch eine Ersatzbenzinpumpe. Ich hatte da so ein Gefühl und neige zudem dazu, übervorsichtig zu sein. Dann war da noch ordentlich an Nahrung einzukaufen. Damit wir nicht Fertignahrung für vierzehn Tag mitschleppen mussten, schrieb ich einen Händler in Fort William an, ob wir ein Paket deponieren könnten. Eigentlich schrieb ich zwei Händler an, aber nur Cotsworld fühlte sich bemüssigt, auf mein Anliegen einzugehen. So warteten also vierzehn Packungen dehydrierter Köstlichkeiten auf unser eintreffen. Das Abendessen war gesichert. Verblieb noch das Frühstück und Mittagessen. Für letzteres hatte ich knapp 3 Kilogramm Powerriegel im Gepäck. Diese Kohlenhydratpakete finde ich furchtbar praktisch. Glutenfrei, laktosefrei und vegan. Nicht, dass ich auf solche Dinge achte, aber wo findet man heute noch etwas anderes? Dank dieser Befreiung von allen Teufeln der Hippsterernährung schmecken sie auch entsprechend. Wie ein Stück Karton, welches im Duft von Ahornsirup gewendet und mit einem Hauch Glückseligkeit bestreut wurde. Doch es geht noch übler, wenn wir schon in der Gesundheitsecke stecken.
Zum Frühstück wählte ich Pumpernickelbrot. Warum man sich so was antut? Es ist kompakt wie ein Ziegelstein und irgendwie auch so lange haltbar. Ein ganzes Kilo hatte ich im Rucksack und nur Bleibarren hätten weniger Platz beansprucht. Um die Sache irgendwie geniessbar zu machen, packte ich Honig ein. Also diese zähflüssige Melasse aus der Quetschflasche, welche als Honig verkauft wird. Natürlich nicht so zähflüssig, dass sie sich nicht mit einer Eigendynamik im Rucksack verbreiten könnte. Die Geschmäcker sind verschieden, nach meinem Dafürhalten muss das Messer im Honigglas an seine Belastungsgrenze kommen und auf dem Brot werden viele Klumpenstücke verteilt. Mit diesem fliessenden und triefenden Zeugs konnte ich mich nie wirklich anfreunden.
Dazu noch eine Packung Kaffee, einige Teebeutel und ganz wichtig, zwei Flachmänner. Einer gefüllt mit köstlichem Kräuterschnaps, der mit dem Glöckchen am Flaschenhals, der zweite leer, zur Aufnahme von Whiskey vorgesehen. Bin ja kein Barbar und mische die Getränke.
Der Mythos, dass Bernhardiner mit einem Fässchen Branntwein um den Hals Lawinenopfer suchen wurde von Napoleons Soldaten in die Welt gesetzt, dennoch will ich einem Schluck Schnaps die motivierende und wärmende Wirkung nicht absprechen. Da können Forscher und Gesundheitsapostel predigen was sie wollen. Nach dem Taschenmesser gehört der Flachmann mittlerweile zur Grundausrüstung.
Nahrungstechnisch läuft nun alles darauf hinaus, dass ich wohl nie befriedigt aber verpflegt sein würde. Man könnte die Sache schon zum äussersten treiben. Wir hatten ja zwei Kocher, einer könnte Nudeln kochen, einer die Sauce. Zum Frühstück gar noch Speck und Ei. Dies ist ganz nett für den Instagram-Account. Doch wer wäscht die Pfanne wieder ab? Sobald der Stahl von mehr als Wasser berührt wird, artet die ganze Sache in Arbeit aus. Ganz zu schweigen davon, dass Wasser ja auch erst organisiert werden muss. Ich weiss, dass ich dieses Trek'n Eat-Futter nach dem dritten Tag nicht mehr riechen kann und die Riegel werden einem einfach zu süss. Irgendwann werde ich vielleicht die goldene Mitte finden.
Flugreisen sind nun mal Flugreisen, ich werde das Ding nicht zum vierten Mal thematisieren. Dieses Mal flog ich sogar Economy Plus. Was einfach bedeutet, man bezahlt 25 Franken mehr. Angeblich hat man dann mehr Beinfreiheit. Merkte ich nichts davon. Hatte allerdings auch kein Massband in der Tasche, geschweige denn einen Referenzwert. Verteidigend muss ich sagen, dass die Beinfreiheit noch nie das Thema war, worauf man sich fragt, warum ich das Upgrade kurz vor Abflug noch gelöst habe. Erstens, weil es einfach da war. Was sind schon 25 Franken im Vergleich zum kompletten Ticket, also rein in den Korb. Allerdings hatte ich auch die leichte Hoffnung, dass ich dem Sardinendosen-Gefühl entfliehen kann, da die Rappenspalter hinter mir in der Holzklasse sitzen. Ich spekulierte auf einen freien Sitz neben mir.
So ganz ging meine Rechnung nicht auf. Während auf Sitz C eine schlanke, jüngere Dame Platz nahm, der Platz B die Funktion des Anstandswächter übernahm und ich auf A aus dem Fenster guckte, klopfte ich mir schon auf die Schulter. Ein gerissener Hund war ich. Da stürmte kurz vor der "Boarding complete"-Durchsage eine Parfümwolke durch den Gang. Inmitten dieser Beleidigung meiner Nasenflügel unter einem bunten Kopftuch eine sehr wohlgenährte Dame. Damit diese ihren Platz B einnehmen konnte, mussten wir unsere Armlehnen hochklappen und stellten fest, dass wir nach unserem Upgrade zugunsten der 10 Zentimeter Beinfreiheit je 15 Zentimeter Sitzfläche geopfert hatten. Und die Armlehne, welche irgendwo in der Leibesmitte der Dame verschwand.
Ich habe mich damit noch nie auseinandergesetzt, doch meinte ich, dass etwas weiblichere Damen, oder fette Herren, da muss man weniger auf die Wortwahl achten, in den Genuss eines Spezialangebot kommen und zwei Sitze buchen können. Doch mit Flugsitzen wird es sich wohl wie mit der Hosengrösse 38 verhalten. Wenn man irgendwie in das Ding reinkommt ist man noch schlank wie ein Reh. Platz machen sollen die anderen.
Ihre Sprache klang weder englisch noch schottisch oder sonst was in dieser Richtung, so hegte ich die Hoffnung, ihr Ziel wird kaum Glasgow sein und ab Amsterdam hätte ich wieder einen kompletten Sitz. Natürlich ist mir bewusst, dass man bei einem Zwischenstopp den Flieger, den Sitz und neunzig Prozent der Mitreisenden austauscht. Ich denke da immer noch irgendwie in Bahndimensionen. Leute die zu- und aussteigen.
A propos Zug; Ich muss meinem Radio-Lokalsender ein Kränzchen winden. Gut haben wir die Billag-Initiative abgelehnt. Danke Radio Munot. Kurz bevor ich das Haus verliess, hörte ich von einem Zugunterbruch beim Schloss Laufen. Dies liegt über dem Rheinfall.
Gut muss ich nicht dahin, dachte ich noch, bis mir gewahr wurde, dass die Zugreise zum Flughafen über Winterthur führt. Also auch am Schloss Laufen vorbei.
Da ist man doch wieder froh über den motorisierten Individualverkehr. Mein Vater erklärte sich bereit, mich bis in die Nähe des Flughafens zu fahren. Natürlich hätte er mich auch in die Abflughalle chauffiert, doch so aus dem Stegreif wusste ich nicht, wie man da hinfährt, zudem erinnerte ich mich, dass vor einem Jahr meine Freundin 5 Franken löhnen musste, nur um den Abholbereich mit dem Auto zu durchfahren. Da lag es für mich ziemlich auf der Hand, dass auch eine Ablieferung ihren Wegzoll hätte und dieser fällt für meinen Vater definitiv in die Kategorie "Abzockerei". Für die Fahrt ab dem Bahnhof löhnt man vier Franken vierzig und 60 Rappen haben oder nicht haben sind einen Franken zwanzig und dies ist ja beinahe schon ein Bier. Bei Aldi. Aus dem Regal 'Kein Job und kein Geld sind kein Grund, sich nicht die Birne weg zu saufen.'. So die Rechnung.
Es funktionierte alles wunderbar und bald überflogen wir die Westküste Hollands, wo sich bei Scheveningen schon die Leute im Sand tummelten.
Über Schottland schlug das Wetter ein wenig um. Präziser ausgedrückt, Regen klatschte gegen die fliegende Röhre und wann immer ich einen Blick durch den Dunst erhaschen konnte, blickte ich nicht selten auf Schneefelder. Dazwischen immer wieder einen Golfplatz, wo die Schotten unter grossen Schirmen den schönen Samstag Nachmittag genossen.
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