Das Persönchen, eine junge Frau und ohne irgendwelches Gepäck, guckte eine geraume Zeit, bis sie weiter in Richtung Hütte marschierte. Mir kam schon der Gedanke, dass sie wohl zum Hüttenpersonal gehörte, aber hätte meine Anwesenheit gestört, oder hätte ich gegen ein Gesetz verstossen, sie hätte ja etwas sagen können.
Ich vergass, wir sind in der Schweiz. Wir gehen solche Dinge lieber subtiler an. Hinten rum.
Es verging keine Viertelstunde bis die noch eben sauber eingezäunten Kühe, erkundungsfreudig zur linken und rechten des Sees in meine Richtung trabten.
Nun gut, ich will euch nichts Böses, ihr tut mir nichts, eine Koexistenz wäre durchaus im Bereich des Möglichen. Vergiss es. Als wären sie abgerichtet, war ich sofort umzingelt. Eine Kuh hat an sich ja nichts Böses, sie sind einfach gross, wir standen Auge in Auge, und entsetzlich neugierig. Gepaart mir ihrer Dummheit und Schusseligkeit, da macht man sich als kleiner Mensch besser aus dem Staub.
Während die eine die Spitze meines Zeltes beschnuppern und ablecken musste, trat sie, um besser an das Ding heranzukommen, einfach mitten in die Plane. Als ich, doch ein wenig erbost, mit Händen wedelnd auf sie zutrat, wich sie erschreckt zurück und verhedderte sich in der Zeltschnur. Der Zeltnagel, beim Einschlagen zweifelte ich noch, ob ich diesen wieder aus dem Boden bringe, wurde mit einem Ruck herausgerissen und schoss direkt auf mich zu. Elegant pflückte ich ihn aus der Luft, während sich die Kuh mit der Ecke meines Zeltes am Fuss weiter zurück bewegte.
Derweil, von der ganzen Sache in Stimmung gebracht, bestieg hinter mir eine Kuh - wenn ich recht überlege muss es wohl ein männliches Rind gewesen sein - das vor ihm stehende Tier, welches ob diesem Akt so erschrak, dass sie beide Vorderläufe auf mein Zeltdach stützte, welches sofort in Fetzen gerissen wurde. Ihr verschmähter Begatter fiel zur Seite ab, fand aber auf meiner Zeltstange wieder festen Halt.
Ich konnte mich nicht weiter darum kümmern, da die Zeltnagel-Kuh ihr Augenmerk und die lange Zunge auf meinen Rucksack richtete, welchen ich in einem panischen Anflug aus dem Zelt gerissen habe. Dieses wurde infolge meiner abgelenkten Aufmerksamkeit weiter von den anderen Viechern malträtiert.
Ganz ehrlich, ich bin Tierfreund. Dennoch hätte ich keine Sekunde gezögert, jedes dieser Scheissviecher über den Haufen zu schiessen, bis auch der letzte Lebensfunke aus diesen endlos dummen Kuhaugen erloschen war. Mit Wölfen macht man dies in der toleranten Schweiz letztendlich auch, abgesegnet von ganz oben. Dabei sind Wölfe nicht einmal so bescheuert, dass sie ein Zelt fressen würden. Was ein weiteres Rindvieh irgendwie gerade versuchte. Möge das Imprägnierspray ihr drei Wochen Dünnpfiff bescheren.
Es ist ein dummes Gefühl, in ein Zelt zu kriechen, während jederzeit die Hufe von einem vierhundert Kilo-Biest auf einem hernieder prasseln könnten. Aber ich war nicht gewillt, auch noch weitere Utensilien zu opfern.
Alles lieblos in den Rucksack gestopft, Zelt und Matte unter den Arm geklemmt, versuchte ich von dannen zu stapfen. Typisch Schweizer drängte ich mich natürlich noch zwischen die Kühe um alle Zeltnägel mitzunehmen. Lasse nichts zurück ausser.... leck mich am Arsch, SAC.
Eigentlich hätte ich die ganze Behausung stehen lassen können, konnte ich das Ding nur noch in die Tonne treten. Erwähnte ich schon, dass es mein 500 Franken-Leichtgewicht Trekking-Zelt war? Bewiesen wäre zumindest, dass die Rip-Stop-Technologie gut klingt, aber gegen Huftritte auch die Segel streichen muss.
Die Kühe empfanden meinen Abgang wohl als Teil des Spiels und setzten an mir zu folgen. Es flieht sich nicht sehr gut in nichtgebundenen Schuhen, unglücklich mit allerlei Krimskrams beladen, doch die Viecher verloren zum Glück bald das Interesse.
Da ich doch noch irgendwo schlafen musste, blieb mir nur die Grialetschhütte. Welche dastand, frei von allerlei Kuhgetier.
Ich würde meine Hand nicht ins Feuer legen, aber ich behaupte, das nette kleine Persönchen hinter der Theke war dieselbe Dame, welche vor der Stampede noch eben des Weges ging. Und nun, der eigentliche Grund, warum ich aus dem SAC austrete. Das männliche Pendant des Hüttenpersonals war ein alter, weisshaariger, bärtiger Mann. Intensiv damit beschäftigt einen Wanderer übelst, also richtig übel, anzufahren, weil er sich nach einem Schlafplatz erkundigt hatte. Man hätte sich anzumelden, wo käme man hin, wenn da jeder einfach rein latschen würde, er koche doch nicht für so und soviel Personen... Und wenn er mit dem einen oder anderen Argument noch recht gehabt hätte, c'est le ton qui fait la musique. Gerade bei einem Verein, welcher Jahr für Jahr jammert, dass die Übernachtungen zurück gehen. Und Jahr für Jahr dem guten Petrus die Schuld in die Schuhe schieben.
Ja, es passte zum Profil eines Mannes, welcher Kühe auf bösartige Camper hetzt. Nur die Tatsache, dass ich ebenfalls einen Schlafplatz brauchte hinderte mich daran, über den Tresen zu langen und dem Herren links und rechts eine an die Backen zu schmieren. Gut, er war auch einen Kopf grösser als ich.
Bisher bezahlte ich meine SAC-Mitgliedsgebühren in der Annahme, dies wäre eine gute Sache. Ich sah es als Gönnerbeitrag. Nun, da ich weiss, dass man in den Hütten keinesfalls Gast sondern bestenfalls ein Bittsteller ist, kann ich mir die Beiträge auch sparen und dem Best-Western-Club beitreten.
Ich wollte dem Herren nicht noch mehr Ungemach bereiten, Gott verhindere, dass er noch einen Kaffee aufsetzen müsste, und fragte einfach nach einer Ecke zum nächtigen. Er würde nicht merken, dass ich hier sei, würde gleich bezahlen und wäre schon wieder weg, noch bevor er wutentbrannt das erste Frühstück auf den Tisch geknallt hätte.
Wir sahen uns des Morgens noch kurz, er war jedoch so zackig in seiner Kombüse verschwunden, dass ich ihn nicht nach den Kühen fragen konnte. Oder den 500 Franken für mein Nordisk.
Dies trug sich im August 2017 zu. Zurück zur Vorbereitung
Glücklicherweise stand die Firma Salewa meinem Dilemma mitfühlend zur Seite und so pflückte ich ein Zweipersonen Litetrek Pro aus dem Regal. Es wäre ein Traum von mir, ein Zelt selbst zu designen, das Litetrek kommt meiner Idealvorstellung doch schon ziemlich nahe. Eine Semi-Geodät-Konstruktion. Sprich, nicht ganz soviel Stangen, aber doch ordentlich stabil und vor allem, selbsttragend. Zeltnägel oder Heringe halten das Ding eigentlich nur am Boden, wenn ich mal eben nicht drin sitze und ein Windstoss kommt. Man kann das Innenzelt gemütlich mit dem Aussenzelt verbunden lassen und die komplette Konstruktion in einem Wisch aufstellen. So wird auch bei Regen nichts nass. Sitzt man erst einmal im Trockenen, hat man die Möglichkeit, das Innenzelt zu verkürzen und erhält eine grössere Apside um sich in Ruhe zu organisieren, damit keine nassen Sachen in das Innenzelt, sprich die eigentliche Schlafkabine gelangen. Oder so man sich unter Dach noch etwas kochen möchte. Wobei ich bei der Nutzung eines Benzinbrenners dann doch davon absehen würde. Die Belüftungsschlitze lassen sich ebenfalls von innen öffnen. Was übrigens zu empfehlen ist. Es sind Belüftungsnetze vorhanden, doch nicht in solchen Dimensionen, dass man gefühlt inmitten eines Windkanals sitzt. Gerade genügend, um die warme Luft nach aussen zu leiten, bevor die Zeltblache vor Kondenswasser trieft.
Wirklich, das Ding ist eine durchdachte Sache.
Während man mein Salewa meines Erachtens nicht genug sehen und bewundern kann, setzt Fabian auf den Stealth-Modus. Mit dem Observer Plus aus dem Hause Carinthia besitzt er den Rolls Royce unter den Biwaksäcken. Eine Wassersäule, welche Gummibote vor Neid erblassen lässt und dank der grosszügigen Verwendung von Gore-Tex auch noch atmungsaktiv.
Wir werden uns wohl nie einig, ob man mit dem Zelt oder Biwaksack besser unterwegs ist.
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