Ich gehe in den bewohnten Raum, sehe durch das große Fenster, kann fast die ganze Stadt überblicken, ein Modell auf einem schmutzig grauen Reißbrett. Mir wird schwindlig, ich trete einen Schritt zurück, in diese Turmzelle, setze mich auf den einzigen Stuhl.
Der Mann, Martin Steinrück, kommt im Rollstuhl mit dem Aufzug herauf, er fährt zum Fenster, sagt: „Nun?“
„Ja.“ Was soll ich jetzt auch anderes sagen. Martin Steinrücks Bart versteckt etwas, ob er denn echt ist, vielleicht ist er gefärbt, ich lache, auch der Mann im Rollstuhl lacht, er sagt: „Menschenskind!“
Seine Augen, keine Ahnung, was ich von seinen Augen halten soll, sie sind dunkel, man tappt hinein, sie sind tief, man fällt lange. Sie blicken fragend, unsicher vielleicht, sie blicken nicht durch mich, als gäbe es mich nicht, wie die meisten Augen, die ich kenne. Für einen Moment glaube ich in Jokers graugrüngelbe Augen zu sehen, doch dann sind sie ohne Farbe, mich friert.
„Komm mit“, sage ich, eher aus Mitleid für den Krüppel.
„Wohin denn?“
„Auf den Garagenhof, was weiß denn ich.“
Martin Steinrück zieht sich die Schlafdecke bis an den Hals, schiebt die Arme darunter, er sagt, seine Stimme klingt schwach, aber bestimmt, wie es nur Kranke drauf haben: „Ich kann nicht weg.“
„Kein Problem“, sage ich. „Dein Rollstuhl fährt von ganz allein. Wenn die Batterie leer ist, schiebe ich ihn.“
„Das verstehst du nicht, N Punkt.“
„Es gibt immer einen, der dich verstehen kann“, wiederhole ich seinen Spruch, wir lachen, das klappt ganz gut zusammen.
„Ich kann hier nicht weg“, wiederholt er bestimmt.
Ich sehe mich um. „Warum denn nicht?“
„Ich habe zu tun. Tut mir leid.“
Auf dem Tisch liegen Briefpapier, jede Menge Kugelschreiber, Farbstifte, Füllfederhalter. Mir fällt die Annonce ein: Herzschmerzen? Ich bringe in Worte, was Du fühlst ... Martin Steinrück, ein Liebesbriefschreiber. Eine Seite Papier ist zur Hälfte beschrieben, ich kann erkennen: Liebste Helga, Du musst Dich nicht wundern...
Der Mann Krüppel an den Tisch heran, schlägt beide Hände auf das Papier, ruft: „Das geht dich nichts an!“
„Entschuldigung“, sage ich, peinlich das Ganze.
„Ist schon in Ordnung.“
„Na dann“, ich will jetzt nur noch den Krüppel abschütteln, „ich muss los.“
„Bleib doch.“ Er bewegt die Hände auf dem Papier; es sind bleiche Hände, die trotz ihrer beachtlichen Größe schlapp wirken. „Wir können reden“, sagt er. „Über diesen Joker.“
„Schon gut, ist okay, wirklich.“ Ich gehe die schmale Treppe hinunter, öffne die Wohnungstür, höre ihn schreien: „N Punkt!“
Die Fahrstuhltür öffnet sich, eine Frau tritt heraus, ihre Blicke stechen, stempeln mich ab, endlich schließt die Tür, der Kasten rumpelt mit mir abwärts.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.