«Das kann ich sehr wohl!», meinte der König: «Und nun geht. Mich strengt es an mit Euch zu sprechen!»
«Bei den Göttern. Ihr macht einen schweren Fehler!», sagte Johannes: «Verflucht soll der sein, der sich gegen die Götter und seine Priester stellt!»
«Ihr wagt es mir zu drohen?», schrie der König.
Lord Philipp wollte etwas sagen um die Sache zu deeskalieren. Doch der König war sichtlich aufgebracht und wütend. Und dies war durchaus verständlich. Es ging immerhin um seine Tochter. Barsch unterbrach er seinen Kommandeur: «Schweigt, Lord Philipp. Ich lasse mir das nicht gefallen! Nehmt Ihn fest und schmeißt ihn in den Kerker!»
«Was?», Lord Philipp starrte seinen Herrscher irritiert an. Ja, er war voll und ganz dafür, dass man dem Priester mal einen Denkzettel verpassen musste. Allen Priestern im Grunde. Es gab so viele Geschichten. Von Unzucht, von Hurerei, Besäufnissen ... und im Grunde versteckten sich die Priester hinter einer Fassade göttlichen Glaubens. Aber den Obersten Priester wegzusperren? Nein, davon hielt er nichts. Das war dann doch zu viel.
«Hört Ihr nicht?», schrie der König und winkte die Wachen, die am Eingang standen, her.
Diese reagierten nur zögerlich. Eigentlich musste der Kommandeur reagieren. Aber der stand nur da. Und so gingen sie zu dem Priester und packten diesen.
Lord Philipp reagierte dann doch. Er ging zum Priester, schaute diesen einen Moment an und meinte schließlich zu den beiden Soldaten: «Führt ihn ab!»
«Bei den Göttern, das war nicht meine Absicht!», sagte Lord Marcus: «Ich hätte nie gedacht, dass der König so reagiert!»
Lord Philipp schüttelte den Kopf: «Es ist nicht Eure Schuld. Ich hätte vermutlich genauso gehandelt. Unter uns, ich traue den Priestern nicht. Doch das ist der falsche Weg! Das wird schnell seine Runde in der Stadt machen!»
«Ihr sagt also, dass der König überzogen reagiert hat?», fragte Lord Marcus unsicher. Er selbst würde das vielleicht denken, aber nicht laut aussprechen.
«In der Tat. Er hat sich verändert seit seiner tagelangen Starre. Er ist launisch geworden. Teilweise sogar aggressiv!», meinte der Kommandeur: «Euch trifft keine Schuld!»
«Ich hätte mich raushalten sollen!»
«Was hattet Ihr überhaupt bei den Priestern gesucht?»
«Nun ja. Ich wollte um Zusammenarbeit bitten. Bei den Ermittlungen in Zukunft müssen alle Aspekte berücksichtigt werden.»
«Nun, das gelang Euch nicht. Das ist sicher. Auf die Hilfe der Priester müsst Ihr erst einmal verzichten!»
«Ich hatte mir das alles anders vorgestellt!»
Lord Stephan kam mit raschen Schritten auf die beiden zu. Schon von Weitem fragte er: «Was ist los? Man hat mich rufen lassen?»
«Der König hat befohlen den Obersten Priester einzusperren!», meinte der Kommandeur.
Lord Stephan riss die Augen weit auf: «Was? Aber wieso?»
«Nun ja. Die Priester sind nicht wirklich das, was sie darstellen oder zumindest versuchen dazustellen, sie sind ...», Lord Marcus suchte nach Worten: «... nicht immer so tugendhaft!»
«Das ist mir klar!», meinte Stephan: «Das ist allen klar. Aber sie sind die Priester. Und das ganze Volk fürchtet nichts mehr als die Götter. Keinen Krieg, keine Seuche, nichts fürchten sie mehr als die Götter. Und die Priester sind der direkte Draht zu ihnen!»
«Und wer sagt das? Die Priester. Auch ich bin ein gläubiger Mann, aber es ist doch denkbar einfach für die Priester zu sagen all ihre Worte sind die Worte der Götter!», Lord Philipp zeigte auf sein königliches Siegel, das er am Finger trug: «Dies hier zeichnet mich aus, dass ich die Stimme des Königs bin. Ihr alle tragt diesen Ring. Aber wenn der König ihn uns wegnimmt, dann sind wir auch nicht mehr seine Stimme. Den König, den hört man. Er kann zum Volk sprechen und einen Offizier aus seiner Offizierswürde verbannen. Wer aber hört die Götter? Nur die Priester.»
Stephan nickte: «Ich gebe Euch recht, Lord von Raditon. Und dennoch ist es taktisch unklug. Die Priester sind mächtig und spielen mit der Angst!»
Der Kommandeur schaute seinen Offizier an. Er wusste, dass dieser recht hatte. Sie konnten den Priester nicht wegsperren. Das würde für Ärger sorgen. Aber der König hatte entschieden.
«Ihr solltet noch mal mit dem König sprechen!», meinte Marcus um Lord Stephan zu unterstützen.
Philipp nickte: «Ihr habt beide recht, meine Herren. Und ich bin Eurer Meinung. Ich werde mit ihm sprechen. Gleich morgen früh!»
10
Xipe Totec,
Königlicher Palast
Oxomoco rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Wobei die Bezeichnung Stuhl eher nicht zutraf. Es war mehr ein Sessel. König Atlacoya hatte darauf bestanden, dass man ihn für seinen Stiefbruder aufstellte.
«Was ist mit deinem Freund?», fragte Atlacoya.
«Itzli? Er vergnügt sich vermutlich mit den Weibern. Sie scharen sich um ihn wie um einen verletzten Hund!»
«Was findest du nur an ihm?», Atlacoya verstand es nicht.
«Er ist mir treu und wir sind ein gutes Gespann!»
«Ein Gespann? So wie eine Art Pferdegespann?»
«Du weißt, wie ich das meine! Du bist nicht dumm!»
«Nein, bin ich nicht. Deshalb bin ich König!», grinste Atlacoya.
Oxomoco schüttelte den Kopf. Der Mann mit dem nehatanischen Namen aber dem Aussehen eines Mani wirkte genervt: «Ich habe es dir schon einmal gesagt und wiederhole es gerne. Weder deine Intelligenz, noch die Götter sind dafür verantwortlich, dass du König bist. Sondern nur, dass du aus dem Schoß der Frau kamst, die von deinem Vater gevögelt wurde!»
«Du sprichst von unserer Mutter, als wäre sie irgendeine Nehatanerin von vielen!»
«Sie ist nicht meine Mutter und ich bin müde das immer und immer wieder zu wiederholen!»
Atlacoya wurde sauer: «Was hätte mein Vater tun sollen? Dich im Fluss ertränken? Oder hätte er dich den Söldnern überlassen sollen? Sie hätten dich an perverse Idioten verkauft. Und die hätten dann aus dir ein missbrauchtes Kind und später eine männliche Hure gemacht!»
«Ich bin deinem Vater immer dankbar gewesen, dass er mich gerettet hat. Und dennoch war ich für ihn eher wie ein Hund, den man von der Straße holt!»
«Ist dieses Denken der Grund, dass du nun so bist, wie du bist?», fragte Atlacoya und schaute zur Türe. Er bekam keine Antwort mehr.
«Verzeiht!», meinte einer der Soldaten: «Der Priester ist da. Mit dem Götteropfer!»
«Holt ihn herein!»
Der Hohepriester hatte nicht zu viel versprochen. Er hatte eine wahre Schönheit in Tezcatli Poca gefunden. Eine stolze junge Nehatanerin mit äußerst hübschem runden Gesicht, wahnsinnig schönen braunen Rehaugen, vollen Lippen und wallendem braunem Haar. Sie hatte einen schlanken Hals, war allgemein durchaus schlank, hatte jedoch enorm große Brüste.
Ihre Augen wirkten wach. Sie schien stolz zu sein, dass sie auserwählt war. Angst hatte sie keine. In ihr pochte zwar wie wild das noch junge Herz, aber wohl mehr der Aufregung geschuldet nun vor den König zu treten. König Atlacoya, den mächtigsten Mann von ganz Nehats.
Nackt wurde sie hereingeführt. Sie sah demütig aus, hatte den Kopf gesenkt. Ihr Respekt vor dem Herrscher war groß.
Atlacoya schaute sie von oben bis unten an. Er nickte zufrieden, stand von seinem Thron auf und ging dann zu ihr. Er fasste an ihre Brüste, hob sie ein wenig an, so als wollte er ihr Gewicht prüfen: «Fast zu schade um sie den Göttern zu opfern!», sagte er: «Sie wäre eine prächtige Sklavin in meinem Harem.»
Sie wurde rot vor Verlegenheit. Oxomoco konnte das nicht sehen. Obwohl er unter den fast schwarzen Nehatanern aufgewachsen war, hatte er dafür keinen Blick. Die Gefühlsregungen des schwarzen Volkes waren ihm fremd. Ein Nehataner wie Atlacoya sah jedoch trotz der dunklen Hautfarbe, dass sie errötete.
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