die Thüre sodann von innen öffnen und den
Grauschimmel herausführen. Der Dieb selbst wollte
außen warten und das Pferd dann in Empfang nehmen.
Der Knabe that wie ihm geheißen: er kroch durch
das kleine Fenster und kam glücklich in den Stall, in
dem er vorne das Pferd fand und von der Krippe losmachte
und mit diesem wieder zurück durch den Stall
schleichen wollte. Als aber die goldenen Hufe auf das
Steinpflaster klappernd aufschlugen, erwachte zuerst
e i n Stallknecht und der rief nach den andern, und im
Nu kamen alle mit Lichtern in den Stall herunter und
ergriffen den Knaben auf frischer That.
Dies wurde dem König gleich am Morgen gemeldet,
– denn es war der König, welchem das Pferd gehörte
– und er sagte, daß man den Dieb noch am selben
Vormittag aufhenken solle. Er wolle dann selbst
kommen und zusehen, daß es auch richtig geschehe.
Als der Knabe den Strick schon um den Hals hatte
und aufgeknüpft werden sollte, bat er, noch einige
Worte reden und seine Geschichte erzählen zu dürfen.
Es wurde ihm erlaubt und er sprach:
»Ich war zuerst in des Wolfes Bau,
Und kam alsdann in des Adlers Klau',
Im Wallfischbauch hab' ich zugebracht,
Lebendig lag ich in Grabesnacht,
Dem Räuber diente ich s o zum Schluß,
Daß ich mein Leben verlieren muß.
Das Silbermesser mit Gabel doch
Von meinem Vater, das hab' ich noch,
Das ich der Amme einst bringen sollt',
Als er im Wagen davongerollt.«
Als der König, der der Hinrichtung zuschauen wollte,
dies hörte, sprang er auf und umarmte den kleinen
Dieb, welcher gerade aufgehängt hätte werden sollen,
denn es war ja niemand anders als sein eigener Sohn.
Und Freude herrschte im ganzen Land
Weil seinen Erben der König fand.
Als Prinz nun reitet er aus dem Schloß
Auf goldbehuftem und stolzem Roß.
Fiddiwau.
Es war einmal ein fauler Mann und eine faule Frau,
und die hatten einen Sohn, der ein solcher Faulpelz
war, daß er auch nicht die allerkleinste Arbeit verrichten
mochte.
Dem Vater und der Mutter war es so wie so recht,
ob er nun zu etwas nütze war oder nicht; wenn er nur
gut gedieh, denn beide Eltern hielten ganz unbändig
viel auf ihren Sohn.
Und er gedieh auch recht gut, er wurde groß und
stark und dick und fett, und war allezeit lustig und
guter Dinge; aber niemals mochte er etwas Nützliches
anfangen.
Als er erwachsen war, besprachen sich seine Eltern,
auf was er sich jetzt verlegen und was er werden sollte.
E t w a s mußte es wohl sein, damit er doch sein
tägliches Brod hatte, denn zu Hause ging es nur sehr
knapp her. Aber es wäre Sünde und Schande gewesen,
von ihm zu verlangen, daß er irgend etwas arbeiten
sollte. Dazu hatte er ja nie Lust gehabt, – und nur
die Lust fördert das Werk. So wurde denn schließlich
bestimmt, daß er hinausziehen und betteln solle. Das
war der Lebensweg, der, wie es ihnen schien, am besten
paßte für den lieben Jungen.
Er bekam denn eine Tasche über den Rücken, einen
Stock in die Hand und so trabte er gemächlich fort. Er
ließ sich gute Weile, denn er hatte ja keine Eile, und
mit Hast mochte er auch nichts thun, – denn mit Hast
wird's zur Last. Als er eine kurze Strecke gegangen
war, wurde er hungrig, drum setzte er sich ins Gras
nieder und verzehrte, was er von zu Hause mitbekommen;
und nachdem er gespeist hatte, wurde er schläfrig
und drum legte er sich unter einen Baum, um zu
schlafen. Als er wieder erwachte, neigte sich der Tag
schon dem Abend zu, und er meinte wohl noch eine
kleine Strecke gehen zu können, ehe er irgendwo hineinging,
um sich ein Nachtquartier zu erbetteln.
Wie er so den Weg entlang schlenderte, begegnete
ihm ein altes Weib. »Guten Abend!« sagte sie, »wo
willst du denn hin?« – »Ich will ausziehen und betteln
gehn,« antwortete er, »und das soll jetzt mein Lebensweg
sein, denn zur Arbeit tauge ich nichts. Vor allem
muß ich jetzt schauen, daß ich an einen guten Ort
komme, wo man für ein gutes Wort ein Nachtlager
bekommen kann.«
»Ja, so einen Ort kann ich dir schon weisen,« sagte
das Weib. »Gehe nur in das erste Anwesen linker
Hand, zu dem du hinkommst, hinein. Dort wird man
dich schon übernachten lassen, wenn du nur genau
thust, was ich dir sage. Bevor du zur Thüre hineingehst,
hebe einen kleinen Stein auf, der davor liegt,
und stecke ihn zu dir. Und wenn du hineinkommst,
sage Dank zu allem, was man zu dir sagt, und was es
auch sein möge. Und wenn alle andern schlafen, dann
lege den kleinen Stein auf den Herd unter die Asche,
wo das Feuer gemacht wird.«
»Schönsten Dank!« sagte der Bursche und schlenderte
langsam weiter, bis er zu dem ersten Anwesen
linker Hand kam. Er hob den kleinen Stein, der vor
der Thüre lag, auf und ging dann hinein. Er traf drinnen
eine Frau, welcher er einen guten Abend wünschte
und bat, da über Nacht bleiben zu dürfen. »Nein!«
sagte die Frau, »das geht nicht an.« – »Schönsten
Dank!« erwiderte er. »Ich sage ja, daß es nicht angehen
kann,« wiederholte die Frau, »wir können keine
fremden Leute beherbergen.« – »Schönsten Dank!«
sagte er abermals und setzte sich auf eine Bank nieder.
Da ließ ihn die Frau sitzen, weil sie ihn doch
nicht geradezu hinausjagen wollte.
Bald darauf kam der Mann nach Hause. »Wer ist
denn das, der dort sitzt?« fragte er. »Ich weiß es
wahrhaftiger Gott nicht,« antwortete die Frau; »entweder
ist er taub, oder er ist ein Tölpel, denn ich habe
ihm gesagt, daß er nicht dableiben könne; und trotzdem
sagt er in einemfort Dank zu allem.« Der Mann
sagte nichts dazu, sondern setzte sich an den Tisch;
und die Frau ging hin und schöpfte ihm sowohl Suppe
als Zuspeise aus dem Topf und stellte es vor ihren
Mann hin und sagte zugleich, daß er nun davon essen
könne, soviel ihm schmecke, und was übrig bleibe,
würde sie dann aufheben. Aber an den fremden Burschen
dachte sie nicht und blickte auch gar nicht hin
zu ihm.
»Vergelt's Gott, tausend Dank!« sagte der Bursche
und rückte zur Schüssel hin und aß tüchtig Suppe und
Zuspeise, so daß dem Manne nicht das geringste
übrig blieb. Sowohl der Mann als die Frau wunderten
sich sehr über diesen Kerl; aber sie sagten nichts.
Dann ging die Frau hin und machte ihrem Mann
das Bett und sagte zu ihm, daß er sich jetzt niederlegen
könne, wenn er wolle. »Schönsten Dank!« sagte
der Gast, warf seine Kleider vom Leibe und sprang
ins Bett. Und ehe sich die Leute noch von ihrem Staunen
erholt hatten, hörten sie ihn schon süß schlafen.
Da konnten sie es doch nicht mehr übers Herz bringen,
ihn aufzuwecken und wieder aus dem Bett herauszujagen;
und so ließen sie ihn denn liegen und
machten es sich auf dem bloßen Fußboden bequem.
Als dann alle in festem Schlafe ruhten, schlich sich
der Bursche aus dem Bett, ging zum Feuerherd hin
und verbarg den kleinen Stein in der Asche; und dann
legte er sich wieder schlafen.
Die Leute da im Hause hatten auch eine Tochter,
ein großes, hübsches Mädchen, das noch nicht lange
erwachsen war; und dieses stand nach dem Brauch
des Hauses immer zuerst auf, um das Feuer am Herde
anzumachen. Und das sollte sie auch an diesem Morgen
thun. Sie nahm den Feuerhaken, stierte die Asche
auf und legte neues Brennholz darauf; aber sie konnte
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