Vielleicht erfahren wir es noch im Verlaufe unserer weiteren Gespräche, mein hoch geschätztes Publikum. Aber die Zeit dafür ist recht knapp bemessen, denn ich habe einen streng vorgegebenen Termin für den Schlusspunkt unter dieser Erzählung, spätestens am Ostersonntag 2013. Ansonsten gnade mir Gott! Huch, worauf habe ich mich da bloß wieder eingelassen? Also wirklich freiwillig geschieht hier kaum etwas, zudem wegen meiner sonstigen Pflichten wie bereits früher auch nur beiläufig.
Was in drei Teufels Namen sei jetzt urplötzlich in mich gefahren, werden Sie, meine verehrten Begleiter, hierauf sicherlich etwas verblüfft fragen. Warum völlig unvermittelt diese sibyllinischen Worte? Oder hat sich gar ein manischer Trieb in mir verfestigt, eine innere Besessenheit, die mich unentwegt wie im Selbstlauf jagt, weil sie oftmals stärker ist als mein gelegentliches Verlangen nach mehr besinnlicher Gelassenheit? Existiert sie überhaupt, die Obsession, jene individuelle Zwangsvorstellung, von der Psychologen künden? Ich fürchte ja, denn die meisten „Seelenklempner“ wissen durchaus, was sie sagen und tun, auch wenn man unter ihnen vereinzelt gewohnheitsmäßigen Dilettanten und berüchtigten Scharlatanen begegnet. Aber die gibt es schließlich in jedem Arbeitsfeld. Oder etwa nicht?
Später greifen wir das heikle Thema wieder auf, um mehr darüber zu erfahren. Versprochen! Dafür entnehmen wir aus der ehern aufgetragenen Frist eine wichtige Orientierung: Jedwede zeitliche Rück- oder Vorschau kann nur aus diesem Blickwinkel erfolgen. Hinterher wähne ich mich vielleicht auch wieder ein bisschen schlauer.
Ich will Ihnen auch nicht vorenthalten, dass es zu meinem ersten Buch („Offenbarung“) einen gnadenlosen Verriss gab, welcher bereits wenige Tage nach seinem Erscheinen von einer Journalistin westdeutscher Herkunft in einer recht auflagenstarken Zeitung publiziert wurde. Das empfand ich relativ lange als äußerst qualvoll, zumal es für dessen Vertrieb einen denkbar ungünstigen Start bedeutete. Es tat wahrhaftig furchtbar weh und verunsicherte mich aufs Äußerste, denn es brannte für eine geraume Weile wie Fegefeuer auf meinem ansonsten meist heiteren Gemüt. Der Schmerz hielt mich regelrecht gefangen. Ich war untröstlich, hatte fast schon bereut, überhaupt etwas zu Papier gebracht zu haben. Wollte ich es hier anders darstellen, wäre ich unaufrichtig. Dahingegen muss ich eingestehen, dass ich die Misere selbst verschuldet hatte, indem ich jene Frau ausdrücklich um eine Rezension bat, freilich nicht im Entferntesten ahnend, dass sie derart vernichtend ausfallen könnte. Es war eben ihre spezielle (politisch-ideologische!) Sicht der Dinge und Geschehnisse. Okay! Das musste ich einfach zur Kenntnis nehmen, auch wenn ich bis heute nicht begreife, mit welcher Selbstverständlichkeit sie mich heimtückisch in die Pfanne haute.
Auf meiner Seele verspüre ich jedenfalls bislang noch keine Hornhaut, obwohl sie gerade in dieser Gesellschaft zuweilen bitter nötig wäre. Manchmal staunen wir sowieso darüber, wie es selbst nach so langer Zeit unserer Wiedervereinigung sein kann, dass hinsichtlich bestimmter Auffassungen und Praktiken zwischen west- und ostdeutschen Bürgern teilweise immer noch Welten liegen. Was doch vierzig Jahre staatliche und soziale Trennung so alles verursacht haben! Vermutlich wird es erst die nächste Generation bewirken, dass die allenthalben (?) ersehnte innere Harmonie vielfach erwünschte Früchte trägt (falls nicht jene die Oberhand gewinnen und behalten, denen das Prinzip „Teile und herrsche!“ stets als ein fundamentales Herzensbedürfnis gilt). Dennoch meine ich: Die Menschen der alten Bundesländer sind nicht besser und natürlich auch nicht schlechter als die ostdeutschen. Sie sind einfach anders. Und genau das veranlasst uns zum tieferen Nachdenken.
Indessen blieben aber die anderen Entgegnungen der Hörer und Leser überwiegend positiv (sachliche Kritiken gehören dazu). Vereinzelt waren sie sogar euphorisch. Da mir jedoch überschwängliche Lobgesänge auch nicht unbedingt glaubhaft erscheinen, nehme ich sie stets mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen, ohne deswegen womöglich einem erneuten Lamento anheimzufallen.
So weit das erste Resümee meiner einschlägigen Erfahrungen, wobei ich selbstredend nicht gänzlich ausschließen kann, dass mancher Gedanke dem Empfänger als subjektiv gefärbt begegnen wird, da sich unser Befinden ja stets personengebunden offenbart.
Bevor wir uns nun doch bald gemeinsam auf die intensive Suche nach den Ursachen eines außergewöhnlichen Phänomens begeben, das zumindest in Europa bislang einmalig sein dürfte, halte ich es noch für angebracht, die wichtigsten Leitgedanken aus dem Vorwort der einstigen „Offenbarung“ zu zitieren. Meine dortigen Ausführungen passen nämlich fast haargenau auch zu dieser Erzählung.
Seinerzeit schrieb ich unter anderem:
Worin besteht denn überhaupt der tiefere Sinn oder Zweck unseres sowieso flüchtigen Aufenthaltes auf Erden, wenn wir als „Kronen der Schöpfung“ nicht unentwegt danach strebten, den einmaligen Planeten und namentlich seine wundersamen Kinder ein wenig besser zu verlassen, als wir sie vorfinden? Übersteigerte Erwartungen befallen mich dabei freilich nicht, denn ich wähne mich keinesfalls als Weltveränderer. Gleichwohl nähre ich fortwährend die vage Hoffnung, man könne bisweilen etwas dafür tun, jeder gemäß seiner Virtualität. Eigens deshalb verknüpfe ich meine Ausführungen fast durchgängig mit eigenen Gedanken zu Problemen, bei denen ich glaube, dass sie zumindest teilweise von allgemeinem Interesse sind. Auch wenn uns das Ergebnis eines solch eigenwilligen Verfahrens vielleicht als gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, da es nicht der üblichen Spannungsliteratur entspricht, so war es doch von Beginn an meine feste Absicht, quasi Pflicht und Wille in einem, mein individuelles Urteil zu jeweils aktuellen Geschehnissen in die sonst eigenständige Kriminalhandlung vielgestaltig einfließen zu lassen (Kostproben kennen wir ja bereits).
Dabei geraten zwangsläufig bestimmte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ins Visier der Kritik. Hierzu sei jedoch ausdrücklich versichert, dass mir jedwede Belehrung fernliegt, zumal ich selbst, wie eh und je, ein Suchender bin und stets mehr Fragen habe als Antworten. Ergo traue ich mir im günstigsten Falle zu, vereinzelt keimfähige Denkimpulse zu vermitteln, mehr nicht. Aber das wäre schon viel, und es stellte mich zweifellos sehr zufrieden.
Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ich mich durch eine derart umfassende Meinungsäußerung zu mehreren Ereignissen in deutschen Landen, manchmal auch darüber hinaus, fortan selbst in einen Glaskasten begebe, weil verkündigte Gedanken auch in einer Demokratie nur bedingt frei sind. Dessen ungeachtet nehme ich mir das Recht, unverblümt zu schreiben, was ich tatsächlich empfinde und denke. Dies muss ja bei Weitem nichts Endgültiges sein, denn ich lausche gerne den Worten kluger, umsichtiger und insbesondere toleranter Köpfe. Dagegen sind mir Fanatiker jeglicher Schattierung zumeist unangenehm, weil sie nach meiner Erfahrung eine wesentliche Quelle für vielerlei Konflikte verkörpern. Allerdings ist einzuräumen, dass man den anderen letztlich nur verstehen kann, wenn man sich bereit zeigt, unvoreingenommen auf ihn zuzugehen, da Vorurteile oftmals mit Irrtümern behaftet sind. Deshalb sollte diese Publikation auch als eine Art schriftliche Wortmeldung zu bereits vorhandenen oder noch möglichen Entwicklungsproblemen unserer Gesellschaft aufgefasst werden. Die entsprechenden Aussagen sind eingebettet in ein zeitgemäß fabuliertes Geschehen mit außergewöhnlichem Inhalt und Verlauf. Insoweit suchen wir auf dem Büchermarkt momentan wahrscheinlich noch vergebens nach etwas Gleichzusetzendem, obwohl sich das Gesamtangebot bereits seit Längerem als ziemlich gesättigt darbietet. Das behaupte ich hier einfach mal inbrünstig aus tiefster Überzeugung.
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