Gerner, Károly
Das Elbmonster
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerner, Károly Das Elbmonster Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
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Epilog
Impressum neobooks
Mein Freund Peter entdeckte mit knapp fünfundzwanzig Lenzen ein Mädchen, dessen graziöses Wesen ihn regelrecht überwältigte. Es begegnete ihm als die personifizierte Verkörperung einer nahezu idealen Harmonie von Natürlichem und Geistigem. Das nahm ihn restlos gefangen. Daraufhin frohlockte er dergestalt wonnetrunken, als hätte ihn Amors Pfeil mitten ins Herz getroffen und ihm zugleich von allen möglichen Geschenken das kostbarste verabreicht. Seine freudvolle Erwiderung gipfelte in zahllosen Dankeshymnen. Selbst im biblischen Hohelied Salomos findet sich keine schönere Lobpreisung der Liebe. Nichts war mehr wie früher. Alle Sinne unseres lichterloh entflammten Akteurs gerieten unweigerlich in höchst erquickende Wallung, ein Zauber, von dem man sich wünscht, er möge niemals vergehen.
Obgleich Peter sich einst vorgenommen hatte, möglichst lange als Single durchs Leben zu tigern, vermochte er einem derart unübersehbaren Liebreiz von jungfräulicher Anmut und betörender Eleganz nicht zu widerstehen. Sonach warb der schmachtende Jüngling fortan überaus leidenschaftlich um die Gunst seiner Angebeteten. Und die Schicksalsgöttin meinte es offenbar gut mit ihm, denn nach anfänglichem Zögern erwiderte das Mädchen bereitwillig sein glutvolles Begehren.
Allerdings zeigte er sich nicht minder aus erlesenem Holz geschnitzt. Naturgegeben körperlich schon im Kindesalter tadellos ausgestattet, blieb alles andere eine Frage von sinnträchtiger Bildung und Erziehung. Dazu waren seine Eltern durchaus fähig und auch fest entschlossen: die Mutter als angesehene Lehrerin, der Vater im Dienste eines hoch verehrten Priesters. Zudem galt ihnen Goethes Ideal vom Humanismus sowohl für ihr berufliches als auch privates Handeln als richtungweisend. Dort heißt es: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Und der Erfolg ihrer vielfältigen Bemühungen blieb nicht aus, denn ihr Sohnemann erfreute sich allenthalben und gleichermaßen fortwährend als ein besonders geachteter Erdenbürger. Selbstredend erfüllte das seine Familienangehörigen mit großem Stolz.
Die Liebe zwischen Peter und seiner unsäglich faszinierenden Veronika musste zwar im Verlauf von Jahrzehnten mehrere, teils auch ziemlich harte Proben überstehen, doch sie ward umso tiefer und fester. Wäre ich nicht persönlich vielfach Zeuge ihrer einzigartigen Zuneigung gewesen, ließe ich gegebenenfalls jene alltägliche Meinung vorbehaltlos gelten, wonach es solch phänomenale Bindungen auf Dauer nur in Märchen oder in den unzähligen Herz-Schmerz-Verlautbarungen gäbe.
Anscheinend widerfahren uns doch immer und überall im Leben bestimmte Ausnahmen, was fraglos auch in diesem Falle zutraf. Das wage ich mit Fug und Recht zu behaupten, denn Peter zählte schließlich seit unserer frühen Jugend zu meinen besten Freunden. Dazu will ich hier gerne bekunden, dass wir fortlaufend eine Beziehung pflegten und genossen, die von innigster Vertrautheit geprägt war.
Jedenfalls wandelten die beiden Sonntagskinder bereits vor und erst recht nach ihrer Vermählung wie dauerhaft von der Muse geküsst durch mancherlei Höhen und Tiefen irdischen Daseins, wohl kaum ahnend, dass ihr Stern jemals plötzlich an Leuchtkraft verlieren könnte, geschweige denn, sie als begnadete Geschöpfe irgendwann völlig überraschend und obendrein äußerst schmerzvoll vom drohenden Unheil befallen würden. Das wiederum kommt bekanntlich selten allein.
Immerhin zeugten sie zusammen auch drei Kinder, und ihr Glück schien geradezu perfekt, weil solide fundiert von einer rundum intakten Familie, die sich vor allem durch Nähe, Wärme und Geborgenheit auszeichnete. Auch beruflich waren sie erfolggekrönt, da sie ihre Arbeit mit Sachkenntnis, Zuversicht und beflissen verrichteten, was ihnen hohe Anerkennung einbrachte. Müßigkeit blieb ihnen stets wesensfremd.
Ihren Freundeskreis pflegten sie wie zarte Pflanzen, mit denen man behutsam umgeht, damit sie prächtig gedeihen.
Kein Wunder also, dass die Entwicklungsgeschichte meines Freundes Peter fast durchgängig so verlief, als hätte man sie einem hinreißenden Bilderbuch entnommen, deren Krönung freilich erst durch die ausnehmende Partnerschaft mit Veronika erfolgte. Beiden war die hilfreiche Gabe eigen, stets füreinander da zu sein. Ihr gegenseitiges Vertrauen war unerschütterlich. Es hatte sich mannigfach bewährt. Keinerlei Alltagsprobleme oder sonstige Konflikte vermochten ihre berückende Zweisamkeit zu gefährden oder sie gar aus der gewohnten Lebensbahn zu werfen.
Ich gestehe, dass mich angesichts ihrer fabelhaften Gepflogenheiten vereinzelt sogar ein leichter Neid beschlich, denn ich muss zugeben, dass sie die Lenkung des eigenen Schicksals oftmals viel cleverer meisterten, als ich es vermochte. Sie verfügten über die eher seltene Veranlagung, vielerlei positive Seiten des Lebens gezielt herauszufinden und klug zu nutzen. So hatten sie beizeiten auch folgenden Leitspruch verinnerlicht: „Erfreue dich möglichst täglich an dem, was du hast und kannst, statt unentwegt nach irgendwelchen Luftschlössern zu trachten!“
Insbesondere ihre praktizierte Toleranz gegenüber anderen Denk- und Verhaltensweisen beeindruckte mich nachhaltig. Ihr Umgangsmotto lautete: „Es sei alles erlaubt, was keinem schadet.“ Wer schafft das schon?
In ihrer Nähe musste man sich einfach wohlfühlen, denn bessere Freunde kann man sich gar nicht wünschen. Kurzum, sie wirkten in fast jeder Hinsicht als Vorbild für das Tun und Lassen ihrer Mitmenschen.
Namentlich ihr Ehebund übertraf fast alles an liebevoller Zuneigung. Das habe ich immer bewundert. Sie veranschaulichten quasi die ideale Partnerschaft, indem sie gegenseitig zuließen, dass jedem genügend Freiräume blieben, um sich zu entwickeln und auch eigene Interessen wahrzunehmen. Ebenso respektierten sie die individuellen Grenzen des anderen. Ihr Verhältnis zueinander war großmütig und von unerschütterlichem Vertrauen geprägt. Ich hätte jederzeit bereitwillig schwören können, dass sie sich gegenseitig auch immer treu waren.
So entrannen mehrere Jahrzehnte voller Glückseligkeit, bis das Unheil jählings wie aus heiterem Himmel mit brutalster Gewalt und obendrein gleich im Doppelpack über sie hereinbrach.
Genau zwölf Monate nach Eintritt ins Rentenalter befiel meinen selbstlosen Gefährten das allseits gefürchtete, weil unberechenbare, hinterlistige und immerwährend böse Haustier namens Krebs. Es nistete sich unversehens fest in seinen Körper ein und trieb fortab sein mörderisches Spiel. Bevor man erkannte, um welch ein zerstörerisches Biest es sich handelte, hatte es bereits in Windeseile zuhauf Metastasen hervorgebracht. Obgleich die Hoffnung meist zuletzt stirbt, blieb Peter keinerlei Chance mehr, dem grausamen Würgeengel zu entrinnen.
Wenigstens gewährten ihm die Mächte der Finsternis ein bisschen Zeit, die er eifrig nutzte, um wichtige Angelegenheiten zu erledigen. Auf den nahenden Tod war er ja überhaupt nicht vorbereitet. Eher glaubte er, der allmächtige Sensenmann befände sich noch in weiter Ferne, was sich freilich als schwerwiegender Irrtum herausstellte.
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