Der große, hufeisenförmige Empfangstresen würde zur Bar umfunktioniert werden. Andy hatte sich bereit erklärt, den Barkeeper zu machen und Jans Freund Tom wollte sich um die Musik kümmern.
Um ausreichend Zeit für die Vorbereitungen zu haben, sollte das Fitness-Studio bereits an diesem Tag, dem Donnerstag vor der Hochzeit, ab mittags geschlossen werden. Als Jan gegen viertel nach zwölf mit den Einkäufen ins Studio kam, zogen sich gerade die letzten Mitglieder um.
Andy war bereits dabei, die Gewichte aus dem großen Trainingsraum in einen der beiden kleineren Räume zu bringen, in denen sonst die Kurse stattfanden.
Jan schleppte die Einkäufe in die Küche. Nachdem er sie weggeräumt hatte half er Andy, den Trainingsraum zu leeren.
»Ist echt nett von dir, uns zu helfen«, keuchte er, als sie gemeinsam eines der Laufbänder in den Gymnastikraum hievten.
»Keine Ursache. Scheiße, ist das schwer!«
Auch Andy klang angestrengt. Beide stöhnten erleichtert auf, als sie ihr Ziel erreicht hatten und das Laufband absetzten. Jan rollte die Schultern und streckte den Rücken durch.
»Wieso haben diese Dinger eigentlich keine Rollen?«, wollte Andy wissen, stützte sich auf dem Sattel eines Heimtrainers ab und wischte sich die Stirn. Die Sonne schien durch die Fenster und heizte den Raum auf. Eigentlich war es viel zu warm für schwere, körperliche Arbeit.
Jan zuckte mit den Schultern, zog den Griff des Laufbands auf einer Seite nach unten, so dass sich die andere Seite vom Boden hob und warf einen Blick unter das Gerät. »Oh-oh!«
»Was ist?«
»Du musst jetzt sehr tapfer sein, Kumpel.« Mit einem schiefen Lächeln sah er seinen Freund an. »Es hat Rollen.«
»Du verarschst mich.«
Jan schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber sieh es mal so: Die anderen kriegen wir leichter hierher.«
Nach dieser bahnbrechenden Entdeckung waren die Hanteln und Gewichte das Schwerste, was sie zu tragen hatten und die Arbeit ging zügig voran. Das war auch gut so, denn kaum war der Raum leer, hörten sie eine tiefe Stimme aus dem Empfangsbereich. »Hallo-ho! Is hier wer?«
Jan eilte nach vorn. Vor dem Empfangstresen standen zwei Männer, die einen grünen Overall mit dem Aufdruck einer Transportfirma trugen.
»Hi! Sind Sie die Tische und Stühle?«, fragte Jan.
Die beiden Männer, der eine kahlköpfig und vierschrötig, der andere lang mit fettigen Haaren und unreiner Haut, grinsten sich an.
»Nee«, sagte der Lange. »Aba wir bringen welche.«
Jan klatschte unternehmungslustig in die Hände. »Na, dann mal rein damit. Wir sind gerade mit dem Leerräumen fertig geworden.«
»Denn is ja det Schwerste jeschafft«, lobte der Glatzkopf mit einem ironischen Unterton und zog mit seinem Kollegen von dannen.
Jan sah ihm mit gerunzelter Stirn nach. »Witzbold.«
Yvonne kam herein gefegt, mit hochgesteckten Haaren und der großen Tüte eines Geschäfts für Brautmoden in der frisch manikürten Hand.
Neugierig sah sie den Möbelpackern nach. »Sind das die Tische und die Stühle?«, fragte sie zur Begrüßung.
»Nee«, grinste Jan. »Aber sie bringen sie.«
»Haha.« Yvonne linste in den leer geräumten Trainingsraum. »Haste schon gesaugt und gewischt?«
Jan sah ihren zweifelnden Blick und tat unschuldig. »Wieso?«
Genervt stellte Yvonne die Tüte ab. »Siehste nich die ganzen Wollmäuse in den Ecken? Ist doch wohl sinnvoller, sauber zu machen, bevor sie die Möbel da rein stellen, oder?«
»Das war ’ne rhetorische Frage, stimmt’s?«
»Mannohmann!« Kurzerhand übernahm Yvonne das Kommando. »Bring den beiden ’ne Tasse Kaffee und sag ihnen, sie sollen ’ne Zigarettenpause machen. Ich mach inzwischen sauber. Danach hilfste mit Andy beim Schleppen, alles klar?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern holte den Staubsauger aus dem Abstellraum. Wenige Augenblicke später erklang ein lautes Dröhnen.
Jan eilte nach draußen. Erfreulicherweise parkten die Möbelpacker direkt vor dem Haus.
»Zigarettenpause!«, rief er.
»Echt?« Der Lange hielt drei Klappstühle in den Armen und sah ihn erstaunt an. »Wir ham doch noch jar nich anjefangen.«
»Order von der Chefin«, erklärte Jan. »Wollt ihr einen Kaffee?«
»Da sagen wir nich Nein.« Der Glatzkopf hievte seinen grün umhüllten Körper auf die Kante der Ladefläche und zündete sich eine Kippe an.
»Kommt sofort!« Jan eilte wieder zurück.
Eine halbe Stunde später standen ausreichend viele Tische und Stühle auf der rechten Seite des blitzsauberen Trainingsraums. Links sollte die Tanzfläche sein.
»So!« Yvonne sah sich zufrieden um. »Und nun wird dekoriert.« Sie zückte ihr Handy.
Jan grinste. »Gibt’s dafür ’ne App?«
Seine Fast-Ehefrau schüttelte seufzend den Kopf, bevor sie das Telefon ans Ohr hob. »Quatsch, du Doof! Ich rufe Melli an, sie wollte mir helfen. Hallo Melli, ich bin’s!«
Jan verkrümelte sich. Deko war nun einmal Frauensache, genau wie Putzen. Er würde sich lieber um die technischen Details kümmern. Zum Beispiel darum, mit Andy eine Bierflasche fachgerecht zu öffnen.
Er betrat gerade den Empfangsbereich, als sich die Tür zur Straße öffnete. Als Jan erkannte, welch Unheil auf ihn zukam, fluchte er leise vor sich hin. Sollte er sich mit einem waghalsigen Hechtsprung hinter den Tresen werfen, um nicht entdeckt zu werden? Doch es war bereits zu spät.
»Da bist du ja, mein Junge!« Seine Mutter kam mit ausgebreiteten Armen und einem erfreuten Lächeln auf ihn zu.
Sie trug ein teures, pastellgrünes Kostüm mit den passenden Schuhen und war in eine angenehm duftende Parfumwolke gehüllt.
Hinter ihr betrat Jans Vater das Fitness-Studio, lässig in einen hellen Leinenanzug gekleidet. Er sah sich mit einem Blick um, der ausdrückte: Na ja, ungefähr das, was ich erwartet habe.
Während Jan seine Mutter umarmte und den abfälligen Blick seines Vaters registrierte, spürte er, wie die altbekannte Wut in ihm hoch kroch. Doch er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. »Was macht ihr denn hier?«, fragte er.
»Oh, wir wollen gleich irgendwo eine Kleinigkeit essen und dann ein bisschen bummeln gehen«, berichtete seine Mutter vergnügt. »Aber ich habe zu deinem Vater gesagt, bevor wir mit dem Sightseeing anfangen, möchte ich das Studio meines Sohnes besichtigen.«
»Es ist nicht mein Studio«, stellte Jan richtig. »Es gehört Yvonne. Ich bin hier bloß angestellt. Das wird sich auch nach der Hochzeit nicht ändern.«
»Es ist auf jeden Fall sehr schick.« Pamela sah sich aufmerksam um. »Nicht wahr, Martin?«
Читать дальше