Vanessa S. Morolt
Der Wilde Jäger
Die Wiedergängerin - Band 2
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Inhaltsverzeichnis
Titel Vanessa S. Morolt Der Wilde Jäger Die Wiedergängerin - Band 2 Dieses ebook wurde erstellt bei
Fluch der Nacht
Die Elfe
Von Liebe und Erlösung
Geschichten aus einer anderen Zeit
Ein neues Leben
Der Kuss des Vampirs
Lügengeschichten
Verbannung
Neue Erkenntnisse
Eine verbotene Liebe
Wenn die Zeit Wunden heilt
Der Steinfriedhof
Tanz auf dem Aquädukt
Dunkle Schatten
Brudermord
Ulf
Die Erde bebt
Die Schlucht
Der Abschied
Neue Wege
Wilhelms Auftrag
Dörthes Befreiung
In der Falle
Rauhnächte
Wodan und Freia
Die Wilde Jagd
Das Opfer
Personenregister:
Über den Wilden Jäger
Impressum neobooks
Buch 2:
Der Wilde Jäger
Vanessa S. Morolt
1. Juni 2016
Copyright by Vanessa S. Morolt
basthet_1999@yahoo.de
Horch auf, was klirrt dort in der Gruft?
Was zischt und sauset durch die Luft?
Das muß der wilde Jäger sein,
Er zieht vom Schellert zum Rodenstein,
Hussa zum Rodenstein.
Im Schellert, da schlief er manch ein Jahr,
Reibt sich nun wieder die Augen klar,
Die Friedensburg steht dürr und leer,
Der Jäger zieht mit dem Geisterheer,
Zieht mit dem Geisterheer.
Er reitet voran auf schwarzem Roß,
Hallo! Wie saust ihm nach der Troß!
Es rauscht und spricht – es pfeift und knallt,
Daß drob ertönt der Odenwald,
Der weite Odenwald.
Aus: Rodenstein und Schellerts, Sagen aus Hessen
Theresia weinte. Es war dunkel im Zimmer und sie war aus dem Bett gefallen. In dieser sternenlosen Nacht kurz nach Neumond drang kein Lichtstrahl durch die Vorhänge und Theresia konnte nicht zurück in ihr Bett finden. Sie fror und sie hatte Angst und ihr Schmusetuch war nicht zu finden. „Mama! Mama!“, schluchzte sie laut.
Ich klopfte gegen die Fensterläden.
„ Ich bin ja bei dir, mein Schatz, ich bin ja da!“
Aber Theresia hörte sie nicht und weinte immer lauter und verzweifelter. Ich suchte und fand einen Stein, den ich gegen das Fenster warf, doch es zerbrach nicht. Im Inneren des Hauses öffnete sich die Tür und jemand betrat den Raum mit einer Kerze in der Hand.
„Mama! Mama!“, rief das kleine Mädchen erneut.
„Ich bin ja da, mein Schatz“, antwortete die Eintretende mit meinen Worten und ließ sich auf die Knie nieder. Ich erkannte Annamaria, einst meine liebste Freundin, die ihre Arme ausbreitete und das Kind an die Brust zog, den Scheitel küsste und beruhigend auf sie einredete.
„ Ich habe so schlecht geträumt, Mama“, flüsterte Theresia.
Nein! Nein! Ich ließ die Stirn gegen die Scheibe sinken. Sie hat mir meine Tochter weggenommen.
Veith hockte auf der Pritschenkante und musterte Magdas schweißüberströmtes, schmerzverzerrtes Gesicht. Sie litt die gleichen Qualen, die sie alle hier im Fegefeuer erduldeten. Natürlich träumte sie nicht von glühenden Eisen, die auf ihr Gesicht zukamen und ihr die Augen ausbrannten, nicht von Pferden, an die ihre Glieder mit Seilen gefesselt wurden. Pferden, die mit einer Peitsche zum Galopp angetrieben wurden und dabei einen Menschen auseinanderrissen. Ihn selbst, gefoltert und gemartert, unter höllischen Qualen auseinanderrissen.
Trotzdem zweifelte er nicht daran, dass sie genauso litt wie er selbst, Nacht für Nacht. Bis in die Ewigkeit.
Wie grausam mochte erst das Höllenfeuer sein?
Er schlüpfte in seine Stiefel und ging hinaus. Am Waldrand erahnte er bereits Helges gedrungene Gestalt, die ihn erwartete.
„Was hast du herausgefunden?“, fragte er seinen Freund.
Helge nickte ernst.
„Luis hatte Recht mit dem, was er gesagt hat. Simon sammelt seine Leute am Heierswall.“
Zornig schüttelte Veith den Kopf. „Dieser Mann lernt es nie. Er soll sich endlich mit seinem Machtbereich begnügen.“
Seit Jahrzehnten wollte Räuberhauptmann Simon vom nördlichen Gebiet ihm den Flusslauf der Timella abnehmen, der Veiths Territorium von dem des Fürsten von Ansphal trennte. Dort gab es die geschützten Höhlen, in denen Kupfer und Erz zum Schmieden von Waffen gewonnen werden konnten. Ein Räuber versuchte lieber, solche Rohstoffquellen an sich zu reißen, anstelle sich auf einen Tauschhandel einzulassen. Und so musste Veith immer wieder in Simons Territorium einfallen, um Kohle zu rauben und Simon versuchte, an die Höhlen zu kommen. Was ihm bisher jedoch nie gelungen war.
„Machen wir uns auf“, befahl Veith Helge und dieser gab ein liebliches Vogelzwitschern von sich, das von Luis, der in der Krone eines Baumes hockte, wiedergegeben wurde.
Es klopfte laut an der Tür. Sehr laut. Als trommele jemand mit zwei Stöckern im Wechsel gegen das Holz der Hüttentür. Verschlafen rieb ich mir die Augen und wandte mich zu Veiths Schlafstätte um. Doch sie war leer.
Als das Trommeln nicht verebbte, wurde mir klar, dass er nicht aufgestanden war, um die Tür zu öffnen. Ich wühlte mich aus der Decke und sah an mir herab, um zu prüfen, ob mich das Nachthemd auch züchtig bedeckte. Beim Öffnen der Tür verwandelte ich mich in Lenchen.
Ein aufgeregt zappelnder Luis stand vor mir und wedelte mit den Armen.
„Schnell, Lenchen, schnell …“
Er redete wirr und es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass er Hilfe brauchte bei einem Verletzten, der irgendwo in den Büschen am Waldrand lag.
Geschwind rannten wir über die Lichtung und in das Gebüsch hinein. An einen Baumstamm gelehnt lag ein Mann mit bleichem Gesicht und sein Hemd und die Hosen waren von dunklem Blut verschmiert. Erschreckt quiekte ich auf, als ich Veith erkannte. Mit langen Schritten eilte ich auf ihn zu und schlitterte neben ihm zu Boden.
„Was ist denn nur passiert?“
Ich zupfte an dem Hemd und eine furchtbar tiefe, mindestens zwei Handbreit lange, klaffende Wunde an der linken Seite seines Brustkorbs kam zum Vorschein, aus der unaufhörlich Blut strömte.
„Abdrücken“, keuchte Veith.
Verzweifelt sah ich mich um. Luis stand schluchzend neben uns.
„Komm, Luis, ich brauche deine Hilfe.“
Zögernd näherte sich der Junge.
Sobald meine Finger die Ränder der Wunde zusammenpressten, waren sie blutverschmiert. So konnte ich nicht helfen.
„Hier, drück deine Hände auf die Wunde“, befahl ich und der Junge gehorchte zitternd. „Fest, damit nicht noch mehr Blut hinausfließen kann.“
Fahrig wischte ich die Finger an meinem Rock ab. Was war zu tun? Ich schloss die Augen und versuchte mich zu konzentrieren. Saubere Tücher, Wasser …
„Was muss ich tun?“, rief ich hilflos.
„Nähen“, hauchte Veith mit letzter Kraft. Sein Auge war ganz hell, fast grün, geworden.
Gut, ich brauchte also auch noch Nadel und Faden. Und ich stellte mir vor, ich hätte alle Kräuter, die eine Heilkundige benutzte, um Verletzungen zu versorgen und auch das Wissen, sie zu gebrauchen.
Als ich die Augen öffnete, lag alles vor meinen Knien. Ich fädelte einen dunklen Zwirn in eine Nadel und biss die Zähne zusammen, als ich sie zum ersten Mal in Veiths Fleisch stach. Dieser schrie laut auf und verlor nach ein paar Stichen das Bewusstsein. Luis assistierte mir bleich, aber tapfer. Er tupfte das Blut weg, wrang den Lappen aus, reichte mir die Kräuter zu, die die Blutung stillen sollten. Zum Ende der Operation tauchte Helge an meiner Seite auf.
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