Freudhold Riesenharf
Harry hardcore I - Der junge Heine
Welche sterben, wenn sie lieben
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Inhaltsverzeichnis
Titel Freudhold Riesenharf Harry hardcore I - Der junge Heine Welche sterben, wenn sie lieben Dieses ebook wurde erstellt bei
1: Hanni
2: Zum Lazarus
3: Harry
4: Betty
5: Sara
6: Citronia
7: Julie
8: Der Taucher
9: Belsazar
10: Eva
11: Thamar
12: Bathseba
13: Susanna
14: Juliette
15: Kantiana
16: Venus
17: Mirjam
18: Berthe
19: Sefchen
20: Giselle
21: Antigone
22: Julia
23: Dejanira
24: Galathee
25: Sabrina
Impressum neobooks
Und der Sklave sprach: „Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Jemen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.“
Der Asra
Immer diese Träume. Immer suchen ihn diese erotischen Träume heim! Ich denke, Sie hegen kein banales Vorurteil gegen Träume; diese nächtlichen Erscheinungen haben wahrlich ebensoviel Realität wie jene roheren Gebilde des Tages, die wir mit Händen antasten können und woran wir uns nicht selten beschmutzen . Im Traum liegt er zusammen mit Betty irgendwo im sommerlichen Grün. Plötzlich spürt er eine große Süßigkeit. Die Süßigkeit gilt einer geliebten Frau. Aber nicht Betty, sondern einer anderen Frau. Die Süßigkeit ist gleichbedeutend mit Liebessehnsucht. Sehnsucht nach einer bestimmten Frau? Er weiß es nicht, er könnte es nicht sagen.
Da aber erscheint die Frau, vielleicht in Begleitung anderer. Er weiß nicht, wer sie ist, doch ist es die Frau seiner süßen Sehnsucht. Er steht auf und geht zu ihr hin, um sie zu begrüßen. Offenbar kennt er sie, denn es ist die Frau seiner Sehnsucht, und je näher er ihr kommt, desto stärker wird das Gefühl der Süßigkeit. Er spürt unendliche Zärtlichkeit für sie, doch spürt er eine Art Hemmung, wie wenn er einer anderen – Betty? Hanni? – treu bleiben müsste. Die Süßigkeit wird aber zu Zärtlichkeit. Sie wird so übermächtig, dass er sich ihrem Kopf nähert, so nah, dass er den Duft ihres Haares atmet. Die ganze Süßigkeit gilt ihr. Doch darf er sie nicht umarmen, sie ist ihm fremd und weiß vielleicht gar nichts von seiner Liebe; so streift er mit den Lippen nur leicht ihre Wangen, dann ihre Schläfe. Sie lässt es geschehen, das ist ein gutes Zeichen. Er sucht ihren Mund und streift ihn sacht, ganz sacht mit den Lippen, und sieht ihr zärtlich dabei in die Augen. Sicher schaut Betty von ihrem Platz aus zu, sie kennt die Frau nicht und nicht seine Beziehung zu ihr. Er müsste eigentlich ihr, Betty, – ihr, oder einer andern? – treu sein, kann es aber nicht, ihr nicht und auch nicht der andern, so sehr liebt er diese Frau. Die Fremde ist überrascht, als hätte sie nicht mit dergleichen gerechnet. Kennt sie ihn nicht? Wusste sie nicht, dass er so verliebt in sie ist?
Wie wird sie reagieren? Wird sie, wie durch seine Zärtlichkeit magisch bezwungen, ihn wieder lieben? Seine Lippen streifen über ihr Ohr den Nacken hinunter und legen sich auf die süße Beuge zwischen Nacken und Schulter. Dann hält er inne. Er muss. Auf den Mund darf er sie nicht küssen. Mehr kann er nicht tun. Sie muss merken, wie sehr er sie liebt. Ab jetzt hängt alles von ihr ab. Wird sie seiner Zärtlichkeit erliegen? In ihm ist unendliche Liebe für sie. Wird sie ihn wieder lieben? Ist dieselbe Süßigkeit, wie in ihm für sie, für ihn auch in ihr? Ist seine Süßigkeit auf sie übergeströmt? Hat er ihr seine Liebe eingeflößt? Davon hängt alles ab, denn Liebe ist, wenn das Fluidum unserer Zärtlichkeit so in den anderen überströmt, dass es dieselbe Zärtlichkeit, wie in uns für ihn, in ihm auch für uns erweckt. Wenn nicht, wird sie sich befremdet abwenden, entziehen, und ihrer Wege gehen. Wenn ja, wird sie bleiben und ihn lieben.
Er weiß nicht, wie es endet, denn er erwacht und die Frau und auch Betty sind verschwunden. Wer war sie? Er weiß es nicht. Die Frau war ein Traumgebilde, ein Hirngespinst, eine Projektion seiner Sehnsucht. Zuerst war da die Süßigkeit, die in ihm aufstieg wie eine Solfatare und ihn in alle Fasern seines Nervengewebes hinein erfüllte. Diese Süßigkeit war das Gefühl des Geschlechts: seine Sinnlichkeit. Seine Liebe.
Die Liebe? Was ist die Liebe?
Was Prügel sind, das weiß man schon; was aber die Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht . Einige Naturphilosophen haben behauptet, es sei eine Art Elektrizität. Das ist möglich; denn im Moment des Verliebens ist uns zumute, als habe ein elektrischer Strahl aus dem Auge der Geliebten plötzlich in unser Herz eingeschlagen. Ach! diese Blitze sind die verderblichsten, und wer gegen diese einen Ableiter erfindet, den will ich höher achten als Franklin . Gäbe es doch so kleine Blitzableiter, die man auf dem Herzen tragen könnte und woran eine Wetterstange wäre, die das schreckliche Feuer anderswohin zu leiten vermöchte! Er fürchtet aber, dem kleinen Amor könne man seine Pfeile nicht so leicht rauben wie dem Jupiter seinen Blitz und den Tyrannen ihr Zepter.
Außerdem wirkt nicht jede Liebe blitzartig; manchmal lauert sie wie eine Schlange unter Rosen und erspäht die erste Herzenslücke, um hineinzuschlüpfen; manchmal ist es nur ein Wort, ein Blick, die Erzählung einer unscheinbaren Handlung, was wie ein lichtes Samenkorn in unser Herz fällt, eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der Frühling kommt und das kleine Samenkorn aufschießt zu einer flammenden Blume, deren Duft den Kopf betäubt. Dieselbe Sonne, die im Niltal Ägyptens Krokodilseier ausbrütet, kann zugleich zu Potsdam an der Havel die Liebessaat in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen – dann gibt es Tränen in Ägypten und Potsdam.
Aber Tränen sind noch lange keine Erklärung – Was ist die Liebe? Hat keiner ihr Wesen ergründet? hat keiner das Rätsel gelöst? Vielleicht bringt solche Lösung größere Qual als das Rätsel selbst, und das Herz erschrickt und erstarrt darob wie beim Anblick der Medusa. Schlangen ringeln sich um das schreckliche Wort, das dieses Rätsel auflöst – Oh, er will dieses Auflösungswort niemals wissen, das brennende Elend in meinem Herzen ist mir immer noch lieber als kalte Erstarrung. Oh, sprecht es nicht aus, ihr gestorbenen Gestalten, die ihr schmerzlos wie Stein, aber auch gefühllos wie Stein durch die Rosengärten dieser Welt wandelt und mit bleichen Lippen auf den törichten Gesellen herablächelt, der den Duft der Rosen preist und über Dornen klagt!
Vermutlich kommt sein Traum daher, dass er an der Schwelle zur Geschlechtsreife steht, oder sie schon überschritt, und die Säfte der Liebe sich in ihm stauen. Denn auch die Liebe hat ihre Säfte. Die erotischen Elixiere rufen die Gedanken an die geliebte Frau und die Sehnsucht nach ihr hervor. Diese Sehnsucht ist die psychologische Folge eines physiologischen Vorgangs. Der süß gespannte Reiz, den er empfand, ist ein sexueller, der nach Ausgleich verlangt. Der Ausgleich ist die Befriedigung; und die Befriedigung ist eine sexuelle. Das weiß die Seele, und so kam es zur Projektion seiner Sinnlichkeit auf das Traumbild der Frau. Das meinte Spinoza: Die Liebe ist ein von der Vorstellung einer äußeren Ursache begleiteter Kitzel . Der ,Kitzel' – das sind unsere inneren Sinne; die äußere ,Ursache' – das ist das andere Geschlecht, auf das der Kitzel projiziert wird. Nicht die äußere Ursache ruft den Kitzel hervor, sondern der innere Kitzel die äußere Ursache.
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