Er weiß, das ist sein Samen. Das ist sein erster Samenerguss, sein erster sexueller Höhepunkt – er kennt es so ähnlich von seinen Träumen her, aber da war es nicht so intensiv, und schon gar nicht so materiell. Da kam nichts aus ihm heraus, da war es innerlich in seinem Kopf und blieb trocken. Ist es das, was er schon als Kind seine ,große Freude' nannte, jetzt aber erstmals in dieser Form mit sichtbarem Ausfluss erlebt? Zweimal oder dreimal ergießt er sich so in die sich unter ihm bäumende Hanni und überströmt, während sie befriedigt zurückfällt, ihren jungfräulichen Schoß mit seinem Samen. Dann, entleert und ausgelaugt über ihr, nimmt er ihr liebes Gesicht, das jetzt ganz rot angelaufen ist, aber nicht von der Sonne, zwischen die Hände und küsst sie auf den erdbeerfarbenen Mund. Sie blickt ihm etwas vorwurfsvoll entgegen, dass er sie so verführt hat, dass sie ihn soviel hat machen lassen in den Büschen abseits von den anderen Leuten, sie, das vierzehnjährige jungfräuliche Flittchen, das jetzt keine Jungfrau mehr ist, ihn, den vierzehnjährigen Jungen, der jetzt kein Junge mehr ist, sondern ein Mann. Er spürt innerlich eine Art Dankbarkeit, dass sie ihn seine Mannbarkeit hat beweisen lassen. Er spürt sein Ding noch immer schlaff in ihr und zieht es mit einer Bewegung der Hüften heraus, sein von Sperma tropfendes Glied, jetzt aber zusammengeschrumpft wie ein Ballon, aus dem die Luft heraus ist. Und siehe! etwas von seinem weißlichen Saft fließt aus ihrer Scham, während ihre Labien sich wieder zusammenfalten wie das sich schließende Kelchlein der Lotosblume.
Dann springt sie hurtig auf die Füße, steht breitbeinig da und sieht zu, wie es ihr weißlich aus der Muschi tropft. Eine dicke zähe Schliere verfängt sich an den Labien, dünnt aus, Fäden ziehend, nach unten und läuft ihren schlanken Schenkel hinunter. Er zeigt Gegenwart des Geistes, nimmt das Handtuch oder ein Büschel Gras und wischt ihr damit den sämigen Tropfen ab. Fast glaubt er, als er die Innenseite ihres Schenkels küsst, den Geruch seines eigenen Spermas zu spüren. Sie sucht ihr geblümtes Höschen im Gras und streift es sich über, während er damit keine Eile hat und seinen Mannesstolz in der Sonne bräunt. Dann liegen sie eng umschlungen im Gras. Nach einer Weile kehren sie durch die Büsche ins Freie zurück, an ihren alten Platz im Bad, heimlich um sich blickend, ob man ihre verdächtige Abwesenheit nicht störend vermerkt hat. Aber niemand nimmt auch nur die geringste Notiz davon, niemandem ist es aufgefallen, dass er in der kurzen Zeit alle Seligkeit seiner Liebe genoss. Der andere Junge ist verschwunden, vermutlich aus frustriertem Ärger, nachdem er sie vergeblich an ihrem Platz gesucht hat … –
Von einer sonderbaren Müdigkeit, einer Art erhitzter Schläfrigkeit überfallen, sinkt er hintüber in seinen Zuber und versinkt fast in einen Schlummer.
Aber siehe! nicht der öffentliche Badestrand am Düsselstrand ist es ja, wo er liegt, sondern bloß sein hölzerner Zuber in der Bolkerstraße, in dem die weißlichen Schlieren seines Spermas allmählich zerlaufen. Und nicht die geliebte Hanni ist es, in die er sich so selig-süß verströmte, sondern bloß das geschändete Wasser im Bottich. Nicht mit Hanni hat er sich, wie er mit heißer Scham erkennt, gepaart – sich selbst hat er illusionistisch befriedigt, zum ersten Mal in dieser Form mit einem Orgasmus und Ejakulation. Und alles war bloße Phantasie:
Die Lotosblume erschließet
Ihr Kelchlein im Mondenlicht,
Doch statt des befruchtenden Lebens
Empfängt sie nur ein Gedicht ...
Sexuelle Selbstbefriedigung ist das. Masturbation oder Onanie. Er hat sich zum ersten Mal in seinem Leben sexuell selbst befriedigt, mit einem sexuellen Höhepunkt, den man Orgasmus nennt, und einem Samenerguss, den man Ejakulation nennt. Zwar kennt er ein ähnliches Gefühl der Lust auch schon von früher, von den Träumen seiner Kindheit – besonders abends vor dem Einschlafen – her, doch war es noch niemals so intensiv, immer nur ein warmes Kribbeln im Kopf???, und schon gar nicht so wirkungsvoll materiell, mit einer sichtbaren flüssigen Ejakulation. In dieser Form hat er noch nie masturbiert. Das ist neu und bedenklich und ruft allerlei neue Überlegungen hervor. Ist das nämlich normal? Ist das nicht vom normalen Geschlechtsleben abgewichen? Und ist diese Abweichung vom normalen Geschlechtsleben normal? Er hat aber viel Zeit zur Überlegung, denn es begleitet ihn von jetzt an sein Leben lang und wird geradezu zu einem Teil seines Lebens. Vermutlich macht Christian es mit seiner Freundin Heidi nicht anders. Mit seiner Vorstellung von Heidi, meine ich.
Und Hanni? seine geliebte Hanni? Sitzt auch sie im Zuber und befriedigt sich selbst?
Natürlich tut sie das. Natürlich befriedigt auch Hanni sich selbst. Mädchen sind da ja nicht anders als Jungen. Mädchen sind ja sogar noch früher geschlechtsreif als Jungen und spüren den gleichen Kitzel wie sie. Zunächst ist das aber nur seine Vermutung. Viel später erst lernt er die objektiven Befunde der Psychologen kennen: Es gibt wohl kaum , schreibt da Isidor Sadger von der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, – es gibt wohl kaum eine Abweichung vom normalen Geschlechtsleben, die derart allgemein verbreitet ist wie die Masturbation. Man darf ruhig behaupten, dass die Zahl der Onanisten, männlichen sowie weiblichen Geschlechts, das heißt, von Menschen, die irgend einmal in ihrem Leben sich länger oder kürzer selbst befriedigten, eine ganz ungeheuer große ist . Sogar als Gründe hierfür erscheinen, neben der Allgemeinheit und Intensität des Geschlechtsempfindens , vornehmlich zwei: dass die Masturbation ein allzeit parates Ausdrucksmittel ist für jegliche Art sexueller Gelüste, und ferner das große Trost- und Beruhigungsmittel, zu welchem man gern in jeglicher Not und Ungemach flüchtet . Einmal hat der Geistliche Schallmeyer, als er in die Gruppe kommt, einen roten Pickel auf der Nase. Harry entgeht nicht, wie Hanni, als sie es bemerkt, in eine Art frivole Aufregung gerät und mit schlüpfriger Miene ihre Banknachbarin darauf aufmerksam macht. Harry glaubt wohl zu wissen, was es mit so einem Pickel und Hannis Aufregung darüber auf sich hat. Er selbst spürt es manchmal im Moment höchster Wollust wie einen kleinen Blitz unter der Haut, einen punktuellen Stich, der eine Zeitlang anhält, und wenn er danach mit dem Finger hinkommt, bemerkt er an der Stelle ein leicht schmerzendes Bläschen. Meist entsteht ein solcher Pickel immer dann, wenn er einen sexuellen Höhepunkt gehabt hat. „Ich vermute“, so Ferenczi vom vorgenannten Verein, „dass die Wollust, die wie die Gemeingefühle überhaupt nicht lokalisierbar ist, dadurch entsteht, dass wenn der Genitalreiz sich gehörig summiert oder eine gewisse Spannung erreicht hat, er explosionsartig über das spinale Zentrum hinaus in die ganze Fühlsphäre, also auch in die Haut- und Sinneszentren ausstrahlt.“
E xplosionsartig ist der richtige Ausdruck: Der Orgasmus ist wie eine Explosion! Es ist wohl so, dass in dem Augenblick der gespannte nervliche Reiz, der ihn auslöst – und der der Orgasmus ist –, sich als fließende Elektrizität, wie bei Galvanis Fröschen, über die Gehirnnerven fortpflanzt und es am Ende, wo diese unter der Gesichtshaut enden und der elektrische Impuls nicht weiter kann, zu einer Art Stau oder Zusammenprall mit der Haut kommt. Wahrscheinlich verbrennt und zerstört der winzige Stromstoß dort ein paar biologische Zellen. Die Haut reagiert auf diese Läsion mit einem kleinen Eiterbläschen, das bei der Berührung als schmerzhaft empfunden wird. Da es eine Kehrseite vorausgegangener Wollust ist, nennt Harry es ,Lustpusteln', wie er sie gelegentlich auch auf seiner Brust, Schulter und Rücken bemerkt. Nicht selten, wenn er das Bläschen mit dem Fingernagel aufdrückt und das Eiter austritt, spürt er sogar einen lustvollen Reiz im Kopf, der im Gehirn so licht wie eine kleine Helligkeit aufblitzt.
Читать дальше