Freudhold Riesenharf
Henri hardcore I - Heines Mannesjahre
Welche sterben, wenn sie lieben
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Inhaltsverzeichnis
Titel Freudhold Riesenharf Henri hardcore I - Heines Mannesjahre Welche sterben, wenn sie lieben Dieses ebook wurde erstellt bei
1: Berlin
2: Philosophia
3: Kantiana
4: Ronja
5: William
6: Marie
7: Lorelei
8: Vanessa
9: Friederike
10: Malwine
11: Callgirl
12: Therese
13: München
14: Waltraud
15: Francesca
16: Samson
17: August
18: Rache
19: Lore
20: Dina
21: Monique
22: Beatrice
23: Chloé
24: Judith
25: Marianne
26: Morelle
Impressum neobooks
Und der Sklave sprach: „Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Jemen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.“
Der Asra
In Bonn 1819 ist der Student der Rechts- und Kameralwissenschaften Heinrich Heine der Burschenschaftlichen Allgemeinheit alias Alemannia beigetreten, zu der er bis zu deren behördlicher Auflösung ein Jahr darauf gehörte.
1821 in Göttingen wurde er Mitglied des Corps Guestphalia , aus der er wegen Verletzung des Keuschheitsgelübdes ausgestoßen wird. Wie manch körperlich ewas zu kurz gekommene Intellektuelle gebärdet er sich als Aktivist und stellt seine schlagkräftige Seite zur Schau: Ich treibe mich viel herum in Studentenangelegenheiten. Bei den meisten Duellen hier bin ich Sekundant oder Zeuge oder Unparteiischer oder wenigstens Zuschauer.
Sein Leben lang geizt er nicht mit Duelldrohungen: Ich hab mich auf der Universität zweimal geschlagen, weil man mich schief ansah, und einmal geschossen, weil man mir ein unziemliches Wort sagte. Das sind Angriffe auf die Persönlichkeit, ohne deren Integrität ich selbst jetzt nicht existieren möchte . Für ein halbes Jahr muss er die Universität Göttingen verlassen. Es ist eine fatale Sache, relegiert zu werden; sogar das bloße Konsiliiertwerden soll sein Unangenehmes haben :
Selig dämmernd, sonder Harm
Liegt der Mensch in Freundesarm;
Da kommt plötzlich wie's Verhängnis
Des Konsiliums Bedrängnis,
Und weit fort von seinen Lieben
Muss der Mensch sich weiterschieben.
Während der Arbeit an Almansor noch wechselt er nach Berlin und immatrikuliert sich an der dortigen Universität. Apropos: ich war auch in Berlin. Diese Stadt liegt an der Spree, hat 150.000 Einwohner und 25 Seelen. Und eine Seele ist darunter, die mich selig machen könnte! Tausende miserable Schriftsteller hätten die Stadt schon in Prosa und Versen gefeiert, und es habe in Berlin kein Hahn danach gekräht; kein Huhn ist ihnen dafür gekocht worden, und man hat sie unter den Linden immer noch für miserable Poeten gehalten, nach wie vor. Dagegen nahm man ebensowenig Notiz davon, wenn irgendein Afterpoet etwa in Parabasen auf Berlin losschalt. Wage es aber mal jemand, gegen Polkwitz, Innsbruck, Schilda, Posen, Krähwinkel und andere Hauptstädte etwas Anzügliches zu schreiben! Wie würde sich der respektive Patriotismus dort regen!
Der Grund davon ist: Berlin ist gar keine Stadt, sondern Berlin gibt bloß den Ort dazu her, wo sich eine Menge Menschen, und zwar darunter viele Menschen von Geist, versammeln, denen der Ort ganz gleichgültig ist; diese bilden das geistige Berlin. Der durchreisende Fremde sieht nur die langgestreckten, uniformen Häuser, die langen, breiten Straßen, die nach der Schnur und meistens nach dem Eigenwillen eines Einzelnen gebaut sind und keine Kunde geben von der Denkweise der Menge. Nur Sonntagskinder vermögen etwas von der Privatgesinnung der Einwohner zu erraten, wenn sie die langen Häuserreihen betrachten, die sich, wie die Menschen selbst, voneinander fernzuhalten streben, erstarrend im gegenseitigen Groll.
Nur einmal, in einer Mondnacht, als er etwas spät von Lutter und Wegner heimkehrt, sieht er, wie jene harte Stimmung sich in milde Wehmut aufgelöst hat, wie die Häuser, die einander so feindlich gegenübergestanden, sich gerührt baufällig christlich anblicken und sich versöhnt in die Arme stürzen wollen; so dass er armer Mensch, der in der Mitte der Straße geht, zerquetscht zu werden fürchtet. Manche werden diese Furcht lächerlich finden, und auch er lächelt darüber, als er, nüchternen Blicks, den andern Morgen durch eben jene Straßen wandert und sich die Häuser wieder so prosaisch entgegengähnen. Es sind wahrlich mehrere Flaschen Poesie dazu nötig, wenn man in Berlin etwas anderes sehen will als tote Häuser und Berliner. Hier ist es schwer, Geister zu sehen. Die Stadt enthält so wenig Altertümlichkeit, und ist so neu; und doch ist dieses Neue schon so alt, so welk und abgestorben.
Lutter und Wegner ist die Kneipe, in der er berüchtigte Gelage mit dem Schauspieler Ludwig Devrient und dem Dichter Christian Dietrich Grabbe feiert. Gubitz hat ihm die Handschrift von des Letzteren Drama Herzog Theodor von Gothland gezeigt und ihn aufgefordert, sich das ,verrückte Geschreibsel' anzusehen. Harry blättert in dem dicken Manuskript und sagt dann: Sie irren sich, lieber Gubitz, der Mensch ist nicht verrückt, sondern ein Genie .
Dieweil er über alle neuen deutschen Schriftsteller schimpft, lobt er nur Karl Immermann. Von Grabbe ist nicht die Rede, aufgrund vielleicht der folgenden, von dem Londoner Musikprofessor Becher berichteten Anekdote. Immermann, Heine und Grabbe sind in Berlin zusammen. Die letzteren beiden reiben sich oft aneinander. Grabbe behält an Witz und Derbheit beständig die Oberhand. Eines Abends hat er ihn besonders glücklich niedergekämpft, so dass Harry keinen anderen Ausweg mehr sieht als die Drohung, er werde sich mit der Feder rächen. Da packt der kräftige Grabbe das kleine Männchen, drückt es an die Wand, hält ihm ein blankes Messer vor die Augen und schreit: „Wenn du es wagst, je ein Wort des Schimpfes über mich drucken zu lassen, so komme ich dir nach, wo du auch seist, und fasse dich, wie ich dich jetzt habe, und schlachte dich ab wie ein Huhn.“
In Zeitungsberichten für den Rheinisch-Westfälischen Anzeiger schildert er das äußere und innere Leben Berlins. Wie er soeben an der Post auf der Königstraße abstieg und sich den leichten Koffer nach dem Schwarzen Adler auf der Poststraße tragen lässt. Als er durch die Straßen läuft, ersucht er den Leser, ihm Gesellschaft zu leisten: Folgen Sie mir nur ein paar Schritte, und wir sind schon auf einem sehr interessanten Platze. Wir stehen auf der Langen Brücke . Sie wundern sich: „Die ist aber nicht sehr lang?“ Es ist Ironie, mein Lieber. Lasst uns hier einen Augenblick stehenbleiben und die große Statue des Großen Kurfürsten betrachten. Er sitzt stolz zu Pferde; und gefesselte Sklaven umgeben das Fußgestell. Es ist ein herrlicher Metallguss und unstreitig das größte Kunstwerk Berlins. Und ist ganz umsonst zu sehen, weil es mitten auf der Brücke steht. Es hat die meiste Ähnlichkeit mit der Statue des Kurfürsten Johann Wilhelm auf dem Markt zu Düsseldorf; nur dass hier in Berlin der Schwanz des Pferdes nicht so bedeutend dick ist. Aber ich sehe, Sie werden von allen Seiten gestoßen. Auf dieser Brücke ist ein ewiges Menschengedränge. Sehen Sie sich mal um. Welche große, herrliche Straße! Das ist eben die Königstraße, wo ein Kaufmannsmagazin ans andere grenzt und die bunten, leuchtenden Warenausstellungen fast das Auge blenden.
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