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GeldmarktinstrumenteiS der MiFID II sind dabei die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelten Gattungen von Instrumenten. Dazu zählen etwa Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 RiL 2014/65/EU, § 2 Abs. 2 WpHG; siehe die Konkretisierung in Art. 11 DelVO 2017/565).
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Derivative Geschäftesind insbesondere als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Fest- oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich mittelbar oder unmittelbar von einem Basiswert ableitet (Termingeschäft, § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, siehe die Konkretisierung v.a. in Art. 7 DelVO 2017/565)[34], aber auch etwa finanzielle Differenzgeschäfte (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG).
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Ob virtuelle Währungen bzw Tokenals Finanzinstrumente zu sehen sind, prüft die BaFin im Einzelfall. Jedenfalls sollen sog. Currency Token (zB Bitcoins) nicht unter den Wertpapierbegriff fallen, da sie Rechnungseinheiten darstellen[35]. Sofern Kryptowerte daher nicht „Finanzinstrumente“ iS des WpHG sind, unterliegen Finanzdienstleistungen in diesen (zB Anlageberatung) nicht den Verhaltens- und Organisationspflichten des WpHG[36].
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Wertpapiere sind ein Unterfall der Finanzinstrumente[37]. In § 2 Abs. 1 WpHGwerden die Wertpapiere in vier Gruppenunterteilt[38]: Erstens Aktien (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), zweitens alle damit vergleichbaren Wertpapiere (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 WpHG)[39], sofern sie andere Anteile an in- und ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen sind, drittens Schuldtitel[40] (v.a. Genussscheine, Inhaber-, Orderschuldverschreibungen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a WpHG) sowie viertens sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung der o.g. Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b WpHG)[41].
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Diese Papiere fallen nur dann in den Anwendungsbereich des WpHG, wenn sie „auf den Finanzmärkten handelbar“ sind (§ 2 Abs. 1 WpHG)[42]. Ein tatsächlicher Handel am Markt ist nicht erforderlich, die Wertpapiere müssen lediglich dazu geeignet sein. Sie müssen fungibel, dh umlauffähig und austauschbar sein (vertretbare Sachen iS des § 91 BGB). Mangels Umlauffähigkeit sind damit Namenspapiere (Rektapapiere[43]) keine Wertpapiere iS des WpHG; eine Übertragung der in ihnen verbrieften Rechte erfolgt nach Zessionsrecht (§§ 398 ff BGB).
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Der in § 2 Abs. 1 WpHG verwendete Wertpapierbegriff[44] bezieht sich auf die speziellen Ziele des WpHG und deckt sich nicht mit dem allgemeinen Wertpapierbegriff[45]. Nach diesem ist ein Wertpapier eine Urkunde, die ein subjektives Recht derart verbrieft, dass es nur vom Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann[46]. Der Wertpapierbegriff des WpHG ist insoweit enger gefasst und beinhaltet lediglich Order- und Inhaberpapiere und damit solche Wertpapiere, die nach den §§ 929 ff BGB übertragen und gutgläubig erworben werden können.
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Eine Urkunde muss gemäß § 2 Abs. 1 WpHG nicht ausgestellt sein („Entmaterialisierung des Wertpapierbegriffs“)[47]. Es genügt die Verbriefung in SammelurkundeniS des § 9a DepotG. Bei Anleihen der öffentlichen Hand (zB Bundesschatzbriefen) werden keine Urkunden ausgestellt, sondern es wird eine Eintragung in ein Schuldbuch vorgenommen. Die dadurch entstehenden Schuldrechte sind den verbrieften Wertpapieren rechtlich gleichgestellt und damit Wertpapiere iS des § 2 Abs. 1 WpHG.
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Der Wertpapierbegriff der ProspektVO(VO (EU) 2017/1129)[48] verweist auf denjenigen der MiFID II, sodass diesbezüglich ein einheitlicher Wertpapierbegriff vorherrscht. § 2 Nr. 1 WpPG wiederum verweist bzgl der Definition des Wertpapierbegriffs auf diejenige in der ProspektVO.
Teil II Marktorganisation und Marktzugang
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Marktorganisation und Marktzugang sind überwiegend im Börsengesetz (BörsG)[1] geregelt. Das BörsG stellt den sachlich ältesten Teil des Kapitalmarktrechts dar. Dessen Organisationsnormen weisen den Börsenorganen bestimmte Zuständigkeiten und Befugnisse zu. Außerdem sind Vorschriften für das ordnungsmäßige Zustandekommen von Börsenpreisen sowie Regelungen zum Verhältnis von Börse und Nutzern (Handelsteilnehmern und Emittenten der börsennotierten Wertpapiere) enthalten. Daneben finden sich im BörsG auch anlegerschützende Normen.
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Einzelne Teile des (alten) BörsG, wie etwa die Regelung der Finanztermingeschäfte (§§ 37e ff WpHG aF, jetzt: §§ 99 f WpHG) und das Verbot der Marktmanipulation, wurden in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verlagert. Letzteres ist nunmehr in der MAR geregelt. Auch durch das FRUG von 2007[2] fand eine „Ausdünnung“ des BörsG statt, indem die Zulassungsfolgepflichten des Emittenten überwiegend in das WpHG transferiert (und erweitert) wurden. Zudem ist inzwischen die ursprünglich im BörsG angesiedelte Prospekthaftung in das WpPG ( §§ 9 ff WpPG) integriert. Insofern wird das BörsG inzwischen teilweise auch als „Rumpfgesetz“ bezeichnet[3].
§ 3 Die Börse und andere Handelssegmente
Ausgewählte Literatur:
Bialluch, Systematische Internalisierung de lege lata, WM 2015, 2030; Bredt, Das Börsenrecht als Ausgleichsinstrument zwischen öffentlichem Auftrag, Trägerinteresse und Anforderungen der internationalen Finanzmärkte, WM 2013, 1839; Güllner, MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in der EU, WM 2017, 938; Hoops, Bedeutung des organisierten Handelssystems in der gegenwärtigen Marktinfrastruktur, RdF 2017, 14; ders., Das neue Regime für die systematische Internalisierung nach MiFID II: Auswirkungen auf den deutschen Zertifikatehandel, WM 2017, 319; Hugger/Pasewaldt, Sanktionsverfahren der Börsen und Einstellungsmöglichkeiten nach dem Opportunitätsprinzip, WM 2016, 726; Kaufhold, Die Verfassung der Börse, ZHR 184 (2020), 562; Koch/Harnos, Die Neuregelung des Delisting zwischen Anleger- und Aktionärsschutz, NZG 2015, 729; Kocher/Seitz, Das neue Delisting nach § 39 Abs. 2–6 BörsG, DB 2016, 153 ff; Kümpel, Zur öffentlichrechtlichen Organisation der deutschen Wertpapierbörsen, BKR 2003, 3; Lepczyk, Schwerpunktbereich – Einführung in das Börsenrecht, JuS 2007, 985; Linnerz/Freyling, Delisting im Freiverkehr – Sanktionsregime und Pflichtenprogramm, BB 2017, 1354; Schelling, Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MiFIR, BKR 2015, 221; Wackerbarth, Das neue Delisting-Angebot nach § 39 BörsG oder: Hat der Gesetzgeber hier wirklich gut nachgedacht?, WM 2016, 385; Weidlich/Dietz/Cammerer, Nach der Neuregulierung des Open Market der Deutschen Börse: Notierungsmöglichkeiten für Unternehmen, GWR 2013, 39; Weitnauer, Das neue Börsensegment „Scale“ der Deutschen Börse AG: Neue Finanzierungs- und Exit-Möglichkeiten für KMUs?, GWR 2017, 235; Wieneke/Schulz, Durchführung eines Delistings, AG 2016, 809; Zimmer/v. Imhoff, Die Neuregelung des Delisting in § 39 BörsG, NZG 2016, 1056.
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Fall 1:
Die X-AG notiert im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Seit einigen Jahren sind die Gewinne des Unternehmens rückläufig und geraten in die Verlustzone. Dementsprechend ist der Börsenpreis erheblich gefallen. Der Vorstand V der X-AG möchte daher den Widerruf der Börsenzulassung beantragen. Kann V eine solche Beantragung ohne Weiteres vornehmen oder ist zunächst die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen? Rn 204
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Die Errichtung einer Börse bedarf der staatlichen Erlaubnis(§ 4 Abs. 1 BörsG), die dem Träger der Börse von der zuständigen obersten Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde erteilt wird (§ 4 Abs. 1, 6 BörsG)[1]. Wird eine Börse ohne diese errichtet, kann sie nach den Ordnungsgesetzen der Länder aufgehoben werden (Verstoß gegen die öffentliche Ordnung). Zu den wichtigsten Börsen in Deutschland zählen die Börsen in Frankfurt a.M., Düsseldorf[2], Hamburg-Hannover, München, Stuttgart, Berlin und Tradegate Exchange Berlin[3]. Hinzu kommen die Terminbörse European Exchange (Eurex) in Eschborn und die Energiebörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.
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