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Das OLG ist zuständig für die in § 120 Abs. 1 GVG genannten Staatsschutzdelikte, des Weiteren für die in § 120 Abs. 2 GVG aufgeführten Straftaten, sofern der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt, und gem. § 120b GVG bei Bestechung/Bestechlichkeit von Mandatsträgern.
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Spruchkörper des OLG ist der Strafsenat, § 116 GVG. Er entscheidet über die Eröffnung des Hauptverfahrens mit fünf Berufsrichtern. Bei Eröffnung beschließt er, dass er in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichternbesetzt ist, sofern nicht nach Umfang und Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung zweier weiterer Richter erforderlich erscheint, § 122 Abs. 2 GVG.
II. Die örtliche Zuständigkeit in der ersten Instanz
Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte (der Gerichtsstand) wird in §§ 7 ff. StPOgeregelt.
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Ordentliche Gerichtsstände:Hierbei handelt es sich insb. um
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den Tatort, § 7 StPO(zum Begriff des Tatorts vgl. § 9 Abs. 1 StGB), |
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den Wohnsitzoder Aufenthaltsortdes Angeschuldigten, § 8 StPO, |
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den Ergreifungsort, § 9 StPO. |
Weitere ordentliche Gerichtsstände finden sich in §§ 10–11a StPO. Bei mehreren Gerichtsständen kann die StA nach pflichtgemäßem Ermessen wählen. Ist das mehrfach geschehen, gilt der Prioritätsgrundsatz, § 12 Abs. 1 StPO.
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Außerordentliche Gerichtsstände:Hierbei handelt es sich um
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den Gerichtsstand des Zusammenhangsfür zusammenhängende Straftaten ( § 3 StPO), die einzeln zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, § 13 StPO, und |
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den Gerichtsstand der gerichtlichen Bestimmung, wenn ein ordentlicher Gerichtsstand nicht besteht, § 13a StPO, bei einem Kompetenzstreitzwischen mehreren Gerichten, § 14 StPO, wenn das an sich zuständige Gericht verhindertist oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheitbefürchtet, § 15 StPO. |
III. Die Zuständigkeit in Rechtsmittelverfahren
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Landgericht:Das LG entscheidet über Berufungengegen Urteile des AG, § 74 Abs. 3 GVG. Zuständig ist dabei die kleine Strafkammer, d.h. ein Berufsrichterund zwei Schöffen, § 76 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. GVG. Bei Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts muss ein zweiter Berufsrichterzugezogen werden, § 76 Abs. 6 S. 1 GVG. Über Beschwerdengegen Verfügungen des Richters beim AG und Beschlüsse des AGs entscheidet die große Strafkammer ohneMitwirkung der Schöffen, § 309 StPO, §§ 73, 76 Abs. 1 S. 2 GVG.
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Oberlandesgericht:Das OLG entscheidet in der Besetzung von drei Berufsrichtern, § 122 Abs. 1 GVG, über die Revisiongegen Berufungsurteile des LG, § 121 Abs. 1 Nr. 1b GVG, und über die Sprungrevisiongegen Urteile des AG, § 335 Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 74 Abs. 3, 121 Abs. 1 Nr. 1b GVG (sowie die sehr seltenen Fälle des § 121 Abs. 1 Nr. 1c GVG). Ferner entscheidet es über die Beschwerdengegen Beschlüsse des LG, § 121 Abs. 1 Nr. 2, 3 GVG, sowie im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrensüber Einwände gem. § 225b StPO gegen die Besetzung des LG, wenn dieses den Einwand für nicht begründet hält und ihn deshalb vorlegt, § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG.
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Bundesgerichtshof:Der BGH entscheidet über die Revisiongegen erstinstanzliche Urteile des OLG und des LG (soweit nicht ein Fall des § 121 Abs. 1 Nr. 1c GVG vorliegt, § 135 GVG). Spruchkörper sind die Strafsenate, § 130 Abs. 1 GVG, von denen es sechs (vier in Karlsruhe, zwei im Leipzig) gibt. Sie entscheiden über Revisionen in der Besetzung mit fünf Berufsrichtern, § 139 Abs. 1 GVG. Ferner entscheidet der BGH, i.d.R. mit drei Berufsrichtern, über bestimmte Beschwerden(§§ 135 Abs. 2 Nr. 1, 2, 139 Abs. 2 GVG). Schließlich entscheidet er, mit fünf Berufsrichtern, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrensüber Einwände gem. § 225b StPO gegen die Besetzung des OLG, wenn dieses den Einwand für nicht begründet hält und ihn deshalb vorlegt, §§ 135 Abs. 2 Nr. 3, 139 Abs. 1 GVG.
Schaubild 2: Instanzenzug
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IV. Die Zuständigkeit des EGMR
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Vor dem EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) mit Sitz in Straßburg kann jedermann gem. Art. 34 EMRK Verletzungen seiner EMRK-Grundrechtegeltend machen, wenn er den innerstaatlichen Rechtsweg erschöpft hat und seit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind, Art. 35 EMRK (ausf. zum Ganzen Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 4 ff.) Über die Individualbeschwerde entscheidet i.d.R. die Kammer, Art. 27, 29 EMRK.
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Im Falle eines EMRK-Verstoßes kann der EGMR dem Betroffenen zwar ggf. eine Entschädigung zusprechen, Art. 41 EMRK, jedoch die Entscheidungen der nationalen Gerichte nicht aufheben. Urteile des EGMR haben somit keine kassatorische Wirkung. Allerdings sind die Mitgliedsstaaten in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, dazu verpflichtet, das Urteil des EGMR zu befolgen, Art. 46 Abs. 1 EMRK, d.h. einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen. Dem hat der deutsche Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Bejahung einer EMRK-Verletzung durch den EGMR einen Wiederaufnahmegrund zugunsten des Verurteilten nach § 359 Nr. 6 StPO begründet.
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Ferner trifft die deutschen Gerichte grds. die Pflicht, die einschlägige Rspr. des EGMR zu beachten und – solange im Rahmen der geltenden methodischen Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind – der konventionsgemäßen Auslegungden Vorrang zu geben (BVerfGE 111, 307).
§ 5 Die Verfahrensrollen
I. Die Staatsanwaltschaft
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Die StA erfüllt im Strafverfahren drei Hauptaufgaben:
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Sie leitet das Ermittlungsverfahren(vgl. § 161 Abs. 1 StPO), |
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sie vertritt im Zwischen- und im Hauptverfahren die Anklage, und |
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sie ist zuständig für die Strafvollstreckung, § 451 StPO. |
1. Die Organisation der StA
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Bei der StA handelt es sich um ein von den Gerichten unabhängiges, hierarchisch aufgebautesOrgan der Rechtspflege, § 150 GVG. Sie ist parallel zu den Gerichten organisiert, §§ 141 ff. GVG. Ihre örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach derjenigen des Gerichts, für das sie bestellt wurde, § 143 Abs. 1 S. 1 GVG. An ihrer Spitze steht ein Behördenleiter, für den der einzelne StA immer als Vertreterhandelt, § 144 GVG – sog. monokratische Strukturder StA. Im Einzelnen:
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auf Bundesebene gibt es parallel zum BGH eine Bundesanwaltschaftmit dem Generalbundesanwaltan der Spitze, § 142 Abs. 1 Nr. 1 GVG, |
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beim OLG die StA mit dem Generalstaatsanwaltals Behördenleiter, |
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beim LG die StA mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt (LOStA)als Behördenchef, und |
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beim AG die Amtsanwaltschaft, deren Kompetenzen nach dem Landesrecht aber begrenzt sind und die es als eigenständige Behörde derzeit nur an vereinzelten Standorten gibt, sodass ein großer Teil der staatsanwaltschaftlichen Funktionen beim AG von der StA beim LG mit ausgeübt wird. |
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