Teilnahme am Gottesdienst
Das zentrale Anliegen sah der Klosterneuburger Chorherr darin, die aktive Teilnahme an der Liturgie zu fördern. Dabei steht eine aktive Teilnahme nicht im Gegensatz zur geistigen Teilnahme, sondern ergänzt diese. Und auch hier fordert Parsch wieder ein, mit der für ihn typischen sanften Zähigkeit vorzugehen. Auch wenn zu Lebzeiten Parschs noch viele Hindernisse im Weg standen, hat er sein Ziel nicht aus den Augen verloren:
„Die römische Liturgie setzt nicht bloß die Anwesenheit des Volkes voraus, sondern dessen aktive Teilnahme, und diese soll neu gepflegt werden. Das ist unser Ziel, das wir hundertprozentig im Auge behalten. Wir haben freilich schon angedeutet, daß die Verwirklichung dieses Zieles langsame Schritte [sic!] machen muß. Das Volk muß erst für die Aktivität erzogen werden. Deshalb müssen wir es allmählich dazu führen. Außerdem hat die aktive Teilnahme in der kirchlichen Gesetzgebung und Gewohnheit eine geringe Stütze; wir müssen daher tastend vorfühlen und die Möglichkeiten der aktiven Teilnahme experimentell erproben. Da gilt es oft, jahrhundertelange Gebräuche und Gewohnheiten zu überwinden, was oft auf Widerstände bei Volk und Klerus, bei der kirchlichen Obrigkeit stößt. Doch wir wollen das unbestreitbare Prinzip der aktiven Teilnahme hochhalten und mit sanfter Zähigkeit in die Tat umsetzen.“ 5
Parsch ist sich bewusst, dass seine Mission heikel ist, sie ist ihm aber so wichtig, dass er trotz aller Widerstände nicht davon ablassen will. Und er ermutigt seine Mitstreiter(innen), es ihm nachzutun. Er wusste, dass es nicht von heute auf morgen gelingen würde, alle Gläubigen wieder aktiv am Gottesdienst teilnehmen zu lassen, und rief zum Durchhalten auf – nicht nur die Leser(innen) der Volksliturgie , sondern wohl vor allem auch sich selbst.
Für die Verwirklichung der Anliegen des volksliturgischen Apostolats empfiehlt Parsch verschiedene Wege. So müssen z.B. Priester für das Anliegen begeistert werden, dann braucht es liturgische Pfarren oder Gemeinden, wie er es nennt. St. Gertrud, eine romanische Kirche in Klosterneuburg, bildet die „Übungsschule“ für Parsch selbst: eine liturgische Gemeinde, die eine homogene Gruppe von Gläubigen bildet und begeistert gemeinsam Gottesdienst feiert. Parsch unterscheidet diese kleinere Gruppe innerhalb einer Pfarre von der liturgischen Pfarre im Ganzen, die das Ideal darstellt:
„Da wird das Tempo der liturgischen Arbeit langsamer sein. Der Pfarrer muß eben Rücksicht nehmen auf die Nichtliturgischen, muß auch Ehrfurcht vor den überlieferten Formen haben. Es wäre für den Pfarrer verhängnisvoll, wenn er zu radikal vorginge. Da könnte er mehr verderben als nützen. Die Methode des volksliturgischen Aufbaues in der Pfarre muß also sein: langsam und allmählich steigern; kein Experimentieren, nichts Altes abschaffen, ehe man etwas Besseres an die Stelle gesetzt hat; anknüpfen an vorhandenes Gutes, Ehrfurcht vor der Tradition. Der Pfarrer muß das Ziel liturgischer Erneuerung fest im Auge behalten, in der Durchführung des Zieles aber mit Teillösungen rechnen. Er muß sich auf große Widerstände gefaßt machen, deshalb muß er mit sanfter Zähigkeit zu Werke gehen.“ 6
Parsch gibt hier schon sehr konkrete Hilfestellungen für die volksliturgische Arbeit und zeigt große Sensibilität für Sorgen und Ängste von Menschen und für möglicherweise auftretende Probleme. Er warnt vor überschnellen Lösungen und rät wieder zu sanfter Zähigkeit . Einerseits um die Gläubigen nicht vor den Kopf zu stoßen, andererseits um die „liturgisch Bewegten“, wie er es nennt, nicht zu entmutigen oder resignieren zu lassen. Sanftheit muss sich auch im Umgang mit der überlieferten Tradition zeigen. Es dürfe kein Element im Gottesdienst einfach gestrichen werden, ohne es sinnvoll durch etwas Anderes zu ersetzen. Bestehende Gesetze und Bräuche verdienen es, dass sie langsam und nicht abrupt geändert werden.
Formen der aktiven Teilnahme
Die Kommunion im Rahmen einer Eucharistiefeier zu empfangen, war für mehrere Jahrhunderte und auch zu Lebzeiten von Parsch keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr die Ausnahme. Parsch sah aber in der Kommunion eine wesentliche Form aktiver Teilnahme. So empfahl er seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst, „die Christen dazu [zu] erziehen, daß sie es für selbstverständlich halten, bei jeder Messe, an der sie teilnehmen, auch die Kommunion zu empfangen“ 7. Das Ziel, dass die gesamte Gemeinde in der Messe die Kommunion empfängt, „wird der Pfarrer aber mit ‚sanfter Zähigkeit‘ die ganze Zeit seiner Tätigkeit im Auge haben, wenn er auch erkennt, daß er es nicht vollständig erreicht. Der Weg zu diesem Ziel geht freilich auf Stufen und er kann nicht rechnen, daß er das Ziel so schnell erreicht. Doch erlahmen darf er nicht.“ 8Hier zeigt sich der Klosterneuburger Chorherr realistisch und warnt vor überhöhten Vorstellungen, ruft gleichzeitig aber wieder dazu auf, dranzubleiben und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Ein weiteres Mal begegnet uns das Parsch’sche Credo in der Volksliturgie , als es um einen anderen Aspekt der aktiven Teilnahme geht, nämlich um den Gesang in der Liturgie. Parsch widerspricht den Kritikern, die befürchten, dass der von ihm eingeforderte Volksgesang Chorleiter und Organisten brotlos machen würde. Vielmehr ergebe sich für sie eine neue Aufgabe, das Volk im liturgischen Gesang zu schulen. So rät er: „[W]enn ich auch hart in meinen Grundsätzen bin, so bin ich milde im Wege der Durchführung. Gehen wir schrittweise vorwärts, knüpfen wir an das vorhandene Gute an; reißen wir nicht das Alte ein, ehe wir besseres Neues an die Stelle gesetzt haben. Mit sanfter Zähigkeit gehen wir an die Ziele der volksliturgischen Erneuerung.“ 9
Parsch gesteht selbst ein, dass er an seinen Forderungen festhält, aber diese milde umzusetzen versucht und bringt mit der Verbindung von Härte und Milde eine ähnliche Paarung ins Spiel wie mit der Sanftmut und der Zähigkeit. Nicht aggressiv und laut, sondern ruhig und besonnen, aber deswegen nicht weniger energisch verfolgte Parsch die Ziele der volksliturgischen Bewegung. Mit Nachdruck und Ausdauer setzte er sich für seine Ideale ein. Auch wenn es nur mit kleinen Schritten voranging, verlor er doch nicht das Ziel aus den Augen. Wie Mose konnte Parsch gewissermaßen nur einen Blick auf das gelobte Land werfen, wurden doch die meisten seiner Anliegen erst nach seinem Ableben in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils verwirklicht. Als Vorgeschmack mag da die Reform der Karwoche 1954 gegolten haben, mit der die Osterliturgie vom Morgen des Karsamstags in die Nacht verlegt wurde – ein großer Wunsch von Parsch.
Die zentralen Anliegen von Parsch umfassten neben der Einbindung des ganzen Volkes in den Gottesdienst auch die Verbindung von Liturgie und Bibel sowie den Einsatz für liturgische Bildung. Bei der Verfolgung dieser Forderungen ging Parsch wohl auch deswegen mit sanfter Zähigkeit vor, weil er wusste, dass es ihm und seinen liturgisch Mit-Bewegten viel Langmut abverlangen werde, Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Gottesdienst zu reformieren, d.h. in seine ursprüngliche Form zurückzuführen. Geduld war nicht nur wegen der Widerstände, sondern auch wegen der Sache an sich gefragt. Gleichzeitig zäh zu sein und sanft vorzugehen verlangten auch die betroffenen Personen, sei es aus Rücksicht auf das Bedürfnis nach Gewohntem und Beständigkeit oder einfach im Wissen um deren Aufnahmefähigkeit oder Faulheit. Letztlich schützte sich Parsch mit seinem Leitmotiv selbst vor Resignation und Enttäuschung, spornte sich damit aber zugleich an.
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