„Wer sind denn diese drei? Mit einem Namen wie Brett Piper sind die doch wohl nicht einheimisch.“
„Ach, die arbeiten in den Inverewe Gardens drüben, sind, glaub ich, seit letztem Oktober da als Gärtner angestellt. Gute Typen, machen keinen Ärger, bezahlen immer in bar.“ Und geben wohl gutes Trinkgeld , ergänzte McKenzie für sich.
„Woher kommen sie?“
„Lough ist der Sprache nach irgendwo aus dem Süden, verbringt hier sowas wie ein Praktikum, noch ziemlich jung und grün hinter den Ohren. McGregor ist von Down Under und Piper hat einen amerikanischen Akzent. Einmal hat er erwähnt, dass er auf der Suche nach seinen Wurzeln ist. Würde mich ja wundern, wenn er die ausgerechnet hier fände!“ Bligh liess ein Schnauben hören. „Aber, wie gesagt, gute Jungs, kein Ärger.“
„Aber letzten Sonntag hatten Sie ja dann doch Ärger. Wie kam das?“
„Na ja, sassen also alle da und ahnten nichts Böses. Da geht die Tür auf und es kamen so Camping-Typen rein, Sie wissen schon, lange Haare, Bärte, die einen schaudern machen, Hüte auf dem Kopf, Rucksäcke, na ja, das Übliche halt. Setzen sich da an meinen Stammtisch und wollen essen.“
„Und das gab Probleme? Dafür ist dieses Etablissement ja da, oder nicht?“
„Ja, aber doch nicht am Stammtisch! Der war reserviert für später, wenn die Golfer aus Gairloch zurückkommen würden. Haben jeden Sonntag um acht Uhr ihr Abendessen hier bei mir.“
„Aha, verstehe. Welches ist der Stammtisch?“
„Da hinten.“ Bligh zeigte auf einen unscheinbaren quadratischen Tisch in der hinteren Ecke, der sich in nichts von seinen Nachbarn unterschied.
„Wie konnten die Camper das wissen? Ist das angeschrieben? Stand ein Schild darauf mit Vermerk Reserviert ?“
„Nee, das wohl nicht.“ Das kam etwas zögernd. Offenbar war sich auch der Wirt bewusst, dass hier eine Schwachstelle seiner Argumentation lag. „Aber Fraser ist dann aufgestanden und hat den Typen gesagt, sie sollten da verschwinden.“
„Und das taten sie? Verschwinden, meine ich.“
„Nee. Die sagten, sie seien müde und wollten jetzt essen. Der eine, ein baumlanger Kerl mit Brille, hat sogar gesagt, das sei ein freies Land hier und sie könnten sitzen, wo sie wollten.“
„Was geschah dann? Sind Sie eingeschritten?“
Bligh trat unsicher von einem Bein auf das andere. „Nein, ich war gerade am Essenauftragen für die Touris im anderen Saal. Ich habe davon nichts mitbekommen. Als ich zurückkam, war die Keilerei schon im Gang.“
„Aha. Woher wissen Sie dann, wie das abgegangen ist?“
„Nun, Fraser hat’s mir dann erzählt. Danach, als die Camper Leine gezogen hatten.“
Das ging McKenzie nun doch zu schnell. „Sie kamen also herein, als die Schlägerei gerade angefangen hatte, oder als sie schon zu Ende war?“
„Die waren gerade mitten drin. Fraser, Lough, Piper und die drei Camper. Fraser lag schon am Boden, blutende Nase, auch einer der Camper, der mit der Narbe auf der Wange, lag flach und wurde von einem der Gärtner – ich glaube, von Lough – nach Strich und Faden verdroschen.“
„Was ist mit McGregor? Tat der auch mit? Und wie kommt jetzt Ruaridh McDougal ins Spiel?“
„McGregor war nicht dabei. Vermutlich war er draussen, um eine zu rauchen. Aber McDougal kam gerade zu diesem Zeitpunkt zur Tür rein, als ich vom anderen Saal herkam. Er hat sich Lough gekrallt und von dem Camper weggezogen. Dann hat er versucht, die Lage zu beruhigen. Hat gesagt, dass nun gut sei und man sich die Hand geben soll.“
„Und war’s das dann? Gab es Frieden? Was haben Fraser, Piper und die andern beiden Camper getan?“
„Ja, die haben sich noch ein paar Knuffe gegeben, danach war aber Schluss. McDougal hat das gut hingekriegt. War ihm dankbar, sonst wäre womöglich noch Mobiliar zu Bruch gegangen.“
„Was haben Sie denn gemacht? Haben Sie auch eingegriffen?“
„Nee, ich hatte ein paar Gläser in den Händen. Die wollte ich nicht riskieren. Ich habe einfach zugesehen. McDougal hat das gut…“
„…hingekriegt, ich weiss. Hatten Sie den Eindruck, er kannte die Camper? Oder die Jungs aus den Gärten?“
Malcolm Bligh dachte angestrengt nach, etwas, was ihm sichtlich schwerfiel. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube nicht. Hat sie jedenfalls nicht mit Namen angesprochen. Hat nur alle aufgefordert, sich die Hand zu geben und hat dann eine Runde ausgegeben. Freibier für alle.“ Letzteres schien dem Wirt eine ausgesprochene Befriedigung zu geben. Wenn er auch nichts zur Schlichtung des Streits beigetragen hatte, war es ihm offenbar doch nicht zu peinlich gewesen, daraus Profit zu schlagen.
McKenzie seufzte. Diese Geschichte brachte sie einem Tatmotiv für den Mord an Ruaridh McDougal nicht näher. Sie würde sich alle Beteiligten, so sie denn noch greifbar waren, ansehen müssen. Allerdings zweifelte sie daran, dass einer dieser Rowdys, wenn er die Einmischung von McDougal vielleicht auch als Frechheit empfunden haben mochte, diesen dann zwei Tage später mitten in der Nacht zu Hause aufgesucht und umgebracht hatte. Besonders eingedenk der Tatsache, dass offenbar das ganze Pub nach der Schlägerei einhellig miteinander Brüderschaft getrunken hatte.
„Gehörte McDougal auch zu Ihren Stammgästen?“
„Stammgast war er nicht gerade“, brummte Bligh, „Aber er ist wohl schon öfters im Monat vorbeigekommen. Nicht immer zur selben Zeit, manchmal kam er morgens, kaum hatten wir geöffnet, für einen Kaffee. Abends eher selten, der arbeitete ja da irgendwo oben an einer Bar. Musste wohl selbst bis um Mitternacht schuften.“
„Hat er bei seinen Besuchen Kontakt zu den anderen Gästen gesucht?“
„Nee. Der hat sich immer etwas abseits gehalten. Obwohl, jetzt wo Sie fragen, kommt mir in den Sinn, dass er im letzten Monat oder so zweimal die Woche hier war, um Pool-Billard zu spielen – da hinten im Spielzimmer.“
„Mit wem denn?“
„Och, habe nicht so darauf geachtet. Wer halt gerade so da war. Ich blick da meinen Gästen nicht so auf die Finger. So lang die Ruhe geben, können sie meinetwegen spielen oder saufen, solange sie wollen.“
Das war nun auch nicht gerade hilfreich. McDougal konnte also sowohl mit den drei Jungs von den Inverewe Gardens als auch mit den Hippie-Campern auf irgendeine Weise Bekanntschaft geschlossen haben. Um das rauszukriegen, müssten zuerst aber mal aufwendige Ermittlungen eingeleitet werden. McKenzie beschloss, Smith und Purdy darauf anzusetzen. Das geschähe ihnen recht, langweilige Tür zu Tür-Befragungen machen zu müssen. McKenzie selber wollte sich dagegen mit dem zweifelhaften Whiskybrenner in Aultbea befassen. Das würde ihr immerhin wieder einen Grund geben, ihren kleinen Fiat auszufahren. Keinesfalls liesse sie sich von den Anzugträgern aus dem Fall drängen. Eine solche Chance, sich in ihrem Job in einem schwierigen Fall zu bewähren, kam für sie nicht so schnell wieder.
„Haben Sie in der letzten Zeit etwas Verdächtiges bemerkt? Leute, die sich ungewöhnlich benahmen? Wurden irgendwelche Geschichten am Stammtisch erzählt?“
Bligh schüttelte den Kopf. „Da gibt es ja immer die Touristen, die benehmen sich generell merkwürdig. Aber aussergewöhnlich? Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Kamen die Golfer dann an dem Abend noch fürs Nachtessen?“
„Ja natürlich. Die wussten ja nichts von der Schlägerei.“ Blighs Ton deutete an, dass er die Frage überflüssig fand. „Ich habe mich dann auch nicht mehr um die Burschen gekümmert, hatte alle Hände voll damit zu tun, die Drinks auszuschenken und Greta in der Küche Beine zu machen.“
„Wer ist die Familie da hinten? Die mit den beiden Jungs? Ist die schon lange im Ort?“
„Wohl etwa eine Woche. Sind irgendwoher aus dem Süden Europas, bewohnen das Rosemary Cottage über der Brücke. Harmlos. Die Jungs langweilen sich ganz klar, hab’ die hier nie gesehen. Die Eltern kamen zweimal zum Billardspielen, und wenn ich mir ihre Schuhe so ansehe, haben sie heute wohl alle zusammen eine Moorwanderung gemacht. – Aber die beiden Kerle da drüben sollten Sie sich näher ansehen. Die machen mir schon die ganze Zeit den Eindruck, dass sie etwas zu verbergen haben.“ Damit deutete er auf zwei ältere Herren, die eifrig diskutierend und gestikulierend an einem Ecktisch beim Fenster sassen. Die beiden waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie dem Auflauf rund um Mrs. McKay bisher keine Beachtung geschenkt hatten.
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