Helga Henschel - Tödlicher Glitzer

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Tödlicher Glitzer, Kriminalroman von Helga Henschel, Ahnungslos öffnest du ihnen die Haustür…,
Elvira Langelott stirbt nach quälender Krankheit. Die Todesursache ist unbekannt. Zur Klärung überstellen die Ärzte die Tote in die Rechtsmedizin und sie finden auffällige Blutwerte. Den mysteriösen Fall übernimmt der Bremer Kommissar Felix Lapschies mit Team. Der Ehemann gerät anfangs in Verdacht, verschwindet aber spurlos. Hat er seine Ehefrau wirklich skrupellos getötet? Wer hat die harmlose Elvira tödlich gehasst?
Während der Ermittlungen taucht das düstere Geheimnis einer kaltblütigen Mörderin aus der Vergangenheit auf. Zwei Fälle führen den Kommissar in finstere Abgründe und lassen zudem unbewältigte seelische Wunden aufbrechen. Trotz Widerstände löst Kommissar Lapschies den ominösen Fall.

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Tödlicher Glitzer

Kriminalroman

Helga Henschel

Impressum:

Copyright© Helga Henschel, November 2021

Schenkendorfstraße 47, 28211 Bremen, www.helga-henschel.de

Das vorliegende Buch ist eine grundlegende Überarbeitung des Buches „umschattet“, veröffentlicht 2016.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise - nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben werden.

Covergestaltung und Foto: Helga Henschel

Lektorat: A. Leuning

Montag 6. April

Elvira lag tot im kargen Sterbezimmer des Krankenhauses Mitte in Bremen. Der Ehemann und die weinende Mutter hatten ihr bis zum letzten Atemzug beigestanden. Beide saßen nun mit hängenden Schultern am Bett und schauten auf Elvira. Das ehemals hübsche Gesicht war eingefallen und die Knochen standen hervor. Die fahlen Gesichtszüge des Gatten wirkten versteinert und abwesend. Die Mutter schniefte ständig in ihr Taschentuch. Mehr konnten sie für die verstorbene Elvira Langelott nicht tun. Georg stellte die bereitgelegten Kerzen auf und die Mutter, Aloisia Märis, exzessive Raucherin, zündete sie mit ihrem Feuerzeug an. Mutter und Ehemann falteten die Hände und murmelten irgendetwas Undefinierbares. Nein, gläubig waren alle beide nicht. Die in der Kindheit gelernten Gebete hatten sich längst aus ihrer Erinnerung verflüchtigt. Also nuschelte jeder ein paar Worte, von denen sie glaubten, es ähnelte einem Gebet. Für sie gab es nichts mehr zu tun, kein Helfen, und kein Kümmern. Es war vorbei. Elvira war tot.

Starr saßen beide auf den harten Stühlen am Sterbebett, dass mit weißen Laken steril und sauber wirkte. Beide fühlten intensiv das Ende, den Friedhof, das Grab. Elvira zählte nur fünfunddreißig Jahre. Eindeutig zu früh, um zu sterben.

Die Luft im Sterbezimmer roch verbraucht und dennoch nach Desinfektionsmitteln. Ehemann Georg und Mutter spürten trotz der Trauer eine gewisse Erleichterung, obwohl keiner von beiden es freiwillig zugegeben hätte. Die Jahre mit Elviras Krankheit hatte an ihren Nerven gezerrt. Dieses ständige Dasein, das sich Kümmern und die häufigen Krankenhausbesuche hatten Georg zermürbt. Aloisia Märis hatte es weniger ausgemacht. Doch Georg hatte immens darunter gelitten.

Georg war mit fünfundvierzig Jahren in der Blüte seines Lebens und endlich auf dem beruflichen Gipfel angekommen. Seine kleine Immobilien-Verwaltungs-Firma florierte, er verbuchte Erfolge und damit ein stattliches Bankkonto. Seine eigenen Mietshäuser warfen Profite ab. Eine kränkelnde und ständig unpässliche Frau passte nicht so recht in sein luxuriöses Leben. Er wollte endlich weniger arbeiten und die Zeit mit Elvira genießen. Er liebte seine Frau und hätte alles für sie getan. Doch ihr gemeinsames Leben hatte er sich ganz anders vorgestellt. Er hatte geplant, mit seiner attraktiven Ehefrau auf Reisen zu gehen, zum Golfen und in Konzerte. Urlaube planen oder gar in Urlaub fahren gehörten seit Jahren ins Reich der Träume.

Elvira hatte lange gekränkelt. Sie litt unter ständigen Kopf- und Gliederschmerzen und wiederkehrenden Durchfällen. Ihr hilfloser Ehemann wusste keinen Rat und fühlte sich hoffnungslos überfordert. Auch der Hausarzt schaute ahnungslos drein, wenn er mal wieder am Sonntagabend gerufen wurde. Er flüchtete sich in undefinierbare Vermutungen und schrieb liebend gern die Einweisung ins Krankenhaus. Elviras Beschwerden besserten sich nicht. Ganz im Gegenteil, die Symptome traten öfter auf und wurden stärker. Georg hatte es satt und ergriff die Initiative. Statt in die Klinik im Nachbarort brachte er Elvira im nahen Bremen ins große Krankenhaus. Es musste ja eine Diagnose und einen plausiblen Grund für Elviras Beschwerden geben. Sie konnte nicht einfach zu Hause auf dem Sofa im Wohnzimmer liegen bleiben und dahinsiechen. Das stete Dahinsiechen wünschte Georg Pielhop seiner Frau nun wirklich nicht. Mittlerweile hatte ein intensiver Geruch von Krankheit und Medikamenten sein komplettes Haus durchströmt. Es gab keinen Winkel, weder auf dem Dachboden noch im Keller, wo es nicht nach Krankheit roch. Diesem widerwärtigen Geruch konnte er nur in seinem Büro entfliehen. Im Wohnhaus waberte es überall. Sogar in den Kleiderschränken nahm er diesen Gestank wahr und seine frisch gewaschene Wäsche muffte. Er ekelte sich davor. Er musste arbeiten und seine Firma führen. Elvira empfand er inzwischen als lästig.

Um Elvira kümmern brauchte Georg sich nicht. Das übernahm seine Schwiegermutter Aloisia Märis mit Eifer. Sie pflegte ihr einziges Kind rührend und war zur Stelle. Georg hielt seine Schwiegermutter zwar für tüdelig und schlimmer noch, sie qualmte sein Arbeitszimmer mit ihren Zigaretten voll. Da er selten dort saß und seit Elviras Erkrankung noch weniger, störte ihn das weniger. Aloisia zügelte zwar in Gegenwart Elviras ihr Laster und ging deshalb zum Rauchen ausgerechnet in sein Arbeitszimmer. Er hatte es einmal gewagt, sie darauf anzusprechen und ihr vorgeschlagen, auf der Terrasse zu rauchen. Doch davon wollte sie nichts wissen. Sie würde sich glatt den Tod holen, meinte sie, und damit war das Thema für seine Schwiegermutter erledigt. Seither hatte er sein Arbeitszimmer gemieden und riss nur ab und zu die Fenster auf.

Georg rekelte sich und entspannte seine schmerzenden Schultern. Vom langen Sitzen war er ganz steif geworden.

„Ich fahre nach Hause und kümmere mich um ein Beerdigungsunternehmen“, sagte er.

„Ja, tu' das, der an der Friedhofstraße in Schwachhausen hat damals die Beerdigung für Hermann gemacht. Die sind gut“, empfahl Aloisia gleich einen Bestatter.

Sie wusste bestens Bescheid und drängte jedem ihre meist unwillkommenen Ratschläge auf. Georg ärgerte sich.

Er nahm sich vor, den verwandtschaftlichen Kontakt zu seiner Schwiegermutter auf ein Minimum zu reduzieren, wenn alles vorbei wäre. Er wollte sich nicht mehr ständig in sein Leben hineinreden lassen.

Georg stand auf, nahm seine achtlos zusammengeknüllte Jacke von der Stuhllehne und ging aus dem Sterbezimmer. Draußen auf dem Gang der Station schöpfte er Luft. Besser war die nicht, denn auch hier roch es genauso nach Krankenhaus wie drinnen. Er musste hier schleunigst weg. Gerade im Umdrehen begriffen sprach ihn ein Arzt mit dunklem Haar im offenen Kittel an.

„Sie sind Herr Pielhop?“, fragte er.

„Ja, der bin ich. Ich wollte nach Hause fahren und die Beerdigung in die Wege leiten.“

„Mein Name ist Schmidt. Ich habe Ihre Frau betreut. Mein Beileid.“

Der Arzt machte eine kleine Mitleidspause, bevor er weitersprach.

„Ich muss Sie informieren, dass der Leichnam Ihrer Frau in die Rechtsmedizin überstellt wird.“

„Warum das denn?“, wunderte sich Georg.

„Wir haben keine plausible Diagnose für den Tod Ihrer Frau. Das muss unbedingt untersucht werden.“

Georg war ungehalten, er wollte einen endgültigen Abschluss und die letzten Angelegenheiten regeln.

„Dann können wir noch keinen Termin für die Beerdigung machen?“, fragte er.

„Nein, das würde ich offenlassen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange die Untersuchungen dauern. Es tut mir leid, Herr Pielhop. Ich kann es nicht ändern“, bedauerte der Arzt.

„Ja, aber wenn Sie es sagen. Meine Schwiegermutter wird davon gar nicht begeistert sein.“

„Ich muss jetzt weiter“, zog sich der Arzt gekonnt aus dem Gespräch zurück.

„Auf Wiedersehen, Herr Pielhop.“

Vertieft in seinen Gedanken antwortete Georg abwesend: „Auf Wiedersehen und vielen Dank für Ihre Mühen.“

Georg wollte dem Arzt noch die Hand reichen, doch der hatte sich schon abgewandt und lief in schnellen Schritten zum nächsten Krankenzimmer.

Händeschütteln ist wahrscheinlich in einem Krankenhaus weniger gut, dachte Georg.

Dunkel erinnerte er sich an die Hygiene-Hinweise zur Vorbeugung von ansteckenden Krankheiten und den Problemen der Kliniken mit resistenten Keimen.

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