Simone Häberli Mlinar - Tödlicher Whisky

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Im beschaulichen 250-Seelendorf Poolewe in den westlichen Schottischen Highlands geschieht ein Mord. Das Opfer, Ruaridh McDougal, der zurückgezogen in seinem abgelegenen Cottage gelebt hat, wird nachts brutal umgebracht und am darauffolgenden Nachmittag von seiner Putzfrau auf dem Küchenboden liegend aufgefunden. Die örtliche Polizei, unter der Leitung der jungen Inspektorin Charlotte McKenzie, nimmt Ermittlungen auf und steht zunächst vor einem Rätsel. Das Tatwerkzeug, ein Golfschläger, wird rasch gefunden, aber dennoch ist kein Motiv für den Mord ersichtlich. Da mischt sich der Geheimdienst ein, und es wimmelt plötzlich von Verdächtigen. Was hat die Vergangenheit des Opfers mit seinem Tod zu tun? Welche Rolle spielt ein versunkenes Whiskyschiff? Und was kann eine Berner Familie auf Urlaub zur Klärung des Falls beitragen?

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Impressum

Texte: © Copyright by Simone Häberli Mlinar

Umschlag: © Copyright by Simone Häberli Mlinar

Verlag: epubli.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Prolog

Die Leiche zu seinen Füssen sah seltsam wächsern aus. Der Wandel von einem lebendigen, atmenden Wesen zu totem Fleisch, das grotesk verrenkt vor ihm auf dem Boden lag, war so unglaublich schnell vor sich gegangen. Nun erinnerte nichts mehr an die starke Persönlichkeit, das Feuer und die Leidenschaft, die den lebenden Menschen ausgezeichnet hatte. Da war nur noch eine seelenlose Hülle.

Er dachte einen Moment über die Endlichkeit des Daseins nach. Aber er war weder gläubig, noch besonders sentimental. Er hatte den Mord an Ruaridh McDougal perfekt geplant und ohne die geringsten Gewissensbisse ausgeführt.

Sein Blick schweifte weiter zu den Blutflecken an der Wand. Ein schauderhaftes Gemälde. Ein zufriedenes Lächeln glitt über sein Gesicht. Er dachte an McDougals verblüfftes Gesicht, als der ihm die Türe geöffnet hatte. Der Alte hatte wohl nicht mit ihm gerechnet. Ganz dummer Fehler. Hätte McDougal eigentlich nicht passieren dürfen. Der war ja so stolz auf seine Menschenkenntnis gewesen. Aber die Verblüffung im Gesicht des Hausherrn war ganz schnell dem Verstehen gewichen, als er den Golfschläger in der Hand seines Besuchers sah. Nicht mal McDougal, der in seinen Aktionen immer so vorsichtig gewesen und auf alle Eventualitäten vorbereitet gewesen war, konnte annehmen, dass ihn jemand mitten in der Nacht für eine Golfpartie aufsuchte. Der Alte hatte zuerst auf Schadensbegrenzung machen wollen und eine Deeskalation der Situation versucht, hatte ihm sogar einen Stuhl und einen Whisky anbieten wollen. Ausgerechnet! McDougal hatte wohl gedacht, er könne ihn mit ruhiger Konversation besänftigen. Hatte mit fester Stimme beschwichtigend getönt, obwohl ihm doch sicher mulmig zu Mute gewesen war: „Beruhigen Sie sich, Mann, wir können über alles sprechen, ich bin sicher, wir finden eine befriedigende Lösung für alle.“ Ha, der Dummkopf hatte ihn in seiner Arroganz wohl manipulieren wollen. Aber er war McDougal an Schauspielerei weit überlegen, tat zuerst so, als wiche er zurück, wolle sich setzen und verhandeln. Er konnte an McDougals Augen den genauen Augenblick erkennen, als dieser dachte, die Gefahr sei vorüber. Zweiter Fehler, diesmal aber irreversibel. Der Mann war an seinem Schicksal selbst schuld. Er hätte ihn nicht unterschätzen dürfen.

Er blickte sich in dem kleinen Cottage prüfend um. Er war das erste und auch letzte Mal hier im Haus. Kaum zu glauben, aber die Küche war picobello aufgeräumt. Entweder hatte McDougal selbst einen Putzfimmel, oder seine Putzkraft war ihr Geld wert. Schade, dass McDougal nun verhindert war, die Blutspuren an den Wänden zu sehen, er wäre wahrscheinlich bei seinem Ordnungswahn in eine existentielle Krise geraten. Witziger Gedanke.

Er machte sich nicht die Mühe, die Sauerei aufzuwischen. Jedem, der das hier sah, musste klar sein, dass der Mann nicht durch eigene Hand ums Leben gekommen war. Das kümmerte ihn nicht sonderlich. Sollte sich doch die Spurensicherung mit Fingerabdrücken und DNA-Analysen rumschlagen, von ihm würden sie hier rein gar nichts finden. Kriminaltechnisch gesehen, war er inexistent.

Er schaute durchs Fenster mit den gestreiften Gardinen hinaus und schätzte, dass es ungefähr vier Uhr morgens sein musste. Gleich würde es hell werden. Es war ja Sommer, da ging die Sonne vor fünf Uhr auf.

Draussen blökte ein Schaf. Wahrscheinlich war einem Muttertier das Lamm davongelaufen. Er hatte schon immer geglaubt, dass Schafe sagenhaft dumme Viecher waren.

Blieb noch die Frage, was tun mit dem Golfschläger. Gar nicht so einfach. Aber diese Schwierigkeit hatte er natürlich vorausgesehen. Da war möglicherweise ein klitzekleines Risiko, dass man ihn mit der Sache doch noch in Verbindung bringen könnte. Obwohl - wenn die Leitung der Untersuchung dieser Neuen aus Achnasheen übertragen wurde, bestand wohl nur geringe Gefahr. Die Kleine würde sich an ihrem ersten Fall die Zähne ausbeissen.

Aber schliesslich war der Ewe nur hundert Schritte entfernt und hatte einige tiefe Stellen, wo sich die Tatwaffe problemlos entsorgen liess. Selbst wenn die Polizei den Fluss absuchen und den Schläger finden sollte, könnte sie damit nicht viel anfangen. Er hatte ihn bereits vor mehreren Wochen geklaut und nahm nicht an, dass der rechtmässige Besitzer den Verlust gemeldet hatte.

Einen Moment lang war er versucht, das Ding einfach auf dem Boden liegen zu lassen. Wäre zum Totlachen, wenn sich darauf noch die Fingerabdrücke irgendeines deutschen Hobbygolfers finden würden. Da könnte sich dann gleich Europol in die Untersuchung miteinklinken. Ein Kichern entschlüpfte ihm, die Nachwirkung des Adrenalinschubs. Es wäre wirklich der Gipfel der Ironie, wenn die einzigen auffindbaren Spuren auf den Kontinent führen würden, gerade jetzt, wo sich Britannien soeben für den Austritt aus der EU entschieden hatte.

Aber er würde bei seinem ursprünglichen Plan bleiben und den Schläger in den Fluss werfen. Das war einfacher, und die Suche nach der Waffe würde die örtliche Polizei ein bisschen auf Trab halten.

Er hob den Schläger auf – igitt, etwas tropfte auf den Boden. Er hoffte, dass es nur das Blut des Alten war. Die Alternative war nicht sehr appetitlich. Aber es half alles nichts, der Schläger musste weg. Er ging zur Tür hinaus, trat um die Ecke des Hauses und blickte zum Fluss hinab.

Es musste doch schon später sein, als er gedacht hatte - draussen war der Horizont leicht rosa und das Wasser glitzerte silbern. Die Vögel stimmten ihr Morgenkonzert an. Hoffentlich war kein übermotivierter Angler unterwegs, um sich frühmorgens sein Mittagessen zu fischen. Das hätte ihm seinen Plan etwas durcheinander gebracht. Vielleicht müsste er den Zeugen dann auch gleich mit eliminieren, ein wirklich interessanter Gedanke. Aber schliesslich war er ja kein Killer. McDougal zu töten war notwendig gewesen, aber er war nicht scharf darauf, noch mehr Leute umzubringen und sich selbst damit in unnötige Gefahr zu bringen. Er hatte noch ganz andere Pläne für seine Zukunft. In einem schottischen Gefängnis zu verrotten, war nicht nach seinem Geschmack.

Ein Augenschein nach links und nach rechts zeigte ihm, dass keine Seele um diese Zeit unterwegs war. Wie auch sonst immer in diesem verschlafenen Kaff.

Den Schläger an der vorgesehenen Stelle ins Wasser zu werfen, machte ihm nur ein, zwei Minuten Arbeit. Er guckte dem Schatten lange genug nach, um sicher zu sein, dass das Gerät auf dem Grund verschwunden und nichts mehr davon zu sehen war. Dann lief er zurück den Hang hinauf – ein bisschen Morgenjogging hatte noch nie jemandem geschadet - und überprüfte ein letztes Mal das Haus. McDougal lag noch da, wo er ihn zurückgelassen hatte, mit dem Gesicht zum Boden, die eingeschlagene Vorderansicht glücklicherweise nicht zu sehen. Er dachte einen Moment verwundert über diese Tatsache nach. Irgendwie kriegen sie das in den Filmen nicht richtig hin. Man hätte doch meinen können, dass der Mann mit dem Rücken nach hinten gestürzt wäre. Stattdessen hatte ihm der Schlag eine solche Rotation versetzt, dass er jetzt bäuchlings auf dem Boden lag. Der Mann hatte auch nicht geschrien oder sonst einen Mucks von sich gegeben. Ein trauriger Blick aus verschwimmenden Augen, als kurz vor dem Schlag das Begreifen einsetzte, zu spät für irgendeine Art von Gegenwehr. Vom silbernen Schlägerkopf wuchtig getroffen, hatte sich der Körper dann um die eigene Achse gedreht und war wie ein Sack umgefallen. Das lächerlich getüpfelte Pyjamahemd war dabei nach oben gerutscht und hatte den Anblick auf einen straffen, bleichen Rücken mit einigen roten Pusteln freigegeben. Überraschend, dass der Kerl so gut gebaut war, bei dem ungesunden Leben in der Destillerie. Nur diese Pusteln verunstalteten, was sonst ein attraktiver Torso gewesen wäre. Wer weiss, vielleicht hatte McDougal irgendeine Allergie gehabt. Aber egal, alles in allem war das Ganze unerwartet einfach gewesen. Es schien, als ob er Talent für diese Art von Tätigkeit hätte. Vielleicht sollte er doch den Beruf wechseln und sich als Terminator verdingen.

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