Simone Häberli Mlinar - Tödliches Spiel

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Schottland-Krimi.
Charlotte McKenzie, Polizeiinspektorin von Gairloch, die sich nach ihrem ersten gelösten Mordfall von der anstrengenden Arbeit auf der malerischen Hebrideninsel Skye erholen will, wird stattdessen unversehens in einen mysteriösen Todesfall verwickelt.
Sie, die sich nur für schnulzige Romane und kurze Spaziergänge am Strand interessiert, muss sich plötzlich mit Rugbyspielregeln und Wettintrigen herumschlagen. Wer hat den beliebten Jungstar der schottischen Nationalmannschaft auf dem Gewissen? Ein Konkurrent im Team? Seine Familie? Oder hatte doch ein undurchsichtiges WM-Wettsyndikat seine Hand im Spiel?
Zum Glück steht ihr ihr bewährtes Team zur Seite: Sergeant Gilchrist und Constable Purdy, ganz zu schweigen von Scott McTavish, einem Taucher aus Gairloch, der ihr (mehr als nur) freundschaftlich verbunden ist.

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Tödliches SpielMcKenzies zweiter Fall

Simone Häberli Mlinar

Impressum

Texte: © Copyright by Simone Häberli Mlinar

Coverbild: © Copyright by Simone Häberli Mlinar

Lektorat: www.asada.ch

Verlag: epubli.de

Flower of Scotland

O Blüte Schottlands,

Wann treffen wir

Auf euresgleich,

Gekämpft und gestorben

Fürs eigne bisschen Land,

Die ihr getrotzt habt

Stolz Edwards Streitmacht

Und ihn nach Haus gejagt,

Dass er's bereut.

Nun ist's Geschichte,

Soll einzig noch Legende sein,

Doch können wir aufsteh'n,

Zu sein die starke Nation,

Die einst getrotzt hat

Stolz Edwards Streitmacht

Und ihn nach Haus gejagt,

Dass er's bereut.

* Flower of Scotland, ursprünglich von «The Corries» (1967), heute inoffizielle SchottischeNationalhymne bei Fussball- und Rugby-Spielen. Die deutsche Übersetzung stammt aus der Feder der Autorin.

Prolog

März 2019, London

Die Nationalhymnen waren verklungen, der Anpfiff erfolgt. Das Spiel geriet für die Schotten zum absoluten Desaster.

Kaum eine Minute nach Spielbeginn war es dem rechten englischen Aussendreiviertel gelungen, die gesamte Verteidigung der Gäste auszuhebeln und den Ball ins gegnerische Malfeld abzulegen. Der erste Versuch, beim allerersten Angriff. Über das Gesicht des Mannes im weissen Dress zog ein breites Grinsen, das sich tausendfach widerspiegelte in den rotbemalten Antlitzen auf den Rängen. Einen solch schnellen Erfolg hatten nicht einmal die grössten Optimisten zu erhoffen gewagt, nach der letztjährigen Niederlage im Norden.

Das Twickenham-Stadion in London war bis unters Dach vollgepackt, die Stimmung ausgelassen, die Fangesänge erfüllten die Luft. Die schottischen Zuschauer, viele mit blauweiss angemalten Gesichtern und im Kilt, waren durchaus guter Laune und zuversichtlich angereist. Nun hatten sie gerade eine eiskalte Dusche erwischt. Sie starrten ungläubig auf das Feld und sahen zu, wie der englische Kicker den Ball auf das T setzte. Die Distanz zum Tor war machbar.

Respektvolle Stille senkte sich über das riesige Stadion. Der Kicker pendelte mit den Armen hin und her, mass die Distanz mit den Augen und liess sich viel Zeit. Konzentriert ignorierte er die einzelnen Pfiffe, die ob seines Zögerns von den Rängen ertönten. Er kniff die Augen zusammen, holte mit dem rechten Fuss aus und versenkte den Ball kaltblütig zwischen den hoch aufragenden Pfosten. Damit stand es sieben zu null für die englische Nationalmannschaft. Jubel bei den Einheimischen, leeres Schlucken bei den sichtlich schockierten schottischen Fans.

Das Spiel nahm seinen Lauf. Auf schottischer Seite demonstrierte man Entschlossenheit und Zuversicht. Es würde ein bisschen schwieriger werden als gedacht, hier in London, aber man hatte ja erst gerade begonnen. Nur Mut! Schliesslich war es nicht das erste Mal in ihrer Geschichte, dass die Mannschaft einem Rückstand hinterherrannte.

Scott McTavish quetschte sich zwischen den Sitzreihen durch und kehrte mit zwei Flaschen Bier zu seiner Begleitung zurück. Die hübsche junge Frau mit den Andreas-Kreuzen auf beiden Wangen, das dunkle Haar im Nacken zusammengebunden, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, als er sich auf den Sitz neben ihr plumpsen liess.

„Du hast die Nationalhymnen verpasst.”

„Ich habe vor dem Tresen mitgesungen.” Er grinste breit. „Da waren drei Engländer vor mir, die fanden das gar nicht witzig und haben sich fast an ihrem Bier verschluckt.”

Er reichte ihr eine Flasche und warf einen kurzen Blick auf die Tafel. Die blauen Augen weiteten sich ungläubig. Die Frau, die das Mienenspiel verfolgt hatte, lachte laut auf. „Warum hast du dich nicht beeilt! Wo warst du denn so lange?”

McTavish knirschte mit den Zähnen. „Ich musste Schlange stehen. Sieht so aus, als hätte ich mehr als nur die Hymnen verpasst. Was ist denn hier passiert? Sind unsere Jungs noch nicht aufgewärmt?”

Die Frau blickte leicht zweifelnd aufs Spielfeld, wo sich gerade ein Gedränge gebildet hatte. „Sie haben noch fast achtzig Minuten Zeit. Das werden sie schon schaffen.”

McTavish nickte halbwegs zustimmend und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. In seinem blonden Bart blieb Bierschaum hängen, den er achtlos mit dem Handrücken wegwischte.

Das Spiel ging weiter. Wenn er gehofft hatte, die Schotten würden eine rasche Reaktion zeigen und den Ausgleich erzielen, hatte er sich schwer getäuscht. Nach kaum ein paar weiteren Minuten sicherten sich die Engländer in einer Gasse den tieffliegenden Ball, und der folgende entschlossene Teamangriff brachte ihn die wenigen Meter über die Mallinie.

„Was zum Teufel…!”, fluchte McTavish vor sich hin. Sein vorhin noch offen zur Schau gestellter Optimismus hatte eine empfindliche Delle erlitten. „Wir haben sicher nicht den ganzen weiten Weg im Nachtzug von Inverness hierher genommen, um zuzuschauen, wie unsere Jungs schmählich untergehen! Das kann doch einfach nicht wahr sein.”

Seine Freundin schien die Sache nicht so tragisch zu sehen. Sie war zum ersten Mal im Stadion, und der Kampf auf dem Feld begann sie langsam zu faszinieren. Das Spiel hatte etwas Archaisches an sich. Rohe Kraft, Taktik und Tempo mischten sich mit einer Fairness der Spieler, die sie sonst bei Mannschaftssportarten vermisste. Wie lautete das allbekannte Bonmot, das Scott zitiert hatte? Rugby ist ein Spiel für Hooligans, gespielt von Gentlemen. Als Grundwerte des Spiels, so hatte er sie belehrt, galten Integrität, Leidenschaft, Solidarität, Disziplin und Respekt, so wie sie in der Charta des Welt-Rugby-Verbands von 2009 definiert waren. Nun, er musste es ja wissen. Er hatte das Spiel in seiner Collegezeit selbst gespielt.

Die Finessen der einzelnen Spielzüge entgingen ihr noch. Warum waren die Spielregeln auch so schwer zu verstehen? Jetzt hatte der Schiedsrichter das Spiel schon wieder unterbrochen. Sie blickte Scott von der Seite her an, getraute sich aber nicht, ihn nach einer Erklärung zu fragen. Seiner finsteren Miene nach lief es für seine Mannschaft gerade nicht so gut.

Sie blickte zurück auf das Feld, wo sich wieder ein Gedränge gebildet hatte. Acht Kerle auf jeder Seite griffen sich an den Schultern, senkten die Köpfe und begannen eng aneinandergedrückt gegeneinander zu schieben. Ob sich da nicht der eine oder andere eine arge Beule holte? Sie fand, dass es ein paar stattliche Burschen unter den Spielern hatte. Die brachten zusammen ein beachtliches Kampfgewicht auf die Waage - viele waren mehr als einen Meter neunzig gross und wogen an die hundert Kilo oder sogar darüber. Diesen Eindruck vom Spiel, oder vielmehr von den Spielern, würde sie Scott vielleicht lieber nicht direkt auf die Nase binden.

Ihr Lächeln fror ein, je länger das Spiel andauerte. Die Sache war sehr einseitig. Während den Weissen jeder Spielzug nach Wunsch gelang, sie fantastischen Angriff um fantastischen Angriff starteten und durch die Reihen der Gegner brachen wie durch Butter, hielten die Blauen kaum mehr den anfänglichen Widerstand aufrecht. Nach einer halben Stunde hatten sich die Engländer den Bonuspunkt gesichert, und das Spiel stand einunddreissig zu null. Zu null! Die schottische Mannschaft ging sang- und klanglos unter wie die Titanic.

Die Stimmung bei den angereisten Fans war so düster geworden wie der Nachthimmel. Die anfänglich nur leise geknurrte Kritik an der Spielweise des eigenen Teams und an den taktischen Vorgaben des Trainers wurde lauter. Inzwischen wusste jeder genau, was die Jungs auf dem Feld besser machen müssten.

Die englischen Kreuzritter mit den rotgefärbten Gesichtern auf den Zuschauertribünen schickten jede Menge höhnischer Kommentare und Seitenhiebe in Richtung ihrer blaugefärbten nördlichen Nachbarn. Wo war denn die stolze Blüte Schottlands?

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