Joëlle Mores
Tödliches Vergessen
Thriller
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Joëlle Mores Tödliches Vergessen Thriller Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Impressum neobooks
Er rannte durch die Gassen. Sein Atem keuchte. Alles was er hörte war sein pfeifender Atem, das Trampeln seiner Schritte und sein pochendes Herz. Er war am Ende seiner Kräfte.
Leonard blieb kurz stehen und sah nach hinten. Dabei strich er sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Seine langen Haare wurden ihm beim Laufen immer wieder zum Verhängnis. Trotzdem behielt er seine Frisur; schließlich liebte Conny, seine Frau die langen Haare. Während seiner Tätigkeit im Büro hatte er die Haare immer in einem Zopf zusammengebunden. Nach der Arbeit pflegte er es, seine Haare offen zu tragen. Er liebte es, wenn die Luft durch seine Haare flog. Das gab ihm dann ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit. Jetzt allerdings hätte er gerne drauf verzichtet.
Seine Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen. Wenn er nicht weiterlief, hatten sie ihn bald eingeholt. Doch wozu soll ich mir schon die die Mühe machen?
Außerdem riskierte er, einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn er so weitermachte. Und das war kein schlechter Witz. Sein Herz war in schlechter Verfassung und sein Asthma führte nicht gerade dazu, seine Lage zu verbessern. Leonard seufzte. Was soll‘s. Er entschied, nicht weiter zu laufen und stellte sich seinen Verfolgern. Es waren insgesamt drei Männer; sie hatten ihn schnell eingeholt und umringten ihn jetzt von allen Seiten.
Er hatte sich bereits einige Hunderte Meter von seinem Parkplatz entfernt, und stand jetzt in einer gepflasterten Fußgängerzone. Rechts von ihm leuchteten die neonfarbenen Buchstaben eines Kebab-hauses, das zu dieser späten Zeit schon geschlossen war. Zu seiner Linken war ein schlichtes Gebäude, das zum Verkauf leer stand. Hier kannte sich Leonard gut aus. Es handelte sich um die Innenstadt von Trier. Sein Zuhause war nicht weit entfernt, schätzungsweise zwei Kilometer Fußmarsch.
Leonard war noch nie überfallen worden. So regte sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend. Die Männer waren ihm viel zu nahe nach seinem Geschmack. Sie wollten ihn anscheinend provozieren.
„He, was wollt ihr von mir?“, fragte er in die Runde. „Wenn ihr Geld wollt, seid ihr an der falschen Adresse, verstanden!“ Zum Beweis stülpte er seine Hosentaschen nach außen, öffnete seine Brieftasche und entnahm ihr das ganze Geld.
„Hier, ist es das, was ihr wollt? Zehn zerlumpte Euro?“
Der Mann, dem Leonard gegenüberstand trat einen Schritt nach vorne. Er musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dann wechselte er einen Blick mit seinem Begleiter.
Dieser zuckte mit den Schultern.
Leonard wurde immer nervöser. Außerdem machte ihm sein Asthma schwer zu schaffen. Sein Atem pfiff laut wie bei einem hechelnden Hund. Immer, wenn er über lange Strecken laufen musste, meldeten sich seine Atemprobleme. Er hasste diese Tatsache, musste sich dennoch damit abfinden. So stand er hier, inmitten von Unbekannten und rang um jeden Atemzug.
Diese Männer waren ihm vor etwa einer halben Stunde aufgefallen. Er war von seiner Arbeit gekommen und auf dem Weg zum Parkhaus hatte er die drei Gestalten aus seinen Augenwinkeln gesehen, die sich nicht gerade diskret verhielten. Sie hatten sich hinter den Bäumen versteckt und hatten ihn in geringem Abstand verfolgt. Schließlich hatte er es genau wissen wollen und hatte beschlossen, zu laufen. In dem Moment, als diese Männer auch das Tempo angezogen hatten, war ihm klargeworden, dass sie es auf ihn abgesehen hatten. Doch wieso? Er hatte keine Ahnung.
Er beäugte den Mann vor ihm, der von den anderen beiden flankiert wurde. Er war stämmig gebaut, fast ein bisschen untersetzt. Leonard war mit seinen ein Meter neunzig einen halben Kopf größer als er. Doch das Gesicht des Fremden täuschte über diesen Eindruck hinweg. Darin spiegelte sich eine grimmige Entschlossenheit wieder, die die paar Kilo Speck am Bauch wieder wettmachten. Er hatte stahlblaue Augen, die Leonard durchbohrten und bis in seine Seele zu reichen schienen. Es hinterließ ein recht unangenehmes Gefühl bei ihm.
Dieser Mann begann jetzt zu sprechen. Seine beiden Begleiter begnügten sich damit, ihn grimmig anzustarren. Es waren beide grobschlächtige Kerle mit kräftigen Schultern. Einer von ihnen hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Mann, der jetzt sprach. Die kantigen Gesichtszüge und die blauen, durchdringenden Augen waren gleich.
Die Stimme des Mittleren war dunkel und befehlsgewohnt, als er sagte:
„Sind Sie Leonard Kelley?“
„Ja, der bin ich“, antwortete Leonard spontan. Woher weiß der denn meinen vollständigen Namen?
„Sie werden beschuldigt, mehrere Morde begangen zu haben. Sie werden uns jetzt schön brav folgen und keinen Widerstand leisten. Haben Sie mich verstanden?“
Leonard starrte den Mann an, als hätte dieser den Verstand verloren. Er suchte im Gesicht seines Gegenübers nach irgendeiner Regung, vielleicht ein Zucken in den Mundwinkeln, das darauf hindeuten könnte, dass es sich um einen Witz handelte. Nichts.
Leonard drehte seinen Kopf demonstrativ nach allen Seiten und sagte dabei:
„Hört mal, ist dies hier vielleicht sowas wie Versteckte Kamera ?“
Als Antwort darauf bekam er einen Stoß in den Rücken. Dann wurden prompt seine Hände vor dem Bauch mit Handschellen gefesselt, und zwar von den zwei Männern hinter ihm. Dann stellten sie sich neben ihn. Sie wollten sich in Bewegung setzen und ihn dabei zwischen sich herziehen. Moment mal! Leonard schaltete auf stur und machte nicht mit. Er blieb einfach stehen und zerrte, um sich aus dem Griff zu befreien. Doch die Beiden hatten erstaunlich starke Arme. Ihr Griff glich einem Schraubenstock, dem Leonards nichts entgegenzusetzen hatte.
Er hatte also keine andere Wahl, als mitzugehen.
Aufgebracht schrie er:
„Was soll dieser Blödsinn?! Ihr könnt doch nicht einfach Leute mitten auf der Straße überfallen und ihnen Handschellen anlegen!“
Er bekam keine Antwort. Der Anführer der Gruppe, so vermutete Leonard, gab nur ein verächtliches Lachen von sich.
„He, was gibt es dabei zu lachen? Und wo bringt ihr mich überhaupt hin?“
Keine Antwort.
Schweigend setzte sich die Gruppe in Bewegung. Allmählich wurde ihm die Absurdität der Lage bewusst.
Außerdem war er zu betroffen, um nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ich, ein Mörder? Etwas Lächerliches hatte er noch niemals zuvor gehört. Doch ihm war nicht mehr zum Lachen zumute. Ganz und gar nicht. Schließlich war das hier Realität.
Doch eines wollte er noch loswerden.
„Sagt mal, wer seid ihr eigentlich? Ihr tragt keine Uniform, habt euch noch nicht einmal richtig vorgestellt und außerdem verhaltet ihr euch nicht wie normale Polizisten. Ich habe noch nie von Polizisten gehört, die einen Verdächtigen quer durch die Stadt verfolgen.“
Der Mann, der vorausging, tauschte einen verstohlenen Blick mit seinem Partner. Leonard bemerkte es und nickte triumphierend.
„Hatte ich also richtig vermutet! Also, wer seid ihr nun wirklich?“
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